Für Hühner ist es das Normalste auf der Welt, für den Halter zählt es hingegen zu den eher unbeliebten Verhaltensweisen seiner Schützlinge: das Scharren. Es ist ein angeborener Trieb über alle Hühnerrassen hinweg. Dabei kratzen die Tiere abwechslungsweise mit dem rechten und dem linken Fuss den Boden auf. Kraftvoll schleudern sie lockere Bodenteile fort, um sich Liege- oder Sandbadmulden zu graben. Oder auch um nach verborgenem Futter zu suchen. Dabei werden Wurzeln freigelegt und die verschiedenen Kräuter ausgerissen – und meist auch gleich verspeist.

Was Hühner mit Wonne tun, ärgert den Hühnerhalter umso mehr. Denn der zuvor sattgrüne Rasen erleidet dadurch meist grossen Schaden. Schaffen es die Hühner erst einmal eine kleine Grasnarbe freizuscharren, gibt es meist kein Halten mehr. Im Nu ist aus dem kleinen braunen Fleck ein grosser geworden und die Grasnarbe läuft Gefahr, noch weiträumiger zerstört zu werden. Greift man jetzt nicht ein, wird aus dem einst so schönen grünen Auslauf schnell einmal eine wüste Einöde.

Im Nassen lässt es sich gut scharren
Um dies zu verhindern, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Eine davon ist, den Auslauf in zwei Zonen einzuteilen. Vorzugsweise steht dabei das Hühnerhaus in der Mitte und das Hühnertürchen ist so eingerichtet, dass die Hühner auf möglichst einfache Weise entweder in die eine oder andere Zone herausgelassen werden können. Und das ist auch der Clou: Die Hühner dürfen jeweils nur eine der beiden Auslaufzonen benutzen, die andere kann sich in dieser Zeit erholen. Bei mehreren aufeinanderfolgenden Regentagen empfiehlt es sich zudem, die Hühner nur auf den Vorplatz des Hühnerhauses, nicht aber auf den Rasen zu lassen. Ist der Untergrund nämlich stark aufgeweicht, haben die Tiere ein einfaches Spiel beim Aufscharren der Erdoberfläche.

Ungeachtet dessen, ob man nun einen einzelnen oder einen in Zonen aufgeteilten Auslauf unterhält, die Fläche, die den Hühnern zur Verfügung steht, muss in jedem Fall ihrer Gruppengrösse entsprechen. Gemäss den heute gängigen Fachbüchern sollten sich Legehennen in einem fünf bis zehn Quadratmeter (pro Huhn) grossen Auslauf austoben können. Im schweizerischen Tierschutzgesetz findet man hingegen gar keine Angaben zur optimalen Auslaufgrösse eines Hühnerhofes. Dies im Gegensatz zu den Platzverhältnissen im Hühnerstall. Es ist am Ende jedoch weniger die effektive Grösse der Fläche entscheidend, eine wichtigere Rolle spielt die Gestaltung des Auslaufes.

Ist keine oder lediglich eine kleine Fläche des Auslaufes grün, wird sofort alles Fressbare herausgescharrt und die Hühner beginnen Mulden zu graben. Ist der Rasen, respektive die Grasnarbe, jedoch lückenlos, haben es die Hühner schwieriger. Verfügt der Auslauf zudem noch über interessante Elemente wie Büsche, Sträucher, Bäume und stattet man ihn zusätzlich mit Sitzstangen und Staubbädern (zum Beispiel mit feinem Sand gefüllte Kisten) aus, sorgt dies für Abwechslung im Hühneralltag. Die Tiere können sich dadurch vielfältig beschäftigen. Und was ebenfalls sehr wichtig ist: Die Hühner  können sich bei Bedarf aus dem Weg gehen. Dies baut Stress ab und führt zu einem ruhigeren Zusammenleben im Hof.

Das rechte Bein zuerst
Wenn möglich, sollte man einen Beerenstrauch in den Auslauf stellen. In der Reifezeit versorgt er die Hühner mit vitaminreichen Früchten. Diese lassen es sich nämlich nicht nehmen, möglichst alle Beeren abzupflücken – auch wenn dies für sie mit grossem Aufwand verbunden ist. Zum Beispiel ist ein Huhn, das vor einem Johannisbeerstrauch steht und zu den oben hängenden Beeren hochspringt, ein gar nicht so seltener Anblick.

Der Hauptgrund für das Scharren ist also leicht gefunden. Die Hühner tun es allem voran, um auf möglichst effiziente Weise ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen zu können: der Futtersuche. In Joseph Barbers Fachbuch «Das Huhn» ist denn auch nachzulesen, dass ein Huhn immer zuerst mit einem Bein scharrt, danach abwechselnd mit beiden Beinen.

Für gewöhnlich beginnt das Huhn mit dem rechten. Dies aus einem ganz bestimmten Grund. Beim Scharren mit dem rechten Fuss späht das Huhn immer auch mit dem rechten Auge nach potenzieller Nahrung am Boden. Dieses kommuniziert mit der linken Hirnhälfte; und die wiederum sagt dem Huhn, ob das gefundene Objekt fressbar ist oder nicht. Dadurch weiss das Huhn sofort, ob es sogleich danach picken muss. Handelt es sich nämlich um ein Insekt, ist oft schnelles Handeln unumgänglich, ansonsten macht sich das vermeintliche Opfer aus dem Staub. Oder noch schlimmer, der Wurm wird von einem anderen Huhn wegstibitzt.

Hühner scharren aber auch, wenn sie ungeduldig sind oder gar verlegen, wie Carlheinrich Engelmann, ehemals Abteilungsleiter des Instituts für landwirtschaftliches Versuchs- und Untersuchungswesen in Jena, in seinem Buch «Leben und Verhalten unseres Hausgeflügels» schreibt. Zudem gibt es Hühner, die Scharrbewegungen machen, während sie Nahrung aus dem Futtertrog aufpicken, statt im Boden danach zu suchen. Dieses Phänomen unterstreicht die evolutionäre Bedeutung des Scharrens.

Das Scharren ist aber auch, wie bereits erwähnt, Teil einer weiteren angeborenen Verhaltensweise, des Sand- oder Staubbadens – des wohl ausgeprägtesten Komfort- und Wellnesstriebs eines Huhns. Beim Staubbad scharrt und gräbt es zuerst eine Mulde in den Sand oder ins trockene Erdreich. Mit weiteren, starken Scharrbewegungen schleudert es Sand, Erde oder Einstreu auf sein Gefieder. Dabei wird das Fersengelenk stark gebeugt. Die Sand- und Staubpartikel setzen sich im Gefieder fest. Dann pickt das Huhn mit dem Schnabel auf die Erde und setzt sich in die Mulde, sodass der Vorderkörper ganz darin liegt, während Rücken- und Schwanzpartie hinten hoch hinausragen. Die Mulde wird grösser gemacht. Mithilfe von wälzenden Bewegungen drehen sich die Hühner auf die Seite oder den Rücken, sodass sie am Schluss in die entgegengesetzte Richtung blicken. Der Kopf ist dabei immer möglichst aufrecht. Danach wird das Bad noch für rund 30 Minuten mehr oder weniger reglos sitzend oder liegend genossen und schliesslich verlassen. Ganz zum Schluss befreit das Huhn sein Gefieder durch kräftiges Schütteln von Sand und Staub und ordnet gleichzeitig wieder seine Federn.

Zum Scharren braucht es starke Füsse
Hühner haben stark entwickelte Oberschenkel, da sie praktisch den ganzen Tag auf den Beinen sind und dabei herumlaufen und scharren. Dafür braucht es starke Läufe und Zehen. Doch wie sind diese aufgebaut? An den Läufen sitzt straffe Haut mit gering entwickelter Unterhaut. An den Zehen wiederum ist die Oberhaut jedoch dick und stark verhornt. Die Zehen sind am Ende des Unterschenkels.

Die meisten Hühner verfügen über vier Zehen. Die drei nach vorne gerichteten Zehen sind weit auseinandergespreizt. Die vierte Zehe zeigt nach hinten. Mit dieser Positionierung der Zehen haben Hühner einen guten Stand.

Einige Rassen verfügen über einen fünften Zeh, hierbei handelt es sich um die Dorkings, die Houdans und die Seidenhühner. Die fünfte Zehe sitzt neben der vierten an der Innenseite des Laufes. Sie hat keine eigentliche Funktion. Da sie aber schräg nach oben zeigt, behindert sie die Tiere auch nicht. Laut Alfred Mehner, Direktor der Bundesforschungsanstalt für Kleintierzucht in Celle (D), kann eigentlich auch nicht von einem fünften Zeh gesprochen werden, denn seiner Meinung nach handelt es sich viel mehr um eine Verdoppelung des Hallux, der sich aus den sogenannten Metatarsalknochen der ersten Zehe oder dem Hallux an der inneren Seite des Fusses bildet.