Sichtbar wird dies vor allem bei der gegenseitigen Fellpflege: Die weitsichtigen Tiere suchen mit immer stärker ausgestreckten Armen das Fell ihres Gegenübers nach Schmutz und lästigem Ungeziefer ab, berichten Wissenschaftler aus Japan und Grossbritannien im Fachblatt «Current Biology».

Bonobos sind zusammen mit den Schimpansen unsere nächsten Verwandten. Die Beobachtung lasse deshalb vermuten, dass die altersbedingte Weitsichtigkeit tief in unserem Stammbaum verwurzelt ist, schreibt der herausgebende Verlag Cell Press in einer Mitteilung. Sie sei nicht zwangsläufig ein Ergebnis unserer digitalen Umgebung, in der viele Menschen lange Zeit des Tages etwa damit verbringen, auf Bildschirme zu starren.

Immer grösserer Abstand  
Die Forscher um Heungjin Ryu vom Primate Research Institute der Kyoto University  in Inuyama, Japan, hatten für ihre Studie Fotos von 14 freilebenden Bonobos (Pan paniscus) zwischen 11 und 45 Jahren ausgewertet, die diese beim gegenseitigen Lausen zeigte.

Die Wissenschaftler bestimmten, mit welchem Abstand die Menschenaffen jeweils das Fell des anderen bearbeiteten. Sie stellen fest, dass der Abstand mit dem Alter der Bonobos zunahm, und zwar gleichermassen bei weiblichen und männlichen Tieren.

Von einem der Tiere standen ältere Aufnahmen aus dem Jahr 2009 zur Verfügung. Diese zeigten, dass zumindest bei diesem Affen-Weibchen das Sehvermögen im Laufe der Jahre schlechter geworden war – es lauste sein Gegenüber im Jahr 2015 aus deutlich grösserer Entfernung. Die Weitsichtigkeit setze bei den wilden Bonobos rasch in ihren späten 30er bis frühen 40er Jahren ein, berichten die Forscher.

Alterung des Auges sehr ähnlich  
«Wir waren überrascht zu sehen, wie ähnlich das Muster der Bonobos dem des Menschen ist», sagt Ryu laut der Mitteilung. Das lege nahe, dass das Altern des Auges sich nicht viel verändert habe, seitdem sich die Gattungen Pan (Schimpansen und Bonobos) und Homo (Mensch) voneinander trennten, obwohl der moderne Mensch ein viel höheres Alter erreiche.

Altersweitsichtigkeit entsteht, weil die Fähigkeit des Auges zur Naheinstellung im Laufe der Jahre abnimmt. Eine Folge: Bücher oder Zeitungen müssen immer weiter vom Auge weggehalten werden, um lesen zu können. Das Problem lässt sich beim Menschen einfach durch das Tragen einer Brille lösen.

Für die Bonobos habe es möglicherweise weitreichende Folgen für das Sozialleben, erläutert Ryu. Es könne erklären, warum ältere Tiere bei der Suche nach einem Partner zur Fellpflege nicht so begehrt sind. Zudem leide infolge der Weitsichtigkeit auch die Fähigkeit, im Dunkeln zu sehen. Das könne eine grosse Herausforderung für die Tiere sein, die unter dem schattigen Blätterdach des Regenwaldes lebten.

Soziale Bindung durch Lausen  
Das gegenseitige Lausen – auch Grooming genannt – dient bei Affen nicht nur dazu, das Fell zu reinigen. Es stärkt auch den sozialen Zusammenhalt der Gruppe. An Schimpansen zeigten Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, dass sich die Partner etwa alle sieben Tage lausen. Über längere Zeiträume betrachtet, bekommen beide Tiere dabei etwa gleich viel Aufmerksamkeit vom jeweils anderen Partner.

Die Forscher zeigten auch, dass infolge des Lausens der Gehalt des so genannten Bindungshormons Oxytocin im Urin der Tiere steigt, vor allem bei vertrauten Partnern.