Bei dem Begriff «Kreaturen der Nacht», denken wir zuallererst an Werwölfe, Vampire, und Dämonen – oder vielleicht auch an den berühmt-berüchtigten Massenmörder «Jack The Ripper». Es sind nachtaktive Geschöpfe, die in der Dunkelheit lauern und ihre Opfer auf grausige Weise töten. In der Tierwelt ist es nur natürlich, dass einige Arten am Tag und andere wiederum in der Nacht aktiv sind. Katzen zum Beispiel oder Eulen, Fledermäuse und Füchse, suchen den Schutz der Nacht und machen sich zu einer Zeit auf Futtersuche, zu der die bevorzugte Beute wach ist. Andere Tiere wie Frösche und Schlangen verstecken sich am Tag – gut getarnt – vor ihren Fressfeinden und gehen nachts auf die Suche nach ihrer Nahrung.

Auch auf dem Meeresgrund gibt es nachtaktive Tiere. Ein skurriles Exemplar davon ist der «Bobbit Worm», mit deutschem Namen Riesenborstenwurm. Skurril, nun ja, ist vielleicht etwas nett ausgedrückt. Sein Aussehen erinnert eher an ein Alien oder einen riesigen, glänzenden Staubsauger. Unheimlich ist sein Verhalten auf jeden Fall.    

Der Meereswurm, mit lateinischem Namen Eunice aphroditois, gehört zur der Familie der Ringelwürmer. Er lebt in tropischen Gewässern in einer Tiefe von 10 bis 40 Metern. Normalerweise wird er bis zu einem Meter lang, kann aber auch schon mal eine Länge von drei Metern erreichen. Er vergräbt sich im Meeresboden, wobei höchstens einige Zentimeter aus dem Boden ragen. Mit seinen Fühlern sieht er dabei wie eine unschuldige Anemone aus. Seine beste Taktik aber ist es, sich ganz im Boden zu vergraben und so zu einer unsichtbaren «Kreatur der Nacht» zu werden.  

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 Bild: Rickard Zerpe/Flickr, cc-by-sa 

Unbemerkt im Aquarium
Als ungebetener Gast kann er zudem in Aquarien grossen Schaden anrichten. Laut einem Bericht im Magazin «Scientific American» von 2012 erzählt Marc Slater, Leiter vom Blue Reef Aquarium in Newquay (GB)  von seinen unschönen Erfahrungen mit einem ein Meter langen Riesenborstenwurm. «Etwas frass sich durch unser Riff, aber wir hatten keine Ahnung, was es war. Wir fanden einen verletzten Doktorfisch, darauf legten wir Fallen, doch sie wurden in der Nacht weggerissen. Der Wurm musste die Fallen getilgt haben. Der Köder war voller Haken, welche er einfach verdaut haben muss.» Doch wie gelang der Meereswurm ins Aquarium? Slater nahm an, dass das Tier mit einer Ladung Korallen hineingekommen sein musste, als es jung und noch sehr klein war. Über mehrere Jahre hinweg muss der Wurm insgeheim im Korallenriff gehaust haben und unbemerkt gross geworden sein, bis er dann anfing, in der Nacht die Fische und anderen Riffbewohner anzugreifen. 

Wie «Jack the Ripper» einst in den Strassen Londons seine Opfer hinterrücks überfiel und zerstückelte, so tut es der «Bobbit Worm» auf dem Meeresgrund. Mit seinem komplex gebauten Kieferapparat, der am Rand aus einer scharfen Schneidekante besteht und seinem Rachen, den er vorstülpen kann, erbeutet er kleine und grosse Tiere, die sich auf dem Meeresboden tummeln. Der räuberische Meereswurm schiesst aus der Tiefe hervor, packt die Beute und zieht sie mit sich unter die Sandoberfläche, wo er sie auffrisst. Grössere Tiere, die nicht in seinen Schlund passen, betäubt er mit einen lähmenden Gift und saugt sie danach aus. 

Zu seinen nichts ahnenden Opfern gehören kleine Fische, Krebse und Muscheln. Nah am Meeresboden kriechend oder schwimmend, sind sie auf Futtersuche und zack – schon werden sie selber zur bekömmlichen Mahlzeit.