Wer im Winter Bio-Eier mit fast orangener Dotterfarbe kauft, müsste misstrauisch werden. Denn die Farbe des Dotters wird durch Carotinoide bestimmt, also Farbpigmente, die vor allem im Grünfutter wie Gras aber auch im Mais, in Tomaten, Randen und Karotten vorkommen. Wenn die Bio-Hennen also im verschneien Winter draussen sind, finden sie kaum Grünes. Das beeinflusst die Farbe des Dotters: Er wird nicht mehr dunkelgelb. Ob der Biobauer beim Ei mit der fast orangenen Dotterfarbe unerlaubte Zusätze ins Futter gemischt hat oder die Eier aus Bodenhaltung – also von Hühnern ohne Auslauf – stammen?

Züchter von Geflügelrassen, die gelbe Beine haben sollten, geben ihren Tieren oft geraffelte Karotten oder Randen mit etwas Öl versetzt. Ohne den Zusatz von Öl können weder die Tiere noch die Menschen das Carotin aufschlüsseln. Dies ist recht arbeitsintensiv und kann von Eierproduzenten, die meistens mehrere Tausend Legehennen halten, unmöglich praktiziert werden. Deshalb kaufen sie Futter, dem schon natürliche «Gelbverstärker» wie Paprikaextrakte beigemischt wurden. 

Schon Mitte der 1960er-Jahre hat Roche einen Dotterfarbfächer vertrieben, mit dem man die Farbe des Eidotters bestimmen konnte. In der Anleitung schreibt das Unternehmen, dass in den meisten Verbraucherländern Eidotterfarben der Farbstufen acht bis zwölf bevorzugt würden. Und weiter: «Carotinoide kann man heute in stabiler Form dem Futter zusetzen; das heisst, zu jeder Jahreszeit stehen dem Futtermittelfabrikanten ebenso wie Vitamine auch Carotinoidpräparate mit garantiertem Gehalt zur Verfügung. Sie sind hochkonzentriert, sodass mit einem Zusatz von 20 Gramm per Tonne Futter die gewünschte Dotterfarbe erzielt werden kann.» Die Anwendung, so wird weiter empfohlen, richte sich nach dem Gehalt des Futters. Wesentlich sei, wie viel Mais und Grünmehle dieses enthalte. Denn durch die Zugabe von roten und gelben Carotinoiden lasse sich jeder gewünschte Dotterfarbton erzielen. So erreiche man eine Dotterfarbe, die mit derjenigen aus der Freilandhaltung identisch sei. 

Gesunde Eier von Freilandhühnern
Eine «appetitliche» Dotterfarbe sei für die Verbraucher schliesslich das augenfälligste Qualitätsmerkmal. Auch die Eier verarbeitende Industrie wie Eipulver-Fabrikanten, Bäckereien und Teigwarenhersteller hätten ein grosses Interesse an dunklen Dottern. Der Dotterfarbfächer wird immer noch verwendet, obwohl es nun elektronische Messgeräte gibt, die allerdings viel teurer sind. Ausserdem könnten jetzt auch synthetisch hergestellte Farbverstärker ins Futter gemischt werden.

Erstaunlich ist auch, dass die Konsumenten je nach Land oder Region eher hellere oder dunklere Dotter bevorzugen. Umfragen haben ergeben, dass in Norddeutschland eher hellere und im Süden des Landes eher dunklere Eidotter gewünscht werden. Die Ergebnisse solcher Befragungen können sich die Eier-Produzenten dann zunutze machen und das Futter entsprechend abstimmen lassen. Gesund fürs Auge bedeutet also noch nicht, dass es auch gesund für den Körper ist.

Die beste Qualität erzielt man zweifelsohne, wenn die Hühner einen Grossteil des Futters selber suchen können. Hühner fressen viel Grünzeug. Dies und die frische Luft wirken sich nicht nur positiv auf die Farbe des Eidotters aus. Eier von Freilandhühnern sind auch nachweislich gesünder als solche aus Bodenhaltung. Sie enthalten mehr Vitamin A, D und E und auch Beta-Carotin und Omega-3-Fettsäuren. Und da der jährliche Pro-Kopf-Konsum in der Schweiz 2019 gemäss der neusten Statistik des Bundesamtes für Landwirtschaft (BLW) bei 184,4 Eiern lag, lohnt es sich schon, beim Eierkauf auf Herkunft und Qualität zu achten. 

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Das Märchen von der Schalenfarbe
Nicht erfasst wurden in der Statistik die «versteckten» Importe von Eiprodukten für die Lebensmittelzubereitung, wovon nur die wenigsten aus Freilandhaltung stammen dürften. «Die Entwicklung der ‹versteckten› Eier­importe zeigt einen deutlich steigenden Trend», schreibt das BLW. Zwar wurde der Höchstwert von umgerechnet 134 Millionen importierten Eiern in Lebensmittelzubereitungen von 2016 im Jahr 2018 unterschritten. Seit 2005 haben sich die Importe  von 44 auf 127 Millionen Eier fast verdreifacht.

Noch heute herrscht die Meinung vor, ein dunkler Dotter sei gesünder als ein heller, obwohl das gar nicht stimmt. Hartnäckig hält sich auch die Ansicht, braune Eier seien
gesünder als weisse. Die Fütterung kann die Schalenfarbe der Eier nicht beeinflussen. Ob die Eier nun weiss, braun cremefarbig oder gar grünlich sind, hat mit der Qualität des Inhalts nichts zu tun, sondern mit der Genetik der Hühner. Hennen mit weissen Ohrscheiben legen weisse Eier, solche mit roten Ohrscheiben braune.

Auch die immer wieder auftauchende Behauptung, die grünlichen Eier der Araucana-Hühner hätten weniger Cholesterin, ist ein Märchen, das wissenschaftlich schon längst widerlegt wurde. Oft hört man auch, dass man wöchentlich nicht mehr als zwei bis drei Eier essen sollte, weil diese viel Cholesterin enthielten und ein zu hoher Cholesteringehalt im Blut das Herzinfarktrisiko erhöhe. In den neuesten amerikanischen Ernährungsrichtlinien steht jedoch, dass das Nahrungscholesterin kaum Einfluss auf das Blutcholesterin habe. 

Eier sind hervorragende Nahrungsmittel, die viele Proteine und ausser Vitamin C fast alle Vitamine enthalten. Das wundert wenig, wenn man bedenkt, dass daraus ein vollkommenes Küken entstehen könnte. Ob der Dotter nun hellgelb oder fast orange ist, spielt keine Rolle. Die Dotterfarbe beeinflusst weder den Geschmack noch die Qualität. Auch die Schalenfarbe hat keinerlei Einfluss auf den Inhalt. Die gesündesten Eier – ob weiss, braun oder grünlich, mit hellem oder dunklerem Eidotter – kauft man dort, wo man sehen kann, dass die Hennen im Grünen auf Futtersuche gehen können.