Sonntagmorgen am Vierwaldstättersee in Flüelen UR. Obwohl die Temperaturen an diesem Junitag zum ersten Mal richtig sommerlich sind, wagen den Sprung in den 15,5 Grad kühlen Urnersee nur Abgehärtete. Zu ihnen gehören auch die Mitglieder von Wasserhundesport Swimming Dogs Zentralschweiz. Sobald der Urnersee 12 Grad erreicht, trainiert der Verein auf dem Gelände der Firma Arnold & Co. AG. Heuer mussten sie wegen des langen Winters und des kühlen Frühlings bis Mitte Juni mit dem ersten Training warten. Umso grösser ist die Freude der acht Teilnehmerinnen und Teilnehmer und ihren 13 Hunden, nun endlich wieder ins Wasser zu dürfen.

Bei aller Euphorie beim Anblick des kühlen Nass ist zunächst Zurückhaltung angebracht. «Die Hunde müssen nach der Trainingspause zuerst wieder Muskulatur aufbauen», erklärt Vereinspräsidentin Christa Wermelinger aus Ennetbürgen NW. Sonst droht ihnen eine Erkrankung der Schwanzwirbel, auch Wasserrute genant. 

Ausserdem nehmen heute zwei Junghunde am Training teil, die noch keine Erfahrung mit Wasser gemacht haben. So auch Chesapeake-Bay-Retriever-Hündin Loli. Wild wedelnd schreitet die neun Monate junge Hündin neben ihrem Frauchen, Ruth Aebi aus Küssnacht SZ, vom Ufer aus ins Wasser. Ein paar Schritte weiter im See wartet eine Frau im Neoprenanzug und lockt Loli mit einem Spielzeug zu sich. Die ersten Versuche misslingen: Die Hündin macht zwar einen freudigen Sprung auf ihr Spielzeug zu, kehrt dann aber um und klammert sich an Frauchen. 

Eindrücke aus dem Training

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«Die Nässe, die Kälte, der unsichtbare Boden, der unter den Füssen verschwindet – all das ist zunächst total ungewohnt für die Hunde», erklärt Wermelinger. «Wir halten nichts von Druck und Zwang», sagt sie. «Wasserarbeit braucht Vertrauen und ist immer auch Teamwork.» Und tatsächlich: Mit etwas Geduld, gutem Zureden und viel Lob von Frauchen schwappt die Freude am Element Wasser dann auch auf Loli über. Die Hündin schafft es schliesslich, die zwei Meter zum Spielzeug und zurück zu schwimmen. Ihr Schwimmstil wirkt zwar noch etwas unbeholfen und tapsig, ihr Stolz über das Spielzeug im Maul aber ist unübersehbar. 

Damit dürfte der Grundstein für Lolis Wasserhundesportkarriere gelegt sein. Erst recht mit ihrem Frauchen: Ruth Aebi ist Technische Leiterin im Verein und ihre andere Chesapeake-Bay-Retriever-Hündin Moon die fortgeschrittenste der heutigen Teilnehmer. Die Siebenjährige zeigt denn auch eindrücklich, wohin der Weg im Wasserhundesport gehen kann: Nach einer Aufwärmphase mit Apportierübungen vom Ufer aus geht es für Moon und Aebi auf eines der beiden Motorboote.

Sportart verlangt einiges ab
20 Meter vom Ufer entfernt springt Moon auf Kommando hin von Bord und zieht das Boot samt Passagieren mit einem Seil zurück an Land. Bei einer weiteren Übung schwimmt die Hündin mit einem Rettungsring zu einer Person, die rund 40 Meter vom Ufer entfernt vermeintlich zu ertrinken droht, um sie zurück ans Ufer zu ziehen. Andere Übungen, die am ersten Trainingstag nicht gezeigt werden, sind Distanzschwimmen von 200 Meter bis zu einem Kilometer sowie die Rettung zweier Personen gleichzeitig.

Dabei wird klar, wieso die Hunde gemäss Wermelinger für diese Sportart ein Mindestgewicht von 20 bis 24 Kilogramm haben sollten. «Leichtere Hunde sind körperlich kaum in der Lage, die Übungen zu machen.» Die körperliche Konstitution sei viel wichtiger als die Rasse. Neben Retrievern, einem Beauceron und einem Mischling trainieren heute vor allem Belgische Schäferhunde. Ihre Herrchen und Frauchen kommen aus weiten Teilen der Deutschschweiz: aus dem Aargau, Zürich, Bern und der Zentralschweiz.  

Die Wasserarbeit wird im Schnitt alle zwei Wochen trainiert. In zusätzlichen Einheiten wird Unterordnung und Apportieren geübt. Und obwohl sich die Übungen an der Prüfungsordnung für Wasserarbeitshunde orientiert, ist eine Prüfung keine Pflicht. Beim Wasserhundesport geht es in erster Linie um den Plausch. Einsätze im Ernstfall gibt es nicht. Zumal es wenig bringt, bei einem Ertrinkenden erst einen Hund aufbieten zu müssen. «Für den Einsatz von Wasserrettungshunden etwa in Badis scheitert es leider an der mangelnden Akzeptanz von Hunden», sagt Wermelinger. Dass trainierte Hunde das Gelernte auch im Ernstfall abrufen können, hat eine ihrer Hündinnen in den Ferien bewiesen, als sie jeden gestürzten Surfer retten wollte. Nach dem heutigen Training ist das auch Moon zuzutrauen – und in ein paar Jahren bestimmt auch Loli. 

www.wasserhundesport.ch