Nur wenige Vogelliebhaber haben je Kontingas in ihren Volieren gepflegt. Heute ist es kaum noch möglich, diese Vögel zu erwerben, da Nachzuchten fast nur spezialisierten Zoos oder Vogelparks gelingen. Und wer versucht, diese Schönheiten in ihren Verbreitungsgebieten zu beobachten, wird sich schwertun, denn es ist nicht leicht, sie im dichten Tropenwald Lateinamerikas in den Baumkronen oder tosenden Schluchten zu sehen. 

Zu den Kotingas gezählt werden ungefähr 90 Arten aus 30 Gattungen, wobei diese in Grösse und Form enorm variieren. Schwer zu glauben, dass alle zu den Kotingas oder Schmuckvögeln, wie sie treffenderweise in deutscher Sprache auch genannt werden, gerechnet werden. Meist zeichnen sich Männchen aus durch prächtiges Gefieder und eine aufwendige Balz, da sie immer wieder neue Weibchen zur Paarung gewinnen. 

 

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Wie ein lebendiger Feuerball
Bereits 1941 geriet der Schweizer Vogelfänger Charles Cordier in den Bann des wohl spektakulärsten Vertreters der Kontingas. Der damals 44-Jährige überquerte die Anden Ecuadors und reiste ins Grenzgebiet zu Kolumbien. In bergigem Gebiet, dort wo die Bäume in gedrungener Form wuchsen und Flechten und Bromelien die Äste überwucherten, kämpfte er sich einen Abhang hinunter. Tief in der Schlucht rauschte und toste Wasser, Nebel schlichen durch das schroffe Tal. 

Hier hatte der Abenteurer einen besonderen Platz ausgemacht. Frühmorgens, in diesigem Licht, erschienen lebendige Feuerbälle aus dem tiefen Grün. Es waren Felsenhähne. Sie versammelten sich auf ihrem Balzplatz, plusterten ihr orange-rotes Gefieder auf. Die zwerghuhngrossen Vögel balzten auf äussersten Ästen in drei bis sechs Metern Höhe. Die liebestollen Vögel waren so sehr mit sich selbst beschäftigt, dass sie den staunenden Zürcher nicht wahrnahmen. Immer wieder verjagte das Hauptmännchen seine Konkurrenten, ununterbrochen flatterte es hin und her. 

Vögel für den Bronx Zoo
Die exquisiten Schönheiten stiessen nasale Rufe aus, bis sich ein Weibchen mit bräunlichem Gefieder am Rand des Dickichts zeigte. Jetzt gerieten die Männer in Ekstase, bogen ihre Körper, schlugen im Sitzen mit den Flügeln, katapultierten sich in die Luft und schnippten mit den Schnäbeln. Doch nur der Dominanteste paarte sich schliesslich mit dem Weibchen, die anderen blieben Statisten. 

Cordier prägte sich das Verhalten der Felsenhähne ein und stellte Netze. Der Fang gelang! Der Schweizer wurde gefeiert, als er am 7. Dezember 1941 per Schiff in New York mit seiner kostbaren Fracht ankam. Er und seine tropischen Exklusivitäten wurden zur Sensation, was sich auch in amerikanischen Zeitungsberichten niederschlug. Der Fänger lieferte die Vögel dem Bronx Zoo, der ihn später als «Zoological Collector» anstellte.

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Auch mit dem Zapfentragenden Schirmvogel, einem schwarzen Vogel mit baldachinartigem Federschopf auf dem Kopf und schürzenartigem Hautgebilde, das von der Brust etwa 40 Zentimeter herabhängt, ist Cordiers Name eng verbunden. 1942 gelang es ihm in Guatemala, solche Vögel mit Netzen zu fangen, die er in Baumkronen montierte. Den Hautlappen oder Kehlsack kann der Vogel aufblasen, sodass die Federn abstehen, was wie ein Tannenzapfen wirkt. Jetzt wird der Hautlappen hin und her bewegt wie ein Pendel, dabei stösst der Vogel dumpfe Töne aus. Der tiefe, brummende Balzruf ist einen Kilometer weit zu hören. Die stark erweiterte Luftröhre ermöglicht es dem Schirmvogel, schaurig brüllende Töne hervorzubringen. Nur der Weltvogelpark Walsrode in Norddeutschland hält ein Exemplar dieser Sonderlinge. 

Andere Vertreter der Kotingas sind in dieser reichen Vogelsammlung ebenfalls vertreten, so die Halsband- oder Türkiskehlkotinga. Jedes Jahr gelingt die Aufzucht dieser schillernd aquamarinfarbenen Vögel mit türkisfarbener Kehle. Weibchen tragen nur ein bräunliches Gefieder. Der verstorbene Vogelliebhaber Raymond Sawyer in Cobham westlich von London hielt ein Paar dieser Bewohner der Regenwälder des nördlichen Südamerikas in einem seiner Tropenhäuser in Gemeinschaft anderer Arten. 

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Glockenklang im Regenwald
Sawyer unterhielt eine äusserst auserlesene Sammlung tropischer Vögel in harmonisch mit Pflanzen gestalteten Volieren. Dort flog auch eine Purpurkehlkotinga, die zur Gattung der Schildvögel innerhalb der Kotingas gehört, in einer mit Baumfarnen bewachsenen Aussenvoliere. Die Heimat dieser schwärzlichen Art mit purpurroter Kehle sind beispielsweise üppig bewachsene Bergtäler Venezuelas. Im Englischen wird sie Fruit Crow, also Frucht-Krähe, genannt. Dies weist auf die Hauptnahrung der meisten Kotingaarten hin, nämlich auf Früchte. Wenn sie aber Junge aufziehen, ist Lebendfutter wie Mehlwürmer und Käferlarven unerlässlich. 

In wenigen europäischen Zoos ist die Bekanntschaft mit einem weiteren eigentümlichen Vertreter der Kontingas möglich, dem Kapuzinervogel. Nicht nur sein Aussehen ist eigentümlich, sondern auch seine Lautäusserungen. Eine Gruppe rufender Kapuzinerkotingas im südamerikanischen Regenwald Venezuelas kann leicht mit einem Trupp Holzfäller verwechselt werden, deren Motorsägen lärmen. Viel lieblicher ist da der weit herum zu hörende Ruf des Nacktkehl-Glockenvogels in den Gebirgsregenwäldern Ostbrasiliens, Paraguays und Nordargentiniens. Wie eine helle Glocke schallt der Schrei durch die Kronenschicht des Regenwaldes. 

So unterschiedlich wie das Aussehen sind auch die Nester. Während die Halsbandkotinga ein napfartiges Nest baut, stellen Schirmvögel nach Krähenart lose Nester aus Reisig zusammen. Die Felsenhähne wiederum kleben ihre Nester mit Lehm wie Schwalben an Felsen in Schluchten. 

Seit ihrer Entdeckung sind Kotingas spektakuläre, märchenhafte Tropenvögel. Werden sie in einem Vogelpark oder Zoo gezeigt, sind es Magnete, sie sind weltweit nur bei wenigen wohlhabenden, privaten Liebhabern zu finden, und wer sie in ihren Biotopen sucht, schwitzt in feucht-heissem Klima, wehrt Mücken ab, um vielleicht nur einen unheimlichen Ruf aus dem Kronendach zu hören. Doch wer Glück hat, wird in der Ferne einer Schlucht eines Feuerballs gewahr, der sich für Sekunden auf die Spitze einer Palme setzt.