Als Kaninchenbesitzer sollte man nicht nur das Wohl des Mümmlers im Auge behalten, sondern auch das Wohl seiner «Mitbewohner». Ein Kaninchen ist – wie alle höheren Lebewesen – ein eigenes kleines Ökosystem mit Milliarden von Mikroorganismen, die Haut und Schleimhäute bevölkern. Sie leben nicht nur dort, sondern beeinflussen den Wirt auf vielfältige und teilweise überraschende Weise. Gerade die auf den Darmschleimhäuten beheimatete Darmflora verdient die Aufmerksamkeit des Halters, hängen doch Futterverwertung und eine gute Verdauung direkt mit ihr zusammen. Berücksichtigt man beim Füttern diese kleine Welt, gehören Probleme beim Absetzen der Jungkaninchen schon bald der Vergangenheit an.

Pflanzenfresser benötigen Hilfe beim Verdauen ihrer Nahrung; nur Mikroorganismen können die schwer verdaulichen Zellwände der Futterpflanzen aufschliessen. Was beim Wiederkäuer die Mikroorganismen im Pansen erledigen, übernehmen beim Kaninchen die kleinen Helfer im Blinddarm. Doch die Darmflora muss sich nach der Geburt erst ansiedeln und entwickeln; Kaninchen kommen mit sterilem Verdauungstrakt zur Welt – und das bleibt noch rund zwei Wochen so. Enzyme aus dem Magen der Kleinen bilden nämlich mit gewissen Substanzen aus der Muttermilch das Milchöl. Dieses wirkt als natürliches Antibiotikum und hält den Verdauungstrakt der Nestlinge in den ersten Tagen bakterienfrei.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst
Die Besiedlung des Darmes geschieht in der zweiten oder dritten Lebenswoche: Das Muttertier deponiert Blinddarmkot im Nest, der dann von den Kleinen gefressen wird. So gibt sie ihre eigene Darmflora an die Nachkommen weiter. In kleinerem Umfang werden auch Umgebungsbakterien beim ersten Knabbern an Heu aufgenommen. In dieser wichtigen Phase werden die Weichen gestellt für Gesundheit und Vitalität der heranwachsenden Kaninchen; neueste Forschungen zeigen nämlich, dass sich die mikrobiellen Pioniere, die sich als Erste im Darm ansiedeln, ins genetische Programm des Wirtes einschalten und die Darmschleimhautzellen dazu veranlassen, eine für sie angenehme Umgebung zu schaffen. Wer den genetischen Schalter betätigt, wird sich im Darm des Jungkaninchens besonders wohlfühlen. «Gute» Umgebungsbakterien und vor allem eine gesunde mütterliche Darmflora sind deshalb die beste Garantie für Jungtiere mit einer robusten Verdauung.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="79ae2ee7-9280-40a1-bcde-498dd08ababf" data-langcode="de"></drupal-entity>
Nelkenwurz hemmt Kokzidien und stärkt den Darm.
Bild: Ursula Glauser

Im gesunden Kaninchendarm dominieren Bazillen der Gattung Bacteroides. In rund tausendfach geringerer Zahl sind Sporenbildner wie Clostridium und Endosporus vorhanden, dazu kommen Archebakterien, Hefen und Protozoen, jedoch keine Lactobazillen. Im Darm von zwei bis drei Wochen alten Nestlingen findet man vorübergehend Streptokokken und Kolibakterien, die aber rasch abnehmen und nach dem Absetzen nicht mehr oder höchstens in Spuren vorhanden sind.

Richtiges Futter fördert gute Darmflora
Nicht nur in der Verdauung spielt die Darmflora eine zentrale Rolle, sie ist auch Teil des wichtigen Abwehrsystems im Darm, wo sich rund 70 Prozent aller Immunzellen befinden. Krankheitserreger haben Mühe sich in einem gesunden Darm anzusiedeln, da «freundliche» Darmbakterien die Schleimhaut bedecken und Wirkstoffe abgeben, um Konkurrenten zu hemmen und das Immunsystem anzuregen. Das Immunsystem geht dann auf diesen Anreiz hin gezielt gegen Krankheitskeime vor.

Eine weitere wichtige Aufgabe der Darmflora ist die Bereitstellung energiereicher Verbindungen für den Wirt. Im Blinddarm zerlegen die Mikroorganismen schwer verdauliche Pflanzenteile und bilden daraus Essigsäure, Propionsäure und Buttersäure. Diese werden aktiv durch die Blinddarmwand aufgenommen und dienen dem Kaninchen als Energiequelle, ganz ähnlich wie das auch bei Wiederkäuern der Fall ist. Daneben produziert die Darmflora wichtige Vitamine, vor allem der B-Gruppe, die der Wirt über den Blinddarmkot aufnimmt.

<drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="46594dbe-a60a-48e7-9c1e-f3675851a5b5" data-langcode="de"></drupal-entity>
Beifuss verhilft zu einer gesunden Darmflora und
heilt Verdauungsbeschwerden.

Bild: Ursula Glauser

Es liegt in der Hand des Kaninchenzüchters, seinen Tieren zu einer gesunden Darmflora zu verhelfen. Eine angepasste faserreiche Ernährung begünstigt die Bacteroides, die ja zahlenmässig in einer gesunden Darmflora überwiegen. Füttert man hingegen leicht verdauliche Kohlehydrate, nehmen die problematischen Clostridien und Kolibakterien überhand. Kraftfutter ist wichtig, soll aber nur einen kleinen Teil des Futters ausmachen. Faserreiche Nahrung wie Heu, Stroh, aber auch frische Zweige, deren Knospen und Rinde abgenagt werden, Gemüse und Kräuter gehören zwingend auf Langohrs Speiseplan. Dieses gehaltarme Futter nährt die wichtigen Darmbakterien und hält eine normale Verdauung in Gang.

Kaninchen produzieren ihr hausgemachtes Kraftfutter in Form von Blinddarmkot. Dieser besteht zu einem grossen Teil aus eiweissreichen Darmbakterien, angereichert mit Vitaminen. Nehmen Kaninchen nicht allen Blinddarmkot auf, ist dies ein Zeichen, dass sie zu eiweissreich gefüttert werden. Eine behutsame Futterumstellung zu faserreichem, weniger gehaltvollem Futter verschiebt langsam, aber sicher die Darmflora in ein besseres Spektrum.

Nur wenig Kraftfutter für Jungtiere
Unterstützen kann man diesen Prozess mit Heilpflanzen: Anis-, Fenchel- und Kümmelsamen in kleinen Mengen dem Futter beigemischt oder regelmässig ein kleines Zweiglein Bohnenkraut wirken vorbeugend gegen Trommelsucht, unterstützen den Darm und hemmen Krankheitserreger. Nelkenwurz (Geum urbanum) und Beifuss (Artemisia vulgaris) hemmen Kokzidien, die für viele Jungtierverluste verantwortlich sind, und helfen, die Darmflora in ein gesundes Gleichgewicht zu bringen. Diese beiden Heilpflanzen sind für Kaninchen besonders wertvoll und werden am besten regelmässig gereicht.

Es ist wichtig, dass die Tiere bei der Umstellung von Milch auf feste Nahrung vor allem faserreiches Futter wie Heu, Kräuter und Zweige fressen. Die Unsitte, Jungtiere mit grossen Mengen Kraftfutter in kurzer Zeit auf ihr Gewicht zu bringen, ist die Hauptursache für Aufzuchtprobleme. Kaninchen sollen sich für ihre Entwicklung Zeit lassen dürfen; darin unterscheidet sich die Rassekaninchenzucht von einer professionellen Kaninchenmast, wo die Tiere mit drei Monaten schlachtreif sein müssen.

Schüssler Salze für den Darm
Diese Schüssler Salze können bei der Darmsanierung unterstützen: Kalium chloratum (Nr. 4) stärkt die Schleimhaut, Natrium phosphoricum (Nr. 9) hilft Säuren im Körper zu binden und Natrium sulfuricum (Nr. 10) scheidet die gebundenen Säuren aus. Es empfiehlt sich, Schüssler Salze in flüssiger (alkoholischer) Lösung zu geben. Milchzuckertabletten sind für Kaninchen weniger geeignet. Als Dosis genügen zwei Tropfen pro Schüssler Salz auf die Menge Trinkwasser, die das Kaninchen täglich aufnimmt. Es empfiehlt sich, die Mittel abwechselnd zu geben, am ersten Tag Nr. 9, am zweiten Tag Nr. 10 und am dritten Tag Nr. 4.