Wenn die Besatzung des Raumschiffs Enterprise einen fremden Planeten betrat, tat sie dies nie ohne den Tricorder. Eine Schwenkbewegung mit diesem etwas klobigen Gerät – und schon wussten Captain Kirk und Mr. Spock, ob hinter dem nächsten Felsen Klingonen, Ferengi, Romulaner oder sonstwelche ausserirdischen Lebensformen lauerten.

In der Wirklichkeit ist es natürlich nicht so einfach, irgendwo Leben nachzuweisen – aber beinahe! Seit einigen Jahren sorgt nämlich in Forschungs- und Naturschutzkreisen ein Begriff namens «Umwelt-DNA» für Furore. «Diese Methode ist ein Riesentrend», sagt Rolf Holderegger, Leiter der Forschungseinheit Biodiversität und Naturschutzbiologie an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL). Die Anzahl der Untersuchungen, die damit durchgeführt wurden, ist in den letzten Jahren exponenziell gewachsen. 

Hinweise in Haut und Haaren
Und es ist kein Zufall, dass einige Forscher das Verfahren mit dem Wundergerät aus dem Star-Trek-Universum verglichen haben. «Mit der Umwelt-DNA-Methode lassen sich Arten bestimmen, ohne dass jemand sie sehen, stören oder fangen muss», erklärt Holderegger. 

Stattdessen sammeln Forscher Umweltproben aus dem Gebiet, für das sie sich interessieren – wenig Wasser oder etwas Erde zum Beispiel. Im Labor wird das darin vorhandene genetische Material herausgelöst, analysiert und anhand einer Vergleichsdatenbank einer oder mehreren Arten zugeordnet. Dabei brauchen in der Probe nicht etwa ganze Tierchen zu stecken, die für die Untersuchung zerquetscht würden: Die Methode basiert vielmehr darauf, dass alles, was lebt, ständig Erbgut an seine Umwelt abgibt – in Form von Haaren, Hautschuppen, Kot, Urin oder Speichel. «Vor 20 Jahren hätte niemand davon zu träumen gewagt, aber heute reichen solch winzige Spuren, um eine Art zu identifizieren», sagt Rolf Holderegger.

Als Startschuss für den Aufstieg der Umwelt-DNA gilt gemeinhin eine Studie aus dem Jahr 2008, bei der Forscher in Frankreich mit dieser Methode den invasiven Nordamerikanischen Ochsenfrosch nachwiesen. Auch heute noch sei die Suche nach Amphibien in Weihern und Tümpeln eines der häufigsten Einsatzgebiete der Umwelt-DNA, sagt Holder­egger. Das liegt zum einen daran, dass ein Weiher ein gut abgegrenzter Lebensraum ist – wenn man darin das Erbgut eines Tieres findet, kann man ziemlich sicher sein, dass es nicht zufällig hineingeschwemmt wurde. Zum anderen geben Amphibien über ihre feuchte Haut DNA an die Umgebung ab.

Ganz neue Möglichkeiten
Doch braucht es wirklich Hightech, um Frösche, Kröten und Molche in einem Teich zu finden? Sind die genetischen Zaubertricks der Umwelt-DNA-Methode mehr als eine Spielerei für Forscher? Durchaus, findet Robert Meier, Geschäftsleiter des Ökobüros Arnal in Herisau, der kürzlich mit Holderegger und anderen Experten eine Anleitung zum Einsatz genetischer Methoden im Naturschutz veröffentlicht hat. Als Beispiel nennt er den Nachweis des Kammmolchs, der in der Schweiz als stark gefährdet gilt. «Kammmolche leben sehr versteckt», sagt Meier, «sie bleiben oft tief im Wasser zwischen der Vegetation.» 

Selbst für ausgewiesene Amphibienkenner gestaltet sich der Nachweis dieser Art deshalb schwierig. «Vielleicht muss er ein Gebiet mehrmals absuchen, um fündig zu werden», sagt Meier. Der genetische Nachweis (oder der oft fast noch schwieriger zu erbringende Nachweis, dass eine Art an einem Ort nicht vorkommt) hingegen erfolgt rasch – und kostengünstig. Die Untersuchung einer Wasserprobe auf Amphibien-DNA koste heute in einem spezialisierten Labor ungefähr 200 Franken, sagt Meier.

Längst wird die neue Methode jedoch nicht nur in stehenden Gewässern angewandt: Vor einigen Jahren wies das Wasserforschungsinstitut Eawag im Rheinhafen Kleinhüningen in Basel mithilfe der Umwelt-DNA erstmals die invasive Quaggamuschel in der Schweiz nach. 2016 untersuchte die Eawag zudem auf diese Weise die gesamte Artenvielfalt in der Glatt, einem Fluss im Kanton Zürich. Das Resultat: In wenigen Litern Wasser fanden die Forscher mehrere Hundert Arten – von Amöben und Rädertierchen über Wasserinsekten und Bachflohkrebsen bis zu Muscheln, Fischen und Vögeln. Weil der Fluss allerdings immer neues Material anschwemmt, ist die Frage, welche Arten wirklich im untersuchten Gebiet heimisch sind, deutlich schwieriger zu beantworten als bei einem Tümpel. 

Einfacher ist da die Auswertung der vielleicht in der Öffentlichkeit bekanntesten
Anwendung der Methode: Wird auf einer Weide ein Schaf gerissen, nehmen Spezialisten eine Probe von der Wunde des Kadavers und schicken sie ins Labor, das abklärt, ob der daran klebende Speichel von einem Wolf oder von einem Hund stammt.

Bissspuren könnte man laut Rolf Holder­egger zudem auch im Wald untersuchen – um herauszufinden, ob ein Reh, ein Hirsch oder ein anderes Tier ein junges Bäumchen angeknabbert hat. Momentan laufen zu dieser Frage Pilotprojekte in der Schweiz,
erzählt er. 

Auch künftig sind Biologen gefragt
Doch obwohl weltweit immer neue Einsatzmöglichkeiten der Umwelt-DNA ausprobiert werden, warnen sowohl Holderegger als auch Meier davor, die Methode zu überschätzen. Zum einen können – wie menschliche Experten – auch die Gene einmal irren, sei es wegen Problemen im Labor oder wegen verunreinigter Proben. Zum anderen kann die Umwelt-DNA-Methode zumindest heute nur angeben, ob eine Art in einer Probe vorkommt oder nicht. Zusatzinformationen gibt sie nicht. Wie viele Kammmolche etwa sich im Teich befunden haben, bleibt unklar. Ebenso, ob es sich um adulte Tiere oder Kaulquappen handelte.

Deshalb sind sich die beiden Experten einig, dass die neue Methode nicht, wie zum Teil befürchtet, dazu führen wird, dass der Naturschutz künftig ohne Biologen auskommt. «Wir empfehlen stets ein Sowohl-als-auch», sagt Robert Meier. «Artenkenner sollten Erhebungen auf herkömmliche Weise durchführen, begleitet durch Umwelt-DNA-Untersuchungen.» Zumal es auch für die Entnahme der Proben und die Interpretation der Resultate einiges an Fachwissen braucht: «Man muss wissen, an welchen Stellen man eine Probe am besten nimmt, zu welcher Zeit – aber beispielsweise auch, dass Resultate zu den eng verwandten und sich miteinander fortpflanzenden Wasserfrosch-Arten vorsichtig beurteilt werden müssen», sagt Meier. Ganz so einfach wie bei Star Trek funktioniert die Suche nach Lebenszeichen auf der Erde also noch nicht.