Mit geübtem Blick begutachtet Lea Morf die kleinen dunklen Möckli auf der Steinmauer. Es ist Fledermauskot. «Von der Zwergfledermaus», sagt Morf, «das ist die häufigste Fledermausart der Schweiz.» Sie schaut sich auch den kleinen Schlitz im Dachkasten an, aus dem die Tiere abends jeweils herausfliegen und macht sich Notizen. Morf ist eine der beiden Fledermausschutz-Beauftragten des Kantons Zürich. Wird ein Unterschlupf gemeldet, rückt sie aus, um sich vor Ort ein Bild zu machen. Da sie heute bei der «Tierwelt»-Online-Redaktorin gelandet ist, beantwortet sie auch gleich unsere Fragen.

Frau Morf, warum ist es wichtig, Fledermaus-Unterschlüpfe zu melden?
Fledermäuse sind bedroht und alle einheimischen Arten sind geschützt. Mit Gebäudesanierungen gehen immer mehr Unterschlüpfe verloren. Wir müssen wissen, wo sich die Unterschlüpfe befinden, damit wir den Hauseigentümerinnen und Eigentümern beratend zur Seite stehen können.

Naturnahe Gärten sind das beste für Fledermäuse.

Lea Morf
Fledermausschutz-Beauftragte

Und wenn man einen Unterschlupf meldet, bekommt man Besuch vom Fledermausschutz.
Genau, es kommt in jedem Fall jemand vorbei. Wir schauen, um welche Art es sich handelt und nehmen das Quartier in unsere Datenbank auf. Wenn die Bewohnerinnen das wünschen, können sie jeweils im Frühling beobachten, wie viele Tiere in den Unterschlupf zurückkehren, ein Erhebungsblatt ausfüllen und uns die Daten zurückschicken. Zurzeit gibt es im Kanton Zürich etwa 60 ehrenamtliche Fledermausschützende und 230 Haushalte machen bei der Erhebung mit. Die Daten sind nicht öffentlich einsehbar und bleiben anonym. Man muss also keine Angst haben, dass man die Tiere in Gefahr bringt, wenn man sie meldet.

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Wie können Sie die Quartiere mit diesen Daten schützen?
Jede Woche überprüfen wir die Baugesuche im Kanton Zürich und gleichen sie mit der Datenbank ab. Befindet sich an einem der Gebäude ein Unterschlupf, nehmen wir Kontakt mit den Eigentümern auf und schauen, dass das Quartier auch nach der Sanierung erhalten bleibt, indem zum Beispiel Ersatzkästen aufgehängt werden.

Ist es auch möglich, neue Fledermauskästen aufhängen, um den Tieren zu helfen?
Den Fledermäusen neue Quartiere anzubieten, ist eine tolle Möglichkeit, die Nachtflatterer zu fördern. Es braucht aber in den meisten Fällen viel Geduld, bis die Fledermäuse einziehen, und in vielen Fällen bleibt der Erfolg leider ganz aus. Fledermäuse sind sehr anspruchsvoll. An einen neuen Ort locken lassen sie sich nur selten. Deshalb ist es auch so wichtig, die bestehenden Standorte zu erhalten, da diese sonst für immer verschwinden.

Was kann man «seinen» Fledermäusen sonst noch Gutes tun, wenn man einen Unterschlupf hat?
Naturnahe Gärten sind das Beste für Fledermäuse, denn sie beherbergen eine grosse Insektenvielfalt. Um ihnen zu zusätzlichen Leckerbissen zu verhelfen, kann man zum Beispiel Nachtkerzen anpflanzen. Diese blühen in der Nacht und locken so viele nachtaktive Insekten an, die von den Fledermäusen gerne gefressen werden. Wer möchte, kann zusätzliche Kästen am Haus anbringen, in welche die Tiere zügeln können, sollte es ihnen in ihrem angestammten Quartier mal zu heiss werden.

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Was treiben die Fledermäuse überhaupt in ihren Unterschlüpfen?
Es handelt sich bei den Unterschlüpfen um sogenannte Wochenstuben. Hier kommen die Weibchen zusammen und bringen ihre Jungen zur Welt. Am Abend fliegen die Mütter jeweils aus, um auf Insektenjagd zu gehen, während die Kleinen zurückbleiben, um sich gegenseitig zu wärmen. Während der Nacht kommen die Fledermaus-Mamas aber auch immer wieder zurück, um die Jungen zu säugen. Nach sechs bis acht Wochen sind die Jungtiere flügge.

Was passiert dann?
Die Kolonie löst sich auf. Wo die Schweizer Fledermäuse den Winter verbringen, weiss tatsächlich niemand so genau. Spannend aber ist, dass die Tiere sich jeweils im Herbst paaren. Der Eisprung erfolgt allerdings erst, wenn die Weibchen im Frühling aus dem Winterschlaf aufwachen. Sie kommen trächtig in der Wochenstube an und sind nur schon allein deshalb darauf angewiesen, diese intakt vorzufinden.

An unsern einheimischen Fledermäusen kann man sich nicht mit Covid-19 anstecken.

Lea Morf
Fledermausschutz-Beauftragte

Das Coronavirus Sars-CoV-2 stammt möglicherweise aus Fledermäusen. Haben Sie seit dem Ausbruch der Pandemie viele negative Reaktionen erhalten?
Wir hatten tatsächlich einige Anfragen von besorgten Bewohnern, die zurecht wissen wollten, ob es für sie gefährlich sei, wenn tagsüber Fledermäuse am Haus Unterschlupf gesucht haben. Diese Besorgnis konnten wir entkräften. Andererseits haben uns auch spontan Personen angerufen, die mitteilten, wie wichtig der Fledermausschutz gerade jetzt sei und dass man auf keinen Fall die unschuldigen Tiere töten oder vertreiben dürfe.

Man muss vor Fledermäusen also keine Angst haben.
An unseren einheimischen Fledermäusen kann man sich nicht mit Covid-19 anstecken. Bei einer Untersuchung der Universität Zürich an mehreren Tausend Fledermäusen wurde SARS-CoV-2 nämlich bei keiner einzigen Fledermaus gefunden.

Fledermausquartier meldenWer an seinem Haus einen Fledermaus-Unterschlupf entdeckt hat, kann ihn entweder hier bei «StadtWildTiere» melden (mit Login), bei der Stiftung Fledermausschutz oder bei den Fledermausschutz-Beauftragten des jeweiligen Kantons. Bei einer gefundenen Fledermaus, die Hilfe benötigt, kann man sich ebenfalls an die Stiftung Fledermausschutz wenden und das Nottelefon unter 079 330 60 60 anrufen. Achtung: Bei Fledermäusen handelt es sich um Wildtiere. Sie sollten immer mit Handschuhen angefasst werden.