Vor drei Jahren war hier nichts als ein L-förmiger Garten mit englischem Rasen. Einen Kilometer südwestlich vom Zentrum in Rothrist AG, auf der Anhöhe «Auf dem Hölzli» in einem Einfamilienhausquartier, hat Conny Wildi innert zweier Saisons die 75 Quadratmeter Land in einen blühenden Garten mit lauschigen Sitzplätzen verwandelt. Ihre Nachbarschaft kennt ihre Passion für eine naturbezogene Gartengestaltung. So kommt es durchaus vor, dass Spaziergängerinnen und Spaziergänger von Wildi eine Portion Wassersalat (Pistia stratiotes) mit auf den Weg bekommen. Dieser schwimmt und wächst zusammen mit Krebsscheren (Stratiotes aloides) und Wasserlinsen (Lemna) vor dem Haus in drei alten Weinfässern.

Die Wasserpflanzen schattieren das Wasser und sind nicht nur fürs Auge schön: Sie helfen auch irrtümlich gelandeten Bienen und anderen Insekten, wieder aus dem Wasser zu kraxeln. Für die Igel füllt Wildi Untersetzer mit frischem Wasser. Auch auf dem Fenchel zeigt sich, welch paradiesische Zustände die Tiere hier vorfinden: Mit blossem Auge sind auf den zarten Ausläufern Hunderte gelbe, einen Millimeter grosse Eier des Schwalbenschwanzes zu sehen. In ein bis zwei Wochen schlüpfen die Raupen. Wildi meint, eigentlich sollte man die Pflanze jetzt mit Netzen schützen, damit die Raupen nicht von Blaumeisen oder Rotkehlchen gefressen werden. «Aber auch die Vögel sollen gut leben.»

Als die gelernte Gärtnerin vor knapp drei Jahren zu ihrem Lebenspartner zog, war das auch die Gelegenheit, mit seiner Unterstützung ihre Vision eines naturnahen Gartens zu verwirklichen. Als Inhaberin der Firma Garteliebi berät sie Kundinnen und Kunden, die auf ihren artenreichen Stil aufmerksam geworden sind: «Biodiversität war für mich schon immer eine Selbstverständlichkeit.» Wildi gestaltet natürliche Gärten, die sich über das ganze Jahr in ihrer Schönheit zeigen. Dabei berücksichtigt sie nicht nur, dass vom Frühling bis in den Herbst immer Pflanzen blühen, sondern sie fragt ihre Auftraggeberinnen und Auftraggeber auch, wie viel Zeit sie denn mit der Pflege zubringen wollen.

 

Geeignete Standorte für Pflanzen

Während ihrer Berufszeit bildete Wildi sich weiter: Vor sechs Jahren schloss sie an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften die Ausbildung zur Fachfrau für Gartengestaltung ab. Seither hat die 51-Jährige mit Weiterbildungen sowohl ihre zeichnerischen Fähigkeiten verfeinert als auch im Rahmen eines Fernkurses bei der Landschaftsarchitektin Petra Pelz ihre Kenntnisse zu klima-bedingter Bepflanzung vertieft.

Wildi sucht für jede Pflanzenart den geeigneten Standort. So beachtet sie etwa den jährlichen Sonnenverlauf, die Bodenbeschaffenheit, die Trockenheit, die Luftzirkulation, die Schattenzeit im Tagesverlauf und die Hitze, die eine Mauer oder der Strassenasphalt abstrahlt. Für bestimmte Pflanzen ist der Boden gelegentlich zu fett. Dann gräbt sie um und mengt mineralisches Material dazu. «Als ich bemerkte, dass der Phlox von Mehltau befallen war, wog ich ab, ob ich seinen Standort wechsle.» Schliesslich stach sie die weissblühende Pflanze sorgfältig aus, pinzierte die Wurzeln, damit sie sich am neuen Ort gut eingewöhnen, und gab dem Phlox einen Platz an einem luftigen Ort. Hier trocknet die Feuchtigkeit ab und der Mehltau hat keine Chance mehr.

Immer eine Nasenlänge voraus

Die Färberkamille (Anthemis tinctoria) und das Patagonische Eisenkraut (Verbena bonariensis) hingegen wandern und suchen ihren Wunschstandort selbst: Sie tauchen durch Versamung an einem neuen Ort auf. Als Unkraut bezeichnet Wildi jene Pflanzen, die sich zu stark versamen oder den Boden durchwurzeln. Bei der Akelei (Aquilegia) etwa schneidet sie die verwelkten Blütenstände ab, bevor die Samen reif werden. Die Samenstände am Purpur- und Gelben Sonnenhut (Echinacea und Rudbeckia) hingegen lässt sie den Winter über für Meisen und Finken stehen.

Selbst mit Blattläusen geht Wildi respektvoll um: Anstatt Pflanzen bei einem Befall mit Chemie zu spritzen, streift sie nur mit der Hand über einen Zweig der Skabiose (Scabiosa): «Jetzt ist das Gröbste weg.» Manchmal seien die Läuse vier bis sechs Wochen aktiv und dann verschwänden sie von selbst wieder. Seit mehreren besonders heissen Sommern ist die Gartenexpertin gefordert, mit der Trockenheit umzugehen. Da ist Wildi mit ihrer steten Weiterbildung eine Nasenlänge voraus. «Es gibt viele Pflanzen, die damit hervorragend umgehen können.» Dazu zählten etwa die Zaunrose (Rosa rugibinosa) oder das Bandkraut (Phlomis russeliana).

Für Wildi, deren Lieblingspflanze – nebst Gräsern – der Hirschzungenfarn (Asplenium scolopendrium) ist, sind die Gärten Refugien der Kundinnen und Kunden und nicht Experimentierfelder der Gartengestalter. Deshalb ermutigt sie dazu, einen eigenen Geschmack zu entwickeln: «Seid mutig und probiert aus.» Wenn sie gefragt wird, ob dieses Rot und jenes Lila zusammenpassten, dann fragt sie zurück: «Gefällt dir diese Kombination?» Wenn ja, dann bestätigt sie die Kundin: «Dann ist es schön, denn es ist dein Garten.»

Offen für eine natürliche Ästhetik

Ohnehin würden die Menschen zunehmend offener für eine natürliche Ästhetik. Selbst auf dem Friedhof gebe es neue Tendenzen: Kann jemand nur selten für die Pflege aufs Grab gehen, ist eine Kombination von Gräsern ideal: Dieses wächst den Sommer über bis in den Herbst in verschiedenen Farben und bietet auch im Winter Struktur.

Statt Thuja rät Wildi bei engen Platzverhältnissen als einheimische Alternative zur Hainbuche (Carpinus betulus). Diese ist robust und treibt nach dem Schnitt zuverlässig wieder aus. Entwirft Wildi Gärten neu oder gestaltet sie um, dann skizziert sie nach einem ersten Gespräch auf Wunsch des Kunden oder der Kundin bis zu drei Gestaltungsvorschläge. Skizzen eins und zwei sind Vorschläge, wie sie sich aus den Informationen und Vorlieben der Kundschaft und Wildis Ideen ergeben. Von der Zeichnung drei lässt sie sich selbst überraschen, um ihren eigenen Horizont zu erweitern. Sie möchte immer wieder ihren gewohnten Standpunkt verlassen, um neue Muster und Strukturen zu entwickeln. «Mein Traum ist, dass mir jemand einen Blätz Land zur freien Gestaltung anbieten würde.»

Der Artikel ist erstmals in der «Tierwelt»-Ausgabe 14/2021 erschienen.