Hühner haben ähnliche kognitive Fähigkeiten wie Primaten. Trotzdem würden wir ihnen nicht dieselbe Intelligenz zusprechen wie den Affen. Ein Umdenken könnte nun durch die Forschungsergebnisse von Wissenschaftlern aus Italien und den USA stattfinden. Diese besagen, dass bereits wenige Tage alte Küken in einem Zahlenraum von eins bis fünf rechnen können. Zum Vergleich: Affen und Kleinkinder sind auf einen Zahlenraum von eins bis drei beschränkt.

Mithilfe einer extra angefertigten Apparatur versuchten italienische Forscher der Universität Trient unter der Leitung der experimentellen Psychologin Rosa Rugani herauszufinden, ob Hühner tatsächlich fähig sind, in einer Reihenfolge die richtige Zahl zu finden. In der besagten Apparatur waren in einer Reihe nacheinander zehn Löcher angeordnet. Bereits am vierten Tag ihres Lebens wurden die Küken darauf trainiert, dass in einem Loch Futter zu finden ist. Bei den einen Küken war es das dritte, bei anderen Testküken das vierte oder das sechste Loch. Die restlichen neun Löcher blieben jeweils leer.

Wie intelligent sind Hühner?

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Links beginnend zählt es sich besser
Lediglich einen Tag später, die Küken waren also gerade mal fünf Tage alt, fand der Test statt. Erneut sollten die Hühner auf Anhieb das Loch mit dem Futter finden. Dabei war das Futter wiederum im gleichen Loch deponiert wie am Vortag. Nach dem ersten Pickversuch wurde der Test als beendet betrachtet und die Küken erhielten keine weiteren Möglichkeiten mehr, das richtige Loch zu finden. Das Ergebnis war beeindruckend: Die Küken gingen zielstrebig zum richtigen Loch, auf das sie trainiert worden waren, also entweder an der dritten, vierten oder sechsten Position.

In einem weiteren Versuch fanden die Wissenschaftler heraus, dass es den Küken leichter fiel, die richtige Position herauszufinden, wenn sie von links her begannen. Und auch in einem ähnlichen Test, bei dem Küken an der vierten oder sechsten Position in einer 16er-Reihe Futter finden mussten, konnten sie dies tun, wenn sie von links her anfingen. Begannen sie dagegen von rechts, fanden sie die richtige Position nicht.

Mengenunterschiede erkannt
Küken können aber auch zwischen einer grös­seren und einer kleineren Anzahl unterscheiden. Um dies zu beweisen, wurden den Küken fünf Plastikkapseln in den Käfig gehängt sowie je ein Bildschirm rechts und links aufgestellt. Nach einer Angewöhnungszeit begann man mit den Aufgaben. Die fünf Kapseln wurden jeweils aufgeteilt und hinter die Bildschirme gelegt. Die Küken liefen dabei dorthin, wo sich mehr Kapseln befanden. In der Folge verschoben die Forscher die Kapseln unter den wachsamen Augen der Küken von links nach rechts und umgekehrt. Nach jeder Neuverteilung der Kapseln begaben sich die Küken auf die Seite mit der
höheren Anzahl Kapseln. Dieser Versuch zeigt, dass bei den Küken ein leichtes Verständnis für Arithmetik, die Kunst des Zählens, vorhanden ist. Nach diesem ersten Erfolg wurde der Versuch mit einer grösseren Anzahl von Plastikkapseln wiederholt. Leider scheiterten die Küken jedoch an der erschwerten Aufgabe.

Was die schlauen Hühner alles können

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Wissenschaftler um Shannon Kundey vom Hood Collage in Maryland, USA, untersuchten, ob erwachsene Hühner bestimmen können, wann bei wiederholten Versuchen eine besonders grosse oder kleine Futterbelohnung verfügbar sein könnte. Die Versuche der US-Forscher zeigten, dass die Küken bei regelmässiger und kontinuierlicher Zu- oder Abnahme der Futtermenge diese auch vorausschauen konnten. Nahm das Futter beispielsweise in der Reihenfolge vier, drei, zwei, eins regelmässig ab, verlangsamte sich auch die Laufgeschwindigkeit der Küken. Sie erwarteten beim fünften Versuch kein Futter mehr. Änderte sich hingegen die Menge des Futters, beispielsweise in der Reihenfolge vier, eins, drei, zwei waren die Voraussagen nicht mehr so präzise. Bei den Versuchen wurde jeweils darauf geachtet, dass die Sättigung als Erklärung für die Verlangsamung der Laufgeschwindigkeit ausgeschlossen werden konnte.

Verständnis für Physik verblüfft
Es scheint auch, dass Küken nicht nur mit einem rudimentären Verständnis von Zahlen geboren werden, sondern auch mit einem gewissen physikalischen Verständnis. Getestet wurde diese Fähigkeit mittels Zeichnungen. Den Küken wurden jeweils zwei zweidimensionale Diagramme eines Objekts gezeigt. Das eine Diagramm stellte ein mögliches Objekt dar wie beispielsweise einen Würfel mit Schatten, die realistische Strukturelemente anzeigen. Das andere Diagramm zeigte ein Objekt mit unrealistischen Strukturelementen. Dabei zeigten die Küken eine signifikante Präferenz für das zweidimensionale Diagramm des möglichen Objekts und stellten sich jeweils vor dieses hin, wie Christine Nicol in ihrem Buch «The Behavioural Biology of Chickens» schreibt.

All diese Versuche zeigen auf eindrückliche Art und Weise, dass man Hühner und deren Intelligenz keineswegs unterschätzen sollte. Man darf gespannt sein, welche unerwarteten Fähigkeiten bei Hühnern die Forscher in Zukunft noch entdecken werden.