Junge Kaninchen sind herzig, es macht Freude, sie aufwachsen zu sehen. Weniger erfreulich sind Jungtiertodesfälle, die allzu oft als schicksalhaft und unvermeidlich eingestuft werden. Aufmerksamkeit und gutes Beobachten verhindern manche kleine Tragödie. 

Die erste kritische Phase ist die Geburt. Sie findet normalerweise nach 31 Tagen Tragzeit statt. Bei sehr kleinen Würfen kann die Tragzeit länger dauern; das Risiko einer Schwer- oder Totgeburt steigt an. Es ist deshalb sinnvoll, tragenden Zibben ab dem 33. Tag gebärmutteranregende Kräuter wie Beifuss (Artemisia vulgaris) oder Rosmarin zu verfüttern. Ebenfalls geburtserleichternd sind Himbeerblätter, die in kleinen Mengen (1–2 Blatt pro Tag) bereits in der zweiten Hälfte der Tragzeit gereicht werden sollten.

Die Kleinen werden normalerweise im vorbereiteten Nest zur Welt gebracht. Nervöse Häsinnen gebären die Jungen ab und zu verstreut im Stall. Dasselbe geschieht auch bei Schwergeburten. Merkt man es rechtzeitig, kann man die Kleinen aufwärmen und anschliessend ins Nest legen. Die Zibbe erhält eine sanfte Bauchmassage; das regt die Milchdrüsen an und hilft der Mutter zum normalen Nach-Geburts-Programm zurückzufinden. Nervösen Zibben verfüttert man zusätzlich Melisse, die beruhigt und darüber hinaus die Milch anregt.

Am häufigsten sterben Nestlinge, wenn sie aus dem Nest geraten, nicht mehr zurückfinden und erfrieren. Das geschieht vor allem, wenn die Milch knapp ist. Pappsatter Nachwuchs hingegen bleibt ruhig im Nest liegen. Einen raschen Milcheinschuss bewirkt die Gabe von Schüssler Nr. 2 (Calcium phosphoricum D6), für genügend Milch sorgen verschiedene Kräuter. Hier können Sie eine Tabelle mit besonders geeigneten Pflanzen herunterladen

Zibben werden kurz nach der Geburt wieder rammlig. Meist bemerkt man keine Verhaltensänderung, doch gibt es Temperamentsbündel, die im Auf und Ab der Hormone das Nest mit Urin markieren und es durcheinanderwühlen. Solche Probleme entstehen vermehrt, wenn die Zibbe zu wenig Abstand zum Nest halten kann. 

Gesunde Darmflora, gesunde Jungtiere
Um dies zu verstehen, hilft ein Blick auf die wild lebende Verwandtschaft: Wildkaninchenmütter graben eine separate Setzröhre, die als Kinderstube für die Kleinen dient. Nur einmal pro Tag besuchen sie das Nest, säugen die Jungen und graben danach die Setzröhre wieder zu. Es ist in der Natur nicht vorgesehen, dass eine Kaninchenmutter dauernd den Nestgeruch in der Nase hat; das kann sie veranlassen, immer wieder das Nest aufzusuchen. Im besten Fall werden die Nestlinge unnötig gestört und verbrauchen dabei Energie, die sie besser zur Wärmeproduktion und zur Entwicklung brauchen könnten, im schlechtesten Fall zerwühlt die Mutterhäsin das Nest und verletzt dabei die Jungen. Grosse Wurfställe oder Doppelställe bringen Abhilfe. Doppelställe haben den Vorteil, dass man besonders nervöse Zibben ein paar Tage lang nur zum Säugen ins Nest lassen kann. Sobald sie ruhig geworden sind, bleibt die Verbindungstüre zum Nestabteil wieder offen. 

Die nächste kritische Phase im Leben eines jungen Kaninchens ist der Aufbau einer guten Darmflora. Kaninchen kommen mit sterilem Darm zur Welt, und dies bleibt etwa zwei Wochen lang so. Danach deponiert das Muttertier mehrmals Blinddarmkot im Nest, den die Kleinen aufnehmen und so ihren Darm mit den lebenswichtigen Darmbakterien beimpfen. Damit sich aus dem bunten Mix von Mikroorganismen vorwiegend die guten vermehren, brauchen bereits Jungtiere im Nest immer wieder kleinste Mengen Heu. Daran knabbern sie schon im zarten Alter und versorgen damit ihre Darmbakterien mit der nötigen faserreichen Nahrung. Sobald die Kleinen zum Fressen aus dem Nest kommen, gibt man ausgewählte Kräuter, um die physiologisch gute Darmflora zu stärken und Kokzidien und andere unerwünschte Darmbewohner zu hemmen.

Damit sind wir bei der nächsten Hürde, die es zu nehmen gilt: Kokzidien sind einzelligen Parasiten, die in praktisch jedem Kaninchendarm zu finden sind. Sie können bei geschwächten Tieren überhandnehmen und führen vor allem bei Jungtieren mit noch unreifem Immunsystem zu Verdauungsproblemen, schlechtem Wachstum und zum Tod. Die in vielen Fertigfuttern enthaltenen Kokzidienmittel bieten einen gewissen Schutz – solange die Parasiten nicht resistent dagegen sind. Kräuter mit ihrer Vielzahl an hemmenden Substanzen verunmöglichen hingegen den Parasiten eine Resistenzbildung. 

Auch eine gesunde Darmflora hilft, Kokzidien in Schach zu halten, und nicht zuletzt strikte Hygiene im Stall. Kokzidien durchlaufen einen komplizierten Entwicklungszyklus. Wichtig ist zu wissen, dass mit dem Kot sogenannte Oozysten (befruchtete Eizellen) ausgeschieden werden. Diese müssen im Stall einige Tage reifen, damit sie bei Aufnahme durch das Kaninchen infektiöse Larven freisetzen können. Diese dringen in die Darmzellen ein und vollbringen dort ihr zerstörerisches Werk. Die Reifezeit der Oozysten hängt von der Umgebungstemperatur ab; man kann aber ungefähr mit zwei bis drei Tagen rechnen. Räumt man alle drei Tage den Mist aus dem Stall, reduziert man die Menge der reifen Oozysten stark und senkt auf diese einfache Weise den Infektionsdruck. 

Frohwüchsigkeit ist genetisch angelegt
Viele Züchter sind stolz, wenn ihre Tiere frohwüchsig sind, das heisst, in kurzer Zeit viel Gewicht zulegen, und füttern ihnen deshalb grosse Mengen Kraftfutter. Das entspricht allerdings in keiner Weise der Physiologie des Kaninchens. Seine Verdauung ist an eher gehaltarme Nahrung angepasst, die Darmflora hilft, diese aufzuschliessen. Frohwüchsigkeit ist sicher eine positive Eigenschaft, muss aber in den Genen der Zuchtlinien stecken und kommt nicht aus dem Futtersack. So ist Zurückhaltung beim Kraftfutter empfehlenswert, denn ein Zuviel verändert die Darmflora: Während eine angepasste faserreiche Ernährung die «guten» Bakterien begünstigt, nehmen die problematischen Clostridien und Kolibakterien überhand, wenn man zu viel leicht verdauliche Kohlehydrate füttert.

Clostridien sind verantwortlich für die tödliche Darmlähmung, die im Lauf der Enterocolitis, einer schweren Verdauungskrankheit der Jungtiere, auftreten kann. Zurückhaltung beim Kraftfutter, grosszügige Heugaben, gut gewählte Kräuter und Sauberkeit im Stall sind die besten Voraussetzungen für wenig Jungtierverluste.