Tollwut ist eine der tödlichsten Krankheiten der Welt. Innerhalb von sieben bis zehn Tagen nach dem Ausbruch des Virus führt sie sowohl beim Menschen als auch bei Tieren wie Hunden und Katzen zum Tod. Die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte informierte im September 2022 in einer gemeinsamen Mitteilung über die Rolle der Schweiz im Kampf gegen die Tollwut.

Jährlich sterben weltweit 59 000 Menschen an der Krankheit, die meisten davon infolge einer Überragung durch einen Hundebiss. Entsprechend gross ist das Bestreben, das Virus weltweit auszurotten. Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich zum Ziel gesetzt, bis im Jahr 2030 keine menschlichen Todesfälle durch von Hunden übertragene Tollwut verzeichnen zu müssen.

Dies geschieht einerseits durch eine vorsorgliche Impfung, andererseits durch die rasche Gabe einer Prophylaxe, nachdem jemand von einem potenziell tollwütigen Tier gebissen oder gekratzt wurde. Da dies nicht überall möglich ist, ist das Virus leider in vielen Ländern noch relativ weitverbreitet. Die Eliminierung von Tollwut bei Hunden ist daher der Schlüssel zur kompletten Ausrottung des Virus.

Die Umsetzung der von der WHO entwickelten Strategien sind allerdings aufgrund der begrenzten Ressourcen schwierig, insbesondere in einkommensschwachen Ländern. Das Netzwerk «Tierärzte ohne Grenzen» («Vétérinaires Sans Frontières», VSF), darunter VSF-Suisse, ist in solchen Ländern im Einsatz. Zusammen mit lokalen Behörden und Institutionen unterstützt VSF-Suisse Ausrottungsbemühungen unter anderem in Algerien, Marokko, Südsudan, Tansania, Kenia, Uganda, Malawi, Indien und Kambodscha. Massenimpfungen und Populationskontrollen bei Hunden, schnelle Behandlung von Hundebissen und die Sensibilisierung der lokalen Bevölkerung gehören dabei ebenso zum Programm wie die Verbesserung der Meldung, Diagnose und Überwachung der Krankheit.

Seit 2006 gelang es dem Netzwerk, über 340 000 Tiere zu impfen und gleichzeitig zu entwurmen, was auch die Ausbreitung von auf Menschen übertragbaren Parasiten reduzierte. «Bisher haben wir über 80 000 Menschen, darunter viele Schulkinder, durch Aufklärungs- und Sensibilisierungsmassnahmen zu Tollwutprävention und -bekämpfung sowie zu Tierschutz informiert», berichtet Philipp Hayoz von VSF International. «Gemeinsam können wir das ehrgeizige Ziel der WHO erreichen.»

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Schutz gegen importierte Tollwut

In der Schweiz gilt die terrestrische Tollwut seit 1999 als ausgerottet, lediglich bei Fledermäusen kommt das Virus noch vereinzelt vor. 2017 biss eine kranke Fledermaus einen Spaziergänger, der daraufhin eine Postexpositionsprophylaxe erhielt und nicht an Tollwut erkrankte. Seitdem gab es lediglich einen Fall von nachgewiesener Tollwut bei einer Fledermaus im Kanton Bern Anfang Juli 2022.

Das Virus ist also auch bei Fledermäusen relativ selten, lediglich fünf Fälle wurden in den letzten 40 Jahren bekannt, berichtet die Schweizerische Tollwutzentrale in Bern. In einer grossangelegten Studie der Universität Zürich wurden 2021 über 7000 Schweizer Fledermäuse auf verschiedene Viren einschliesslich des Tollwutvirus untersucht. In keiner der Proben wurde das Virus nachgewiesen.

Das grösste Risiko für Tollwut besteht bei aus Ländern, in denen das Virus noch präsent ist, importierten Heimtieren. Wer zum Beispiel einen Hund aus der Türkei mit in die Schweiz bringen möchte, braucht für diesen eine gültige Tollwutimpfung und die Bestätigung der Impfwirksamkeit über eine Blutanalyse. Letztere ist frühstens 30 Tage nach der Tollwutimpfung möglich, gefolgt von einer weiteren Wartefrist von mindestens drei Monaten.

Eine spontane Mitnahme der vierbeinigen Urlaubsliebe ist also kaum möglich, da die entsprechenden Vorkehrungen einiges an Zeit kosten. Die Einreise mit Jungtieren aus Tollwut-Risikoländern ist daher frühstens im Alter von sieben Monaten möglich. Auch aus der EU importierte Hunde brauchen eine gültige Tollwutimpfung mindestens 21 Tage vor der Einreise sowie einen Mikrochip und einen Heimtierpass.

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Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine reisen auch viele Flüchtende mit ihren Haustieren in die Schweiz ein. Die Ukraine gilt als Tollwut-Risikoland. Um die Einreise der Flüchtenden mit ihren Vierbeinern zu erleichtern, wurden die Vorgaben durch die Schweizerische Vereinigung für Kleintiermedizin SVK vorübergehend gelockert.

In Tierarztpraxen arbeitende Personen sollen bei der Behandlung von Hunden und Katzen aus der Ukraine eine aktuelle Tollwutimpfung aufweisen und Handschuhe tragen, während unkooperative Tiere einen Maulkorb tragen sollen. Ungeimpfte Tiere werden sofort nachträglich gegen Tollwut geimpft, Hunde müssen draussen mindestens 120 Tage nach der Impfung an der kurzen Leine geführt und Katzen drinnen gehalten werden.

Bisher ist kein Fall bekannt, bei dem Tollwut durch ein Tier aus der Ukraine eingeschleppt wurde. Die letzte Tollwut bei Haustieren ereignete sich 2003 bei einem Welpen in Nyon, der nahe der französischen Grenze gefunden worden war. Die Tollwutviren entsprachen jenen aus Nordafrika.

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Risiko des illegalen Welpenhandels

Ein grosses Problem ist laut der Schweizerischen Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz STVT der illegale Welpenhandel, dem auch der Hund aus Nyon zum Opfer gefallen sein könnte. Die Tiere werden unter katastrophalen Bedingungen geboren und aufgezogen und nach tagelangen Transporten viel zu früh verkauft. Oft sind die Tiere mangelernährt und krank, viele überleben nur wenige Tage bis Wochen. Bei allen importierten Welpen gilt: Solche, die aus einem Risikoland kommen, stehen grundsätzlich unter Tollwutverdacht. Bisher bedeutete dies oft, dass die Welpen euthanasiert wurden, sehr zum Bedauern der Tierärztinnen und Tierärzte. Aktuell würde sich die «Produktion» der Welpen zunehmend in ost- und südwärts gelegene Länder verlagern, die ein hohes Tollwutrisiko haben.

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2003 kam es in der Schweiz zu einem Tollwutfall bei einem importierten Hundewelpen. «Das Geschäft mit Welpen ist sehr lukrativ und wird weder ernsthaft noch genügend organisiert bekämpft oder ausreichend bestraft», prangert der STVT an. Heimtierpässe mit angeblich gültigen Impfungen seien einfach zu fälschen, und manch ein ahnungsloser Hundeinteressent käme nicht auf die Idee, dass etwas nicht stimmen könnte.

«Künftig muss mit mehr Tieren aus Tollwut-Risikoländern gerechnet werden. Wollen wir diese alle euthanasieren?», fragt die STVT. Sie setzt sich für eine Möglichkeit ein, die betroffenen Tiere stattdessen durch eine 120-tägige Quarantänezeit zu bringen. Eine solche Quarantäne ist kompliziert, da sie nicht zu Hause bei ungeschulten und gar ungeimpften Personen stattfinden kann. Hinzu kommt, dass illegal gehandelte Welpen oft unter dem Radar laufen, Tollwutrisiko hin oder her.

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Bedenken, dass eine organisierte Quarantäne den Import noch ankurbeln könnte, begegnet die STVT mit dem Hinweis darauf, dass inländische Hunde die Nachfrage nach Welpen nicht decken würden und deswegen die Importe so hoch seien. «Wenn ein Hund in die Quarantäne muss, ist er beschlagnahmt und damit für einen Händler nicht mehr interessant. Im Gegenteil, für den Händler und den Besitzer wird es teuer», argumentiert die STVT. «Mit oder ohne Quarantäne, es ändert nichts an der Tatsache, dass Hunde weiterhin illegal in die Schweiz gelangen.»

Für die Kosten der angeordneten Massnahmen sollen die fehlbaren Tierhalter aufkommen. «Es ist der Preis für die Wahl zwischen der Tötung eines gesunden Tieres und einem reinen Gewissen», schreibt Lisa Goldinger, Tierärztin und Teil des Vorstands der STVT. «Noch heute quält mich die Erinnerung an jedes einzelne unschuldige Tier, das ich auf Anordnung der Behörden einschläfern musste.»