Das Bundesgericht wies mit vier zu eins Stimmen eine Beschwerde von sechs Personen gegen ein Urteil des Basler Verfassungsgerichts vom 15. Januar 2019 ab. Dieses hatte im Gegensatz zur Basler Regierung und dem Grossen Rat entschieden, dass die Initiative zulässig sei und ein Kanton «in Bezug auf seine eigenen Organe einen strengeren Tierschutz einführen» dürfe.

Die Volksinitiative der Denkfabrik «Sentience Politics» verlangt, dass die kantonale Verfassung mit einen Artikel für das «Recht von nichtmenschlichen Primaten auf Leben und auf körperliche und geistige Unversehrtheit» ergänzt wird. Denn die heutigen Tierschutzgesetze trügen den Interessen von nichtmenschlichen Primaten, nicht zu leiden und nicht getötet zu werden, kaum Rechnung.

Könne Primaten Grundrechte haben?
Die Beschwerdeführer argumentierten, dass die Initiative gegen Bundesrecht verstosse, weil der Tierschutz Bundessache sei. Ausserdem seien die Stimmberechtigten getäuscht worden, weil sie bei der Unterzeichnung der Unterschriftsbögen nicht auf die beschränkte Anwendbarkeit des Gesetzestextes auf kantonale und kommunale Organe aufmerksam gemacht worden seien. Da weder die Kantone noch die Gemeinden Primaten hielten, habe die Initiative praktisch keinen Anwendungsbereich.

In diesem Punkt gaben die Bundesrichter den Beschwerdeführern teilweise recht. Denn die Begründung auf dem Unterschriftsbogen vermittle den Eindruck, dass der Schutz der im Kanton lebenden Primaten bei Annahme der Initiative unmittelbar verbessert würde. Diese Versprechen könne die Initiative nicht halten. Doch das Argument könne im Vorfeld der Abstimmung von den Behörden einfach vermittelt werden. Und nur aus diesem Grund dürfe eine Initiative nicht für ungültig erklärt werden.

Eine Minderheit der Bundesrichter gab auch zu bedenken, dass Primaten lediglich Rechtsobjekte und keine Rechtssubjekte und damit nicht rechtsfähig seien. Deswegen könnten ihnen auch keine Grundrechte zugestanden werden.

Mehr Rechte zulässig
Eine Mehrheit der Bundesrichter sah das aber anders: Die Initiative verlange ja nicht, dass die Grundrechte für Menschen auf Tiere angewendet würden, sondern die Einführung eines speziellen, für nicht-menschliche Primaten geltenden Rechten.

Auch werde das Bundesgesetz nicht verletzt, weil die Kantone über den von der Bundesverfassung garantierten Schutz hinausgehen dürften. Der Initiativtext sei ausserdem so zu verstehen, dass nur die kantonalen und kommunalen Organe direkt verpflichtet würden, die Primaten zu schützen, nicht aber Private.

Es sei zudem nicht ausgeschlossen, dass der Verfassungsartikel zum Beispiel bei der Vergabe von Konzessionen oder bei der Bewilligung von Gesuchen durch den Kanton Anwendung fände. Der Initiative könne so ein Sinn beigemessen werden, der mit dem übergeordneten Recht vereinbar sei. Nach dem Grundsatz «in dubio pro populo» müsse die Initiative als gültig und die Beschwerde dagegen zurückgewiesen werden.

Initianten erfreut – Ratsbüro enttäuscht
Die Initianten zeigten sich gegenüber der Nachrichtenagentur «Keystone-SDA» «erfreut über den richtungsweisenden Entscheid» und dass das Volk in dieser wichtigen Frage das letzte Wort habe werde. Ihr Anwalt betonte ausserdem, dass vier der fünf Richter auf die indirekte Wirkung der Initiative hingewiesen hätten – zum Beispiel bei Subventionen für den Basler Zoo oder bei Tierversuchsgesuchen von privaten Medizinal- oder Forschungsanstalten.

Der Anwalt der Beschwerdeführer hingegen bedauerte, dass das Gericht den Entscheid des kantonale Verfassungsgericht nicht korrigiert hat. Ihnen sei es nicht um Fragen der Tierhaltung gegangen, sondern darum, dass Initiativen mit hinreichender Sorgfalt ausgearbeitet würden. Die Stimmberechtigten müssten darauf vertrauen können, dass der Abstimmungstext halte, was er verspreche.

Ein wesentlicher Punkt sei, dass das Bundesgericht der Initiative einen weiteren Anwendungsbereich eingeräumt habe, als das kantonale Verfassungsgericht, dass also auch eine mittelbare Auswirkung auf die Primaten nicht ausgeschlossen werden könne. Deswegen seien die Beschwerdeführer zuversichtlich, dass sich daraus eine gangbare Praxis für den Grossen Rat entwickeln lasse, wenn es um die «zukünftige Beurteilung der Gültigkeit von Initiativen» gehe.