Es war kein schöner Anblick, der sich dem Spaziergänger im Zürcher Hardwald bot: Auf seiner täglichen Runde entdeckte er ein totes Reh, dessen Innereien herausgerissen waren. Pflichtbewusst erstattete er Meldung bei Peter Grieder, einem der Jagdaufseher. «Es ist bereits die dritte dieser Art in kurzer Zeit», sagt Grieder, hörbar bestürzt. Wütend macht ihn, dass das Reh von einem freilaufenden Hund gerissen wurde. «Es war trächtig. Die Geburt stand kurz bevor». Aus diesem Grunde habe das Tier nicht schnell genug fliehen können. 

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Der Tod muss grausam gewesen sein: «Wildernde Hunde packen ihre Beute am Hals und ringen sie zu Boden, bis sie jämmerlich erstickt», erklärt Rieder. Die schweren Wunden des Rehs indes würden aber wohl von anderen Tieren stammen, die sich am Kadaver gütlich taten: Luchse etwa, für welche die Innereien zur Nahrung gehören. «Hunde hingegen töten vor allem aus dem Jagdtrieb heraus und nicht, weil sie das Reh verspeisen wollen». 

Schmerzhafte Folgen für den Hundehalter 
Für den Hundehalter kann das teuer werden. Vor allem, wenn nachgewiesen wird, dass das Reh leiden musste – etwa, weil der Hund es nur verletzt, aber nicht getötet hat. In diesem Fall handelt es sich laut der Zürcher Polizei um ein Vergehen gegen das Schweizer Tierschutzgesetz. Der Strafbestand der Tierquälerei zieht unweigerlich eine Anzeige beim Staatsanwalt nach sich und kann mit bis zu 20'000 Franken geahndet werden. Ein Eintrag im Strafregister ist dem Hundehalter in diesem Fall gewiss. 

In jedem Fall aber wird das Wildern als Übertretung geahndet. Es ist ein Verstoss gegen das Hundegesetz des Kantons Zürich. In diesem steht dazu unter Paragraf 9: 
«Hunde sind so zu halten, zu führen und zu beaufsichtigen, dass sie   
1. weder Mensch noch Tier gefährden, belästigen oder in der bestimmungsgemässen und sicheren Nutzung des frei zugänglichen Rau- mes beeinträchtigen,  
2. die Umwelt nicht gefährden. In Wäldern und an Waldrändern sowie bei Dunkelheit im Freien sind Hunde in Sichtweite auf kurzer Distanz zu halten. 
Es ist verboten, Hunde  
1. auf Menschen und Tiere zu hetzen,  
2. absichtlich zu reizen,  
3. im frei zugänglichen Raum unbeaufsichtigt laufen zu lassen.   
Von den Verboten gemäss Abs. 3 ausgenommen sind die rechtmässige Verteidigung, der pflichtgemässe Einsatz von Hunden im öffentlichen Dienst und die in anderen Erlassen vorgesehenen Fälle.  Wer mit der Aufsicht über einen Hund betraut ist, greift mit allen zu Gebote stehenden Mitteln ein, wenn der Hund einen Menschen oder ein Tier angreift oder hetzt.  a) weder Mensch noch Tier gefährden.»

Zusätzliche Schadenersatzforderungen
Für den Hundehalter kann es somit teuer werden. Auch, weil je nachdem zusätzliche Schadenersatzforderungen auf ihn zukommen: von der Jagdgesellschaft, welche für das Gebiet zuständig ist. Sie hat die Befugnis, das Fleisch legal erlegter Tiere zu verkaufen. Wird Wild allerdings von Hunden gerissen, muss es entsorgt werden. Der Kilopreis kann dem Hundehalter in Rechnung gestellt werden.  

Dass das Wildern durch Hunde schweizweit ein Problem ist, zeigt der Blick in die Eidgenössische Jagdstatistik. Danach wurden in den letzten Jahren jeweils mehr als 400 Rehe von Hunden gerissen. Das Bundesamt für Umwelt (Bafu) schreibt dazu auf Anfrage: «Die Daten zu von Hunden gerissenen Wildtiere werden durch die Kantone erhoben. Nur ausgewählte Arten werden auch in der eidgenössischen Jagdstatistik erfasst. Die Dunkelziffer, das heisst die Anzahl gerissener oder verletzter Tiere, die nicht aufgefunden und daher nicht erfasst werden, ist allerdings unbekannt.» 

Noch lieber als Strafuntersuchungen einzuleiten, wäre es Jagdgaufseher Peter Grieder allerdings, wenn das gar nicht erst notwendig wäre und Hunde im Wald an die Leine genommen würden: «Leider haben wir im Kanton Zürich keinen Leinenzwang – nicht einmal in der Zeit, wenn das Wild trächtig ist», beklagt er. Eine solche Vorschrift würde viel Tierleid mindern. Immer wieder spricht er Hundebesitzer an, die ihre Vierbeiner im Hardwald frei laufen lassen, um an ihre Vernunft zu appellieren. Viele würden das aber nicht verstehen und erbost reagieren, sagt er. Ausreden wie «Ich habe meinen Hund unter Kontrolle» oder «mein Hund folgt sofort», höre er regelmässig. Doch der Jagdtrieb lässt sich oft nicht unterdrücken. 

Grieder wünscht sich nun, dass der fehlbare Hundehalter gefunden und zur Rechenschaft gezogen wird.