Auf den Spitzen der umliegenden Berge liegt im April noch Schnee, zaghaft hellgrün leuchten Büsche im unteren Bereich der Hänge, in der Talsohle blühen bereits Bäume. Zwischen Steinen an einem Abhang spriessen Keimlinge, Kirschlorbeer bildet einen grünen Horst, ein Baumstamm liegt quer durch die Buschvegetation. Moose wachsen über einen kapitalen, verwitterten Strunk, dürre Gräser rascheln im sanften Wind. Daneben bilden abgerutschte Steine eine freie Fläche. Oberhalb, hinter verdorrten Gräsern, huscht etwas Braunes durch, ähnlich einem grossen Huhn. Plötzlich funkelt auch ein Körper metallisch grün, bevor er sich wieder in der Vegetation verbirgt. 

Was streicht hier Geheimnisvolles durch die wilde Halde? Ein Paar Königsglanzfasane! Die Szene spielt sich nicht etwa in deren bergigen Heimat Ost-Afghanistan, Nepal oder Tibet in lichten Eichen- und Rhododendron-Wäldern und auf Schotterflächen ab, sondern in einer Grossvoliere im Maggiatal in Gordevio TI. Sandro Beckmann späht in die Vegetation und sagt: «Sie sind halt vorsichtig.» Der schlanke, zurückhaltende Mann mit vollen gräulichen Haaren und buschigen, schwarzen Augenbrauen hat diese Naturvoliere erschaffen.

[IMG 2]

Sie alleine ist ein Kunstwerk. Die Natur ist vollkommen, doch wer sie so treffend nachzuahmen versteht, ist ein Künstler, ein Naturbegabter. Für den bescheidenen Sandro Beckmann scheint es selbstverständlich. «Wenn man rausgeht in die Natur, erhält man Anregungen und Ideen, wie Lebensräume gestaltet werden können», sagt er, ein scheues Lächeln huscht über sein Gesicht. Die Glanzfasane würden am Boden alles wegpicken, darum habe er den Hang teilweise mit Steinen gestaltet, denn auch in der Natur lebten sie auf Geröllhalden. Die Natursteine hat er mit Beton im Boden verankert.

Der riesige Baumstrunk wurde mit einem Helikopter aus einem Wald ausgeflogen, mit einem Lastwagen nach Gordevio geschafft und mit einem Kleinbagger in der Voliere platziert. «Wir haben ihn mit Eisenstangen im Boden verankert.» Über die ganze Voliere spannt sich ein Netz. «Dies ist besser, als Volierengitter. Wenn Fasane erschrecken und plötzlich auffliegen, gibt das Netz nach, und sie schlagen sich so den Kopf nicht auf», sagt der Kenner. Das Paar Glanzfasane teilt sich die Voliere mit Kookaburras aus Australien, die sich in den oberen Bereichen aufhalten.

Atemberaubend schöne Fasane
Das Glanzfasan-Männchen entstammt der Zucht Beckmanns. «Das Paar ist noch jung, ich bin gespannt auf Bruterfolge.» Ein Ei liegt schon mal bei einem Wurzelstock. Ein fehl geschlagener, aber verheissungsvoller Anfang in diesem Jahr. Beckmann hofft, dass ein Weibchen ein richtiges Gelege auf Moos in einen halboffenen Baumstamm zeitigt. «Vielleicht klappt es auch nicht, weil ich zwei Weibchen beim Männchen habe», zweifelt er. Obwohl, in der Fachliteratur, die er auch zur Nachbildung der Lebensräume konsultiert, wird vermerkt, dass die Art vermutlich polygam lebt.

[IMG 3-12]

Beckmann ist in verschiedenen Vereinigungen Mitglied, um sich fachlich auf dem Laufenden zu halten, so etwa bei der Società ornithologica Locarno e Valli, bei der Società ornithologica Biasca e Valli, bei der Exotis und bei der World Pheasant Association. Der Umgang mit der Natur scheint ihm in die Wiege gelegt worden zu sein. Schon als Kind streifte er in den umliegenden Kastanienwäldern umher und baute Volieren im Garten. Er wurde Landschaftsgärtner und führt heute mit seiner Frau Vreni die eigene Firma. «Ich gestaltete immer gerne», sagt der 53-Jährige. Seinen Garten verwandelte er in ein Paradies mit Teichen, Bachläufen und Volieren.

«Ich war schon früh fasziniert von Fasanen», sagt Beckmann, während er Zophobas, Larven des Grossen Schwarzkäfers, in die Voliere wirft. Wenn man das verheissungsvolle Schillern des Gefieders durch die dichte Vegetation sieht, ahnt man, warum. In einer anderen Voliere seines Gartens huscht das Männchen des Glanzfasans immer mal wieder hinter einer Tanne hervor, nur um gleich wieder hinter Steinen zu verschwinden.

Früher habe er viele verschiedene Fasanenarten gehalten, sagt Beckmann. «Ich konzentriere mich heute aber auf wenige Arten, dafür halte ich mehrere Paare pro Art.» So könne er selber blutsfremde junge Paare zusammenstellen. «Die Arterhaltung unter Menschenobhut glückt so langfristig besser.» Fasane in seinen Volieren zu entdecken ist ein Erlebnis. Wenn etwa hinter einer Wurzel plötzlich ein Satyrtragopan auftaucht, stockt einem der Atem.

Diese Fasane sind atemberaubend schön. Sie bewohnen im Himalaja-Gebiet und in Nepal ähnliche Lebensräume wie die Glanzfasane. In der Natur picken sie Knospen, Beeren und Insekten. Das reicht ihnen auch Sandro Beckmann als Nahrung, nebst Turteltaubenfutter sowie Pellets für Fruchtfresser. «Fasane stammen aus kargen Regionen», erklärt Beckmann. Hühnerfutter würde zu viel Mais enthalten. «Damit werden Fasane zu fett, sodass sie nachher kaum noch züchten.» Beckmann behandelt seine Fasane zweimal jährlich gegen Würmer mit einem Mittel, das er ins Futter mischt. «Besonders Tragopane sind empfindlich», betont der Spezialist.

Gestaltung und Bepflanzung einer FasanenvoliereSandro Beckmann gestaltet seine Volieren naturnahe mit Wurzeln, Baumstämmen, Sand- und Erdstellen. Er sagt: «Fasane baden nicht im Regen, sehr wohl aber im Sand und in trockener Erde.» Darum sind in jeder Voliere überdachte Sand- und Erdstellen vorhanden. Arten aus höheren Lagen sind kälteresistent, tropische Arten brauchen frostfreie Schutzhäuser. Als Bepflanzung von Fasanenvolieren empfiehlt Beckmann Koniferen, Legeföhren, Kirschlorbeer, Holunder, Pfaffen­hütchen, Liguster, Gräser aller Arten, Rhododendron, die Strauch-Ross­kastanie oder Forsythien. 

Aufwendige Balz
Das orangerote Gefieder des männlichen Satyrtragopans ist übersät mit Punkten in weis­sen und grauen Schattierungen, die Kehle leuchtet marineblau. Er halte fünf Paare dieser Art, deren Männchen im zweiten Lebensjahr ins Prachtgefieder umfärben. In einer Voliere leben nebst dem Paar noch die Jungen des Vorjahrs. «Ich will sie nächstens trennen», sagt Beckmann. Er zog im letzten Jahr sieben Junge dieser Art von mehreren Paaren.

Satyrtragopane sind ähnlich gefärbt wie Temmincktragopane, die Beckmann auch hält. Das markanteste Unterscheidungsmerkmal sind die zwei orangeroten Federstriche auf dem Kopf, die sich beim Temmincktragopan aus Südosttibet bis ins Rückengefieder durchziehen, während der Satyrtragopan nur zwei orange Punkte auf dem Kopf aufweist. «Wenn eine Satyrhenne viele Eier legt, dann handelt es sich um eine Kreuzung zwischen den beiden Tragopanarten», sagt Beckmann. Satyrtragopane hätten nur zwei bis drei Junge, Temmincktragopane wesentlich mehr. 

In der Natur würden die Satyr-Hennen in alten Krähennestern nisten. «Ich hänge darum mit Stroh gefüllte Körbe als Nisthilfen in die Tannen.» Sie würden gut akzeptiert. Im Frühling würden die Satyrhähne balzen. «Während des Tages trippeln sie hinter einen Stein, rauschen mit den Flügeln, wippen mit dem Kopf, heben und senken die Schwingen, schiessen plötzlich hervor, richten sich ganz auf und entfalten an der Kehle einen eindrücklich blauorange gefärbten Schild und klappen auf dem Kopf zwei blaue Hörnchen aus.»

Fasanenmännchen sind so markant gefärbt und haben eine so ausgeprägte Balz, weil sie zu jeder Brut in jedem Frühling neu ein Weibchen für sich zu gewinnen versuchen. Die Weibchen sind meist ganz unscheinbar befiedert, da sie bei der Brut und währenddem sie die Jungen führen nicht auffallen dürfen, um nicht zum Opfer von Feinden zu werden. 

[IMG 13]

Elternaufzucht ist wichtig
Als Beckmann der Satyrtragopan-Familie Wachsmotten – sie gehören zu den Zünslern – zuwirft, freuen sich auch zwei Chinesische Nachtigallen darüber. In der gros­sen, bepflanzten und mit Steinen und Wurzeln strukturierten Voliere leben aber auch noch ein Paar Rotkappensittiche aus Australien sowie ein Paar Blauelstern aus Spanien. «Es ist kein Problem, australische Sittiche, Wildtauben oder Weichfresser zusammen mit Fasanen zu halten», sagt der Vogelliebhaber. Somit leben auch in der Voliere mit den Grauen Pfaufasanen Bauers-Ringsittiche und Dolchstichtauben. 

Pfaufasane haben ihren Namen wegen des eindrücklichen Gefieders, das die Männchen auffächern können und das bläulich schillernde Pfauenaugen zeigt. Bei der Balz fächern die Männchen Schwanz und Flügel wie ein Rad und neigen sich dem Weibchen zu. Den Kopf ziert eine Haube aus längeren, gestreiften Federn. Der Graue Pfaufasan stammt aus Burma, Laos und Teilen Thailands. Er brauche ein Schutzhaus, merkt Beckmann an. «Das Weibchen brütet hinter einem Wurzelstock, während das Männchen gravitätisch über Wurzeln und Sand stolziert.»

Beckmann lässt all seine Fasanenarten ihre Jungen selber aufziehen. Die Kunstbrut wird manchmal praktiziert, zumal die Jungen kurz nach dem Schlupf oft selber Futter aufnehmen. So würden sie aber falsch geprägt, betont der Fasanenfreund und streicht heraus: «Elternaufgezogene Junge sind später bessere Zuchttiere.» 

Sandro Beckmann ist es ein Anliegen, Fasane in ihren natürlichen Verhaltensweisen zu bewahren und zu züchten. In seinen Volieren finden sie Lebensräume vor, die denjenigen in ihren Ursprungsgebieten perfekt nachempfunden sind, sodass man sich an den Hängen des Himalajas wähnt, wenn das Orangerot des Satyrtragopans durch das Laub blitzt, und nicht im Maggiatal.