Der Grund liegt darin, dass diese Tiere sogenannte «Superkolonien» bilden. Forscher gehen dieser Fähigkeit am Beispiel der Alpen-Ameise auf den Grund.

 

Ameisen ziehen nicht selten gegen den unmittelbaren Nachbarstaat ins Feld. Im Fall von Superkolonie-bildenden Arten, wie der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Europa eingeschleppten Argentinischen Ameise, ist das aber anders: Sie können über weite Distanzen hinweg Staaten mit vielen Königinnen bilden, deren Untertanen miteinander bestens auskommen und kooperieren.

Die grösste derartige Superkolonie der in Europa seit ihrer Ankunft sehr erfolgreichen Art erstreckt sich über mehr als 5000 Kilometer von italienischen Küstenregionen bis zum Norden der Iberischen Halbinsel, heisst es in einem Communiqué des Wissenschaftsfonds FWF, der die Arbeit der österreichischen Forscher unterstützt.

Toleranz statt Kampfeslust
Wissenschaftler stellt das bisher nur bei Ameisen beobachtete Phänomen vor ein Rätsel, denn evolutionstheoretisch begründete Ansätze greifen hier nicht. So gibt es keinen Hinweis darauf, dass genau jene genetischen Eigenschaften, welche die Tiere kooperativ machen, gegenüber anderen Erbgutteilen vorrangig weitergegeben werden.

Als möglich Erklärung kursiert etwa, dass den Tieren aufgrund von Verlust von genetischer Vielfalt auch ihre Fähigkeit abhandenkommt, zwischen fremden Kolonien und der eigenen Gruppe zu unterscheiden.

Darüber hinaus könnte es sein, dass in Ameisenstaaten mit mehreren Königinnen die Verwandtschaftsverhältnisse nicht mehr so eng sind und dadurch auch die Toleranz gegenüber nicht verwandten Tieren steigt. Nicht zuletzt könnte sich Aggression untereinander unter bestimmten Umständen für die komplex organisierten Tiere auch einfach nicht auszahlen, was einstige Koloniegrenzen verschwinden lässt, erklärte das Ökologen-Ehepaar Florian Steiner und Birgit Schlick-Steiner von der Universität Innsbruck der Nachrichtenagentur APA.

Angeboren oder erworben?
Wirklich abgesichert ist aber keiner der Erklärungsansätze. Um wissenschaftlich saubere Antworten auf diese Fragen zu geben, bräuchte es eine Ameisenart als Untersuchungsobjekt, in der es sowohl Superkolonien als auch Konkurrenz gibt. Eine solche haben die beiden Wissenschaftler in den österreichischen Alpen entdeckt. Bei der von ihnen erstmals als eigene Art identifizierten Ameise «Tetramorium alpestre» gibt es sowohl sehr wehrhafte kleine Gruppen mit einer Königin als auch mit Superkolonien vergleichbare grössere Gruppen mit mehreren Oberhäuptern.

Nachdem Projektmitarbeiter Patrick Krapf über ein Jahr hinweg im gesamten Alpenraum Exemplare gesammelt und Verhaltensdaten der verschiedenen Gruppen dokumentiert hat, macht sich das Team jetzt an die Analyse des Erbguts. Es scheint nämlich als ob weder die Verwandtschaft, noch die regionalen Bedingungen hier eine entscheidende Rolle spielen.

Aufgrund ihres Verhaltens wählten die Wissenschaftler 72 möglichst repräsentative Tiere aus, deren DNA und RNA nun ausgewertet wird. Während die DNA Informationen über vererbte Verhaltensweisen bereit hält, lasse sich anhand der RNA ablesen, welche Erbgutteile tatsächlich aktiv sind. Damit kann auf den Einfluss der bisherigen Erfahrungen der Tiere rückgeschlossen werden. Überdies existieren umfassende Videoaufnahmen aller Tiere, «ausserdem wurden in dem betreffenden Nest chemische Analysen durchgeführt», so Steiner.

Potenziell gefährliche Invasoren
Gemäss ersten Ergebnissen finden sich aber auch in den DNA-Daten zumindest keine auffälligen Überschneidungen bei jenen Tieren, die sich ähnlich verhalten. Mit weiteren Auswertung, etwa der RNA-Daten, rechnen die Wissenschaftler im Laufe des Jahres. Aus wissenschaftlicher Sicht wäre es «grossartig, wenn zum Beispiel die Expression von einem oder weniger Gene darüber entscheidet, ob sich ein Individuum aggressiv oder friedlich zu Individuen einer anderen Kolonie verhält», so Steiner.

Ein besseres Verständnis für das Phänomen brauche es vor allem, weil solche Arten sehr erfolgreich sind, wenn sie wo neu eingeschleppt werden «und auch tatsächlich als biologische Invasoren die heimische Fauna verdrängen können».