Soziale Insekten
Ameisen haben den Verkehr besser im Griff als wir
Ameisenstrassen können es mit jeder Autobahn aufnehmen: Dank geschickter Verkehrsführung gibt es bei den Tieren keinen Stau, Schlaglöcher werden im Nu aufgefüllt und Stoppschilder bestehen aus Duftmolekülen.
Es ist jedes Jahr im Sommer das Gleiche: Wenn in den meisten Kantonen zeitgleich die Ferien beginnen und auch noch jede Menge Deutsche und Holländer auf dem Weg nach Süden sind, brauchen Autofahrer Geduld: Es ist Stauzeit – vor dem Gotthardtunnel, bei Bau- und Unfallstellen, oder einfach so. Und wer dann so gestresst und genervt am Steuer sitzt, der fragt sich: Sind Staus wirklich nötig? Vielleicht nicht unbedingt. Wer nämlich einmal eine Ameisenstrasse etwas näher unter die Lupe nimmt, wird feststellen, dass hier der Verkehr ständig fliesst und es auch bei hohem Verkehrsaufkommen und zahlreichen Hindernissen nur äusserst selten zu Staus kommt.
Ein belgisch-französisches Forscherteam hat mithilfe eines höchst interessanten Experiments herausgefunden, warum das so ist. Die Wissenschaftler bauten für zwei Ameisengruppen zwei Teststrecken auf. Auf der ersten Strecke errichteten sie zwischen Nest und Futterquelle eine breite Brücke. Auf der zweiten Strecke stand den Ameisen dagegen nur ein schmaler Steg zur Verfügung, auf dem sich gerade einmal zwei Ameisen nebeneinander vorbeiquetschen konnten.
Kein Bummeln und kein Drängeln
Eigentlich eine gute Voraussetzung, um einen mehr oder weniger grossen Stau zu erzeugen. Das Ergebnis dieses Versuchs war allerdings verblüffend: Beide Gruppen schafften es, in der gleichen Zeit gleich viel Futter ins Nest zu transportieren. Die Ameisen hatten ziemlich rasch herausgefunden, dass Drängeln nichts bringt. Vor der engen Brücke warteten sie stets so lange geduldig, bis die ihnen entgegenkommenden Ameisen die Brücke allesamt überquert hatten. Erst danach ging die Ameisengruppe geschlossen über die Brücke, während wiederum die Ameisen auf der anderen Seite warteten. Das ganze Verhalten erinnert stark an die bei uns Menschen üblichen Verkehrsampeln bei Baustellen, die abwechselnd Fahrzeuge nur in der einen oder nur in der anderen Fahrtrichtung durchlassen.
Zur Stauvermeidung trägt auch die Tatsache bei, dass Ameisen sich im Gegensatz zu Autofahrern mit einer weitgehend konstanten Geschwindigkeit bewegen. Da wird weder gebummelt, noch abrupt gebremst oder unnötig Gas gegeben. Und überholt wird ohne Not schon gar nicht. Stattdessen halten Ameisen stets einen angemessenen Abstand zum Vordermann ein. Die Tiere begreifen sich eben nicht als Individuen wie wir Menschen, sondern als Team. Das Wohlergehen des Staates steht deutlich über den Befindlichkeiten einer einzelnen Ameise.
Duftende Verbotsschilder
In Sachen «effektiver Verkehrsfluss» haben Ameisen aber noch mehr zu bieten: Die kleinen Krabbler arbeiten nämlich oft mit Kurzzeitbaustellen. Eigentlich könnte man sogar von «fliegenden Baustellen» sprechen. Dies kann man sehr schön bei einer tropischen Ameisenart namens Eciton burchelli beobachten. Bei dieser in Süd- und Mittelamerika verbreiteten Wanderameisenart, die sich in riesigen Heerscharen von bis zu 200 000 Individuen auf ihre berüchtigten Raubzüge begibt, ist Geschwindigkeit entscheidend. Es gilt, die Beute möglichst rasch ins Nest zu bringen, um den Nachwuchs zu versorgen.
Und dabei gilt genau wie im «richtigen» Strassenverkehr: Je ebener eine Transportstrecke ist, desto schneller kann die Ware – in diesem Fall die Beute – transportiert werden. Aus diesem Grund stopfen einige der Ameisen stets zuverlässig etwaige «Schlaglöcher» auf dem Transportweg mit dem eigenen Körper. Auf der so geglätteten Strasse kommen ihre beutetragenden Artgenossen schneller voran. Ist ein Loch für eine einzige Ameise zu gross, schliessen sich mehrere Tierchen zusammen und schliessen es sozusagen im Verbund. Haben sie ihre Aufgabe erfüllt, krabbeln die kleinen «Lückenfüller» wieder aus den Löchern und gehen auch nach Hause.
Als wäre das noch nicht genug, gibt es sogar eine Ameisenart, die ihren Verkehr mit Stoppschildern regelt: die winzige, aus Asien stammende Pharaonenameise. Zwar sind die Verkehrswarnzeichen dieser als Schädlinge gefürchteten Insekten nicht aus Aluminium und tragen auch keinen rot-weissen Aufdruck. Sie sind unsichtbar und werden aus Duftmolekülen gebildet. Doch die Funktion ist die Gleiche: Es ist seit Längerem bekannt, dass bei vielen Ameisenarten die sogenannten «Kundschafter» Duftspuren legen, um zu gewährleisten, dass auch ihre Artgenossen den Weg vom Nest zu einer ergiebigen Futterquelle sicher finden. Vor einiger Zeit haben jedoch britische Forscher herausgefunden, dass die kleinen Krabbeltiere auch Duftsignale einsetzen, die ihre Artgenossen von bestimmten Wegen fernhalten. Die «Nahrungsscouts» der Ameisen versehen an Weggabelungen jeweils jene Wegvarianten, die nicht zu einer Nahrungsquelle führen, mit einem duftenden «Zutritt-Verboten-Schild». So ersparen sie den nachfolgenden Kollegen überflüssige Wege.
Überhaupt sind Ameisen wahre Genies, wenn es darum geht, den richtigen Weg zu finden: So ist schon seit Längerem bekannt, dass Wüstenameisen bei der Rückkehr zu ihrem Nest polarisiertes Licht als Navigationshilfe verwenden und sich anhand der wechselnden Sonneneinstrahlung orientieren. Die Lichtverhältnisse liefern den kleinen Krabbeltieren allerdings nur Hinweise auf die einzuschlagende Richtung. Um in dem strukturlosen Wüstengelände die genaue Entfernung zum Nest zu bestimmen, mussten sie sich etwas anderes einfallen lassen.
Ein eingebauter Schrittzähler
Wissenschaftler der Universitäten Zürich und Ulm haben vor einiger Zeit die Lösung dieses Rätsels gefunden: Ameisen können zählen! Die cleveren Insekten messen Entfernungen nämlich mit ihren Schritten. Belegt wurde diese verblüffende Tatsache durch ein ungewöhnliches Experiment: Die Forscher verlängerten bei einer Gruppe Ameisen die Beine mit Stelzen aus Schweineborsten, sodass die Tiere längere Schritte machten als normalerweise.
Als Folge dieser künstlichen Beinverlängerung marschierten die Ameisen prompt an ihrem Ziel vorbei. Ameisen dagegen, denen ein Stück ihrer Beine amputiert worden war, begannen zu früh, ihr Nest zu suchen: Sie hatten kürzere Schritte gemacht. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass die Ameisen ihre Schritte jeweils während des Hinwegs zählen und auf dem Rückweg einfach dieselbe Anzahl in entgegengesetzter Richtung laufen, um ihren Ausgangspunkt wieder zu erreichen. Dafür, dass diese Annahme stimmt, spricht auch der weitere Verlauf des Experiments: Die manipulierten Wüstenameisen gewöhnten sich nämlich bereits nach wenigen Tagen an ihre neuen Beine und schätzten die zurückgelegte Distanz wieder richtig ein.
Im englischsprachigen Video sehen Sie, wie Ameinsen mit ihren Körpern Flösse und Brücken bauen.
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