«Wenn wir dann in der Arena sind zu der Biodiversitäts-Initiative, dann lasse ich zuerst die erneuerbaren Energien auf den Naturschutz los und den Rest, der dann noch übrig bleibt, den räume ich ab.» Die Rede von Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbands und Mitte-Nationalrat für den Kanton St. Gallen, war ein wahres Heimspiel an der Delegiertenversammlung (DV) des St. Galler Bauernverbands. Durchgeführt wurde diese letzte Woche im Gemeindesaal in Mörschwil.

Man hat aus den Rückschlägen von 2019 und 2020 gelernt

In seiner Rede blickte Markus Ritter zurück auf die vergangenen Erfolge der Landwirtschaftspolitik. Ausgangspunkt für diese seien die «verlorenen» Parlamentswahlen im Jahr 2019 gewesen, in welcher die ökologischen Parteien zugelegt hätten. Als weiterer Rückschlag folgte kurz darauf auch noch die verlorene Jagd-Initiative.

Gemäss Ritter hätten die bäuerlichen Kreise damals realisiert, dass es einen aktiven Lead und Support brauche und darüber hinaus jemanden, der «die PS auf den Boden bringt».

Wer sich nicht engagiert, dem bleiben am Schluss nur noch die Traktoren

Wahlen 2023Diese «Bäuerlichen» sind im National- und StänderatSonntag, 22. Oktober 2023 Der Schweizer Bauernverband engagiere sich nun aktiver in der Agrarpolitik, so Markus Ritter, denn: «Wenn man in der Schweiz politischen Einfluss haben will, muss man erstens die Abstimmungen und zweitens die Wahlen gewinnen.» Gelinge dies nicht, so bleibe einem nur noch das Demonstrieren mit den Traktoren, wie es sich in Deutschland zeige.

Die Erfolge dieses aktiveren Engagements seien unter anderem die Resultate der gewonnenen Trinkwasser- und Pestizid-Initiative. Ein weiterer Erfolg seien die Gewinne bei den Parlamentswahlen im Jahr 2023 gewesen. «Ziel war es, 15 Sitze in das landwirtschaftsfreundliche Lager zu verschieben, und dieses Ziel wurde erreicht», fasste Ritter die Parlamentswahlen zusammen.

Die Agrarpolitik von 2030 wird jetzt gemacht

Diese Gewinne und das Befolgen der Wahlempfehlung seien «matchentscheidend» für die künftige Agrarpolitik. Diese beginnt laut Markus Ritter nämlich bereits jetzt, im Jahr 2024. In diesem Jahr werde die Verwaltung die Planung der Reform 2030 in Angriff nehmen und es werde sich entscheiden, welche Richtung diese einschlage. Diesbezüglich hob Ritter auch die Bedeutung der Bundesratswahl von Albert Rösti im Jahr 2022 hervor. Denn wenn ein Bundesrat in die richtige Richtung marschiere, marschiere schliesslich auch die Verwaltung in die gewünschte Richtung mit.

2027 und 2028 werde dann schliesslich das Parlament über die Agrarreform beraten. Es sei darum heute bereits von Bedeutung, diese Wahl im Auge zu behalten und das bestehende Parlament dann mindestens zu bestätigen oder «gar noch zwei bis drei Schitli» draufzulegen – also das bäuerliche Lager erneut klar zu stärken.

«Jetzt ist einfach genug mit den Vorschriften»

Markus Ritter, Präsident des Schweizer Bauernverbandes über die Agrarpolitik der letzten 30 Jahre.

[IMG 2]

Ein kontinuierlicher Verlust an Einkommen und Produktion

Bei der Reform müsse man verhindern, dass es so laufe wie in den letzten Jahren. Seit drei Dekaden liege der Schwerpunkt nämlich jeweils auf Ökologie und Biodiversität. «Niemand hier drinnen hat etwas gegen Ökologie und Biodiversität, aber jetzt ist einfach genug mit den Vorschriften», fasste Ritter die Stimmung zusammen.

Das Resultat der vergangenen Politik sei ein kontinuierlicher Verlust an Einkommen, Produktion und ein Niedergang des Selbstversorgungsgrades. Dieser sei zentral für die langfristige Versorgungssicherheit und Unabhängigkeit der Schweiz.

Zahlreiche Verbände sind ebenfalls gegen die Initiative

AboDie Annahme der Biodiversitäts-Initiative führt laut SAV zu kontraproduktiven Einschränkungen der Alpwirtschaft.AlpwirtschaftNein-Parole zur Biodiversitäts-InitiativeFreitag, 16. Februar 2024 Die Landwirtschaft, die man jetzt sehe, sei vor zehn Jahren aufgegleist worden, so Markus Ritter. Darum sei die Bekämpfung der am 22. September zur Abstimmung stehenden Biodiversitäts-Initiative auch entscheidend. Diese gehe nämlich in die gleiche Richtung. Sie sei sehr breit gefasst und mit den zusätzlich geforderten Biodiversitätsflächen von 900'000 ha für die Landwirtschaft sowie andere betroffene Branchen nicht praktikabel. Die Gegnerschaft sei deshalb entsprechend breit aufgestellt.

Neben dem Bauernverband, der den Lead hat, sind unter anderem zahlreiche Verbände vom Bau, der Wald- und Holzwirtschaft, des Tourismus, aber auch aus dem Bereich der erneuerbaren Energien gegen die Initiative.

Das Ziel ist eine hohe Ablehnung von 65 % 

Das Ziel des Bauernverbandes sei eine 65 %-Ablehnung, erklärte Markus Ritter. Dieses Resultat soll mit einer Zwei-Phasen-Strategie erreicht werden. In einer ersten Phase werde die Bevölkerung darüber informiert, mit welchen Massnahmen die Landwirtschaft heute die Biodiversität fördere.

In der zweiten Phase sei dann, laut Ritter, «Schluss mit dem Humor», dann wolle man nämlich die Konsequenzen aufzeigen, welche die Initiative für die Landwirtschaft hätte und aktiv die Nein-Parole kommunizieren. Dafür brauche es das geschlossene Engagement der ländlichen Gebiete. Wenn auch die «100-jährige Grossmutter» abstimmen gehe, habe man weiterhin Erfolg.

Die GV in Impressionen

[IMG 3-9]

Von Preisen, dem Wolf und besserer Bildung – die DV des St. Galler Bauernverbandes
2023 sei ein schwieriges Jahr 2023 gewesen, eröffnete Peter Nüesch, Präsident des St. Galler Bauernverbandes, die Delegiertenversammlung. Ertragsminderungen im Pflanzenbau, ein Wegfall von Pflanzenschutzmitteln und höhere Produktionskosten bereiteten immer mehr Landwirten zunehmend Schwierigkeiten. Die Lösung wären höhere Preise. Hier tragen gemäss Nüesch auch die Grossverteiler die Verantwortung.

Ebenfalls zu reden gab das Thema Wolf. Gemäss Beat Tinner, Regierungsrat und Vorsteher des Volkswirtschaftsdepartements des Kantons St. Gallen, sei man im Kanton bestrebt, Lösungen zu finden. Eine hundertprozentige Zufriedenheit für die Landwirtschaft zu errreichen, könne er nicht versprechen. Den Ansatz der Wolfsrudelregulierung hält Tinner für nicht zielführend. Auch sei man im Vergleich mit anderen Kantonen bei den personellen Ressourcen zur Bejagung eher bescheiden bestückt.

Ebenfalls abgestimmt haben die Delegierten über die Erhöhung des Bildungsbeitrages. Es sei gemäss Mathias Rüesch, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbandes, eine Tatsache, dass gute ÜK-Kurse etwas kosten müssten. Die Erhöhung von Fr. 1.90/ha auf Fr. 3.–/ha wurde von den Delegierten ohne Diskussionen angenommen.

AboWahlen Kanton St. GallenBäuerliches Lager gestärktFreitag, 8. März 2024