Kaninchen waren in freier Wildbahn seit jeher leichte Beute für Raubtiere und Raubvögel. Die Sinnesorgane sind daher auf eine frühzeitige Wahrnehmung eines Feindes ausgerichtet. So ist es in Feld und Wald überlebenswichtig, rasch zu erkennen, wo sich ein Bodenfeind aufhält, um in entgegengesetzte Richtung zu fliehen. Bei drohender Gefahr verharren die Tiere zunächst reglos und strecken die Ohren in die Höhe. Sobald ein Tier zur Flucht ansetzt oder Deckung sucht, folgen die anderen Gruppenmitglieder. 

Trotz der Zähmung besitzen unsere Zuchtkaninchen immer noch den angeborenen, instinktiven Fluchtreflex ihrer Vorfahren – mit der Folge, dass sie sehr schreckhaft sind, was Tierhalterinnen und -halter stets beachten sollten. Zwar gewöhnen sich die scheuen Tiere mit der Zeit an die Stimme und Bewegungen der Betreuungsperson und bauen dadurch einen Teil ihrer natürlichen Furcht ab. «Ich behaupte sogar, dass sich meine Kaninchen je nach meinem Gemütszustand anhänglicher oder misstrauischer verhalten», sagt ein langjährige Züchter von Silberkaninchen. 

Er füttert seine Kaninchen jeweils am frühen Morgen. Das Quietschen der Stalltüre kennen die Tiere und warten voller Vorfreude ungeduldig auf ihre Verköstigung. «Wenn ich allerdings mal morgens abwesend bin und dadurch erst gegen Mittag zu den Tieren gehen kann, flüchten einige», sagt der Züchter.

Als Rückzug dienen seinen Tieren ein abgedunkeltes Abteil und eine erhöhte Fläche mit Sichtschutz. Aufpassen muss er jedes Mal, wenn Züchterkollegen in den Stall kommen. «Sie sind unglaublich schreckhaft gegenüber schnellen Bewegungen oder neuen Geräuschen.» Bereits ein lautes Lachen veranlasse die Tiere, sich fluchtartig zurückzuziehen. 

Elektrodraht wirkt Wunder
Falls er die Tiere zur Begutachtung herausnimmt, reagieren sie sehr misstrauisch. Er vermutet, dass die Kaninchen an einen Raubvogel gemahnt werden, wenn sich jemand über sie beugt. «Meiner Meinung nach ist es aber dennoch wichtig, dass man die Tiere oft herausnimmt, damit sie sich an das Präsentieren gewöhnen können.» Denn ein schreckhaftes Kaninchen habe auf dem Expertentisch nicht die gleichen Chancen wie eines, das sich zu präsentieren weiss. 

Bei einem Aussengehege für die Haus­kaninchen ist darauf zu achten, dass den Tieren irgendein Rückzug und Unterschlupf zur Verfügung steht. Denn selbst im besiedelten Wohngebiet lauern Gefahren aus der Luft. So kann beobachtet werden, dass bereits das Flügelschwirren von Rabenkrähen die Hoppler zunächst verharren lässt – und sich daraufhin alle wie auf Kommando schnellstens in Sicherheit bringen. Um die Kaninchen vor Bodenfeinden wie Katzen und Hunden zu schützen, wirkt ein Elektrodraht wahre Wunder: Stubentiger und Bellos sind nämlich lernfähig und hüten sich davor, ein zweites Mal einen Stromschlag zu riskieren. 

Punkto Schlupflöcher und Rückzugsmöglichkeiten für die Hoppler sind manche Züchter wahre Meister des Improvisierens. So kann man Ausläufe und Gehege begutachten, die einfallsreicher und zweckmässiger nicht sein könnten; teilweise sind es wahre Kunstwerke, die zum Verweilen animieren. Und Schlupflöcher bieten einen weiteren Vorteil. Sie finden in ihnen Schutz vor Gewitterstürmen, Blitz und Hagel.