Zeisige (Spinus) gehören zu der Familie der Finkenvögeln. Bei uns gibt es den Erlen- und den Birkenzeisig, im Tibet ist der Himalaja- oder Tibetzeisig stark verbreitet, doch mehrheitlich sind die Zeisigarten in Nord- und Südamerika anzutreffen. Dort leben um die 19 Arten in unterschiedlichen Lebensräumen, die von Gebirgswäldern über buschreiches Gelände bis zu Kulturland reichen. Einige davon sind in der Vogelhaltung populär, doch nur wenige Zuchtliebhaber konzentrieren sich auf sie.

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Hans-Paul Gäumann aus dem bernischen Schlosswil hat sich den Zeisigen verschrieben. «Sie sind schön, flink, und man kann sie auch im Winter problemlos in die Aussenvolieren lassen», sagt das Mitglied des Internationalen Cardueliden Clubs (ICC), wo sich auch Züchter von Zeisigen treffen. Gäumann hält seine Zeisigarten in Volieren mit kombinierten Innenräumen. «Es ist besser, sie paarweise in einer Box zu züchten», räumt er ein und zeigt auf zwei Paare Schwarzbrustzeisige, die er in einer kombinierten Innen- und Aussenvoliere hält.

Sichtschutz für die Privatsphäre 
«Es hat zwar Nestbauversuche gegeben, doch die Paare stören sich gegenseitig», erklärt Gäumann. Zeisige sind aus­serhalb der Brutzeit untereinander friedfertig. Wenn sich aber ein Paar gefunden hat und brüten will, werden alle anderen Vögel weggejagt. Ein Paar in einer Box kann darum dem Brutgeschäft ungehindert nachgehen. Schwarzbrustzeisige stammen aus der zentralamerikanischen Landbrücke, wo sie insbesondere im Hochland leben. Nicht zuletzt auch darum sind sie kälteren Temperaturen gegenüber tolerant.

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Gäumann hängt Drahtkörbchen, wie sie auch für Kanarienvögel verwendet werden, als Nisthilfen in die Boxen. Davor hat er einen Sichtschutz befestigt, sodass das Paar seine Privatsphäre hat. Mit Sisal- und Kokosfasern, die er in kleinen Raufen aussen an den Boxen anbringt, bauen die Paare die napfförmigen Nester in die Nisthilfen. Schwarzbrustzeisig-Weibchen bebrüten die etwa vier Eier 14 Tage lang. Die Nestlingszeit dauert drei bis vier Wochen. Nach zwei Wochen sollten die Jungen von den Altvögeln getrennt werden, denn meist werden sie vom Zuchtmännchen plötzlich verjagt. 

Auch der Yarrellzeisig hat ein attraktives schwarz-gelbes Grundgefieder, genauso wie der Schwarzbrustzeisig. Man kennt ihn aber an seiner schwarzen Kopfplatte. Das Schwarz zieht sich vom Schnabel über das Auge bis zum Hinterkopf. Er ist von Ost-Venezuela bis nach Brasilien verbreitet und lebt in Wäldern an Flussufern, in Gärten und Parks. Auch aus Feldrändern fliegt er auf, wo er sich über Samen hermacht.

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Bestechend schöner Kapuzenzeisig
Wie alle Zeisige liebt auch der Yarrellzeisig ölhaltige Samen. Die Vögel sollten in einer Voliere fliegen können, denn sonst besteht die Gefahr, dass sie zu viel Fett ansetzen. Der eigenartige deutsche Name ehrt William Yarrell, einen englischen Buchhändler, Naturforscher und Ornithologen. Auch die wissenschaftliche Bezeichnung lautet Spinus yarrellii. Der Erstbeschreiber John James Audubon ehrte damit 1839 Yarrell.

Aus Venezuela stammt der völlig anders gefärbte Kapuzen- oder Feuerzeisig. Das Gefieder des Männchens leuchtet tiefrot wie Feuer, wenn es konditionell auf der Höhe ist. Nur sein Kopf und ein Teil der Flügel- und Schwanzfedern sind schwarz. Gäumann hat sich auf die Zucht von Kapuzenzeisigen spezialisiert. «Sie und die Yarrellzeisige werden am schönsten im Gefieder, wenn sie nach draussen können.» Er züchtet auch die Kapuzenzeisige in Boxen, hält dann aber die Jungen nach dem Selbstständigwerden oder unverpaarte Einzelvögel in einer langen, gros­sen Gartenvoliere.

Durch einen vergitterten Kanal haben auch sie Zugang zu einem Innenraum. Damit sie das Futter gut akzeptieren und den Weg durch den Kanal finden, hat Gäumann auch australische Binsenamadinen mit in der Voliere. «Sie zeigen ihnen den Weg in den Innenraum und gehen ungeniert ans Futter, sodass es ihnen die zurückhaltenderen Kapuzenzeisige nachmachen.»

Es ist wenig verwunderlich, dass Kapuzenzeisige Aufsehen erregten, als der bekannte Tierhändler Carl Hagenbeck sie erstmals um 1870 importierte. Das satte Rot im Gefieder des Männches ist bestechend schön. Das Weibchen hat anstatt eines schwarzen Kopfs einen grauen, der Rotanteil der Federn ist weitaus geringer, das Rot beim Weibchen ist fahl. Auch bei Kapuzenzeisig-Männchen unter Menschenobhut verblasst das Rot, wenn sie nicht richtig gefüttert werden.

Hans-Paul Gäumann verwendet aber keine künstlichen Farbstoffe, wie sie manchmal Kanarienzüchter einsetzen, sondern setzt auf Naturprodukte. «Ich füttere geraffelte Rüebli sowie Tagetessamen», sagt er. Tagetessamen enthalten einen hohen Anteil des Gelb-Pigments Lutein. Bei Lutein handelt es sich um ein orangegelbes Xanthophyll, eines der häufigsten Carotinoide. Kanarienzüchter kreuzten Kapuzenzeisige mit Kanarienvögeln. So kam die Farbe Rot in die Kanarienvogelzucht.

Doch die Reinzucht der Kapuzenzeisige ist eine wichtige Aufgabe der Vogelzüchter. In ihrer Heimat Venezuela sind sie wegen dem Fang für den lokalen Käfigvogelhandel bedroht. Für Gäumann ist es darum wichtig, dass die Art in der Naturform gezüchtet wird, damit man sie eventuell wieder ansiedeln könnte. Ein Vorteil des Kapuzenzeisigs ist seine Friedfertigkeit. Die Art kann deshalb auch mit anderen Vogelarten, die etwa gleich gross sind, vergesellschaftet werden.

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Heller Nistplatz bevorzugt
In der Partnerwahl können Kapuzenzeisige wählerisch sein. Darum ist die Schwarmhaltung bei Gäumann ein Vorteil, denn Paare können sich selber auswählen. Grundsätzlich züchten sie aber besser paarweise in Boxen. Auch Kapuzenzeisige bauen ihre Nester aus Sisalfasern und trockenen Gräsern und Moos in Nisthilfen aus Draht oder Plastik. Manchmal bevorzugen Paare halb offene Nistkästen oder Körbchen, wenn oben Kunstpflanzen einen Schutz bieten. Vielleicht gelingt die Zucht bei Gäumann so gut, weil er in jeder Zuchtbox auch eine LED-Beleuchtung installiert hat, denn Kapuzenzeisige schätzen helles Licht am Nistplatz. Das Weibchen tätigt Nestbau, Brut der bis zu vier weissen Eier und zieht die Jungen mehrheitlich gross. 

Es geht ein halbes Jahr, bis die Kapuzenzeisige ausgefärbt sind. Zeisigzüchter Gäumann sagt: «Normalerweise ziehen die Paare drei Bruten pro Saison auf.» Die Zuchtzeit beginne bei den Kapuzenzeisigen oft im Herbst. Schwarzbrustzeisige würden im Gegensatz eher im Frühling in den Trieb kommen. Damit die Aufzucht der Jungen klappt, füttert Gäumann ein Zeisigfutter, das er im Handel fertig gemischt erwirbt. Er reicht auch Chicorée-Salat und ein Kochfutter mit einem hohen Anteil an Ramtillkrautsamen, die sehr ölhaltig sind.

Auch Gurke gehört zum Speiseplan, allerdings nach Mass, sagt Gäumann. «Sonst bekommen sie Durchfall.» Als Zusatz erhalten die Zeisige auch eine Kräutermischung. Insekten und Ameisenpuppen sind hervorragende Gaben, wenn die Kapuzenzeisige Junge aufziehen. Ein richtiger Leckerbissen sind die halb reifen Hirsekolben, die Gäumann in die Aussenvolieren hängt. Er hat sie selber bei einem Züchter im Bodenseegebiet geerntet und dann tiefgefroren, sodass er dieses gute Futter immer zur Verfügung hat, wenn Jungvögel ausfliegen. 

Gäumann heizt den Innenraum im Winter auf 18 Grad. In den Innenvolieren und Boxen verwendet er Maisgranulat und Holzschnitzel als Bodeneinstreu, aussen ist der Boden mit Kieselsteinen versehen, die Aussenvolieren sind gedeckt. Mit Parasiten habe er nicht zu kämpfen, sagt Gäumann. Sein Erfolgsrezept: Nicht zu viele Vögel und alles immer sauber halten. Die Vögel baden in Vogelbadehäuschen, die an den Boxen angebracht sind. 

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Handaufzucht eines Jungzeisigs
Auch der Züchter Heinz Kripahle aus Bern widmet sich verschiedenen Zeisigarten, darunter die attraktiven Gelbbauchzeisige mit schwarzem Schnabel. Diese Art hat ihr Verbreitungsgebiet von Costa Rica bis nach Nord-Bolivien. Auch Gelbbauchzeisige brüten um die 13 Tage, und die Jungen fliegen mit etwa 17 Tagen aus und sind dann nach bis zu drei Wochen selbstständig. 

Kripahle gewährt seinen Zeisigen frisch geerntete Sträusse mit Gräsern aus der Natur. Wenn die Samen in halb reifem Zustand sind, nehmen die Zeisige sie besonders gierig auf. Kripahle sammelt die Gräser in der Natur an Orten, wo nicht gespritzt werden. Er stellt sie bei seiner Volierenanlage in Kübel mit Wasser, damit sie länger frisch bleiben. Täglich reicht er seinen Zeisigen kleinere Bündel, die er mit Klammern im Astwerk der Volieren befestigt. Auch Köpfe von verblühten Sonnenblumen montiert er so in den Volieren als besondere Leckerbissen. Die Nahrung ist nicht nur gesund für sie, sondern hält sie auch agil, wenn sie an den wippenden Gräsern turnen. Auch Kripahle züchtet in Boxen mit LED-Beleuchtung und hat kombinierte Innen- und Aussenvolieren zur Verfügung. 

Der Kapuzenzeisig-Züchter Fridolin Britschgi und seine Tochter Sabrina aus Giswil OW zogen sogar einen jungen Kapuzenzeisig von Hand auf. Als sie bei einem Paar einen Jungvogel tot am Boden fanden, entschlossen sie sich, das andere, noch bettelnde, aber von den Eltern aus unerfindlichen Gründen plötzlich vernachlässigte Junge von Hand aufzuziehen. «Wir fütterten geschälte, gequollene Hirse aus dem Grossverteiler, die wir mit einem Wallholz zerrieben, mischten sie mit dem Handaufzuchtfutter Nutri Bird und drückten den Brei durch ein Sieb», sagt Fridolin Britschgi.

Das klappte, der Kapuzenzeisig wurde gross und verlor an Zutraulichkeit, sobald er zusammen mit den anderen in der Aussenvoliere flog. Um ihn einzugewöhnen, gaben ihn die Vogelpfleger bereits in der Absetzphase stundenweise zu seinen Artgenossen. Auch Britschgis betonen, dass die direkte Sonneneinstrahlung sowie Kräuter aus dem Garten, Löwenzahn, Ringelblumen und Fenchelsamen wichtig für die Kapuzenzeisige seien. Bei Britschgis begannen Kapuzenzeisige im Januar mit der Brut in einem Kanariennest, das sie mit Kokosfasern, Baumwolle und Sisal bauten. 

Zeisige werden nach den Erfahrungen von Hans-Paul Gäu­mann etwa sechs Jahre alt. Neuwelt-Zeisige sind nicht mehr sehr verbreitet bei Schweizer Liebhabern. Gäumann findet das schade. «Wer sie kennt, für den sind es herrliche Vögel!» Er schwärmt vom Gesang des Kapuzenzeisig-Männchens am Morgen früh. «Auch wenn es minus 10 Grad kalt ist, kommen die Männchen nach draussen und begrüssen singend den jungen Tag.»