Wenn ein männlicher Pinguin seiner Angebeteten mit seinem Schnabel ein kleines Steinchen vor die Füsse legt, kommt man unweigerlich zum Schluss: Das muss Liebe sein! Tatsächlich hat eine zoologische Studie ergeben, dass sich Pinguinweibchen ihren Artgenossen hingeben, sofern sich diese zuvor mit einem Steinchen erkenntlich gezeigt haben. Einige Weibchen erwiesen sich dabei als besonders begehrt: So zählten die Wissenschaftler bei einem Weibchen ganze 62 Steine. 

Berücksichtigt man den Lebensraum der Tiere auf den Inseln des Südpolarmeers, so erweist sich die Geste als sehr grosszügig. Denn Steine sind im vereisten Küstengebiet Mangelware und müssen mühevoll unter dicken Eisschichten hervorgepult werden. Aus­serdem sind sie wertvoll und überlebenswichtig für den Nestbau, schützen sie doch das Ei vor Frost. 

Geschenk dient einem Zweck: Sex
Eselspinguinmännchen, die ihren Weibchen Kieselsteinchen schenken, kann man auch im Vivarium des Zoo Basel beobachten. Dass es sich bei der anrührend wirkenden Geste aber tatsächlich um ein Schenken handelt, hält Fabian Schmidt, Biologe und Kurator des Vivariums, für eine «allzu menschliche Betrachtungsweise». Denn selbstlos, wie wir ein Geschenk verstehen, handeln Pinguinmännchen nicht. «Das Steinchen dient einem einzigen Zweck: Sex», sagt Schmidt. So könne man das Verhalten genauso gut wie als «Schenken» auch als Prostitution vermenschlicht interpretieren. Als Pinguin-Bordell mit dem Geschäftsmodell Steinchen gegen Sex. Und auch nachdem das Pinguinmännchen seine Angebetete erobert hat und ihr Steinchen für den Nestbau heranschafft, so tue er das ebenfalls aus bestimmten Motiven: Da in Nestern mit weniger Kieselsteinen mehr Junge sterben, sorgen eifrig schenkende Pinguinväter für einen grösseren Fortpflanzungserfolg. So bezeichnet Kurator Schmidt das «Geschenk» des Eselspinguinmännchens eher als «Umverteilung von Eigentum mit dem Zweck, einen Artgenossen zu beeinflussen und sich einen Vorteil zu verschaffen». 

Ein solches Verhalten findet sich indes nicht nur bei den Eselspinguinen. Es gibt unzählige Beispiele von «Geschenken» in der Tierwelt. Der Eisvogel beispielsweise bringt seiner Angebeteten einen frisch gefangenen Fisch mit und verbeugt sich beim Überreichen sogar vor ihr. Auch hier hofft der bunte Vogel, sich nach dieser Geste mit dem Weibchen paaren zu können. Nördliche Raubwürger wiederum präsentieren ihre Brautgeschenke recht dramatisch: Die Männchen spiessen ihre Beute, meist ein Nagetier, auf Dornen auf und kredenzen dem Weibchen damit eine Art Mäuse-Kebab, um sie von ihren Jagdkünsten zu überzeugen.

[IMG 2]

Sehr verbreitet sind solche Geschenke auch bei Spinnen. Das wohl bekannteste Beispiel ist die Listspinne, auch Brautgeschenkspinne genannt. Deren Männchen bringen den Weibchen ein eingewebtes Insekt mit. Auch hier geht es den Männchen darum, sich fortpflanzen zu können. Allerdings spielt laut Schmidt auch ein anderer Aspekt eine Rolle: «Wie viele andere Spinnen ist auch die Listspinne kannibalisch. Mit dem Mitbringsel hofft das Männchen, die Braut mit einer anderen Beute zufriedenzustellen, statt selber gefressen zu werden.»

Als Brautgeschenk ein Haus auf Zeit ...
Dass er das «Geschenk» einwebt, also gewissermassen verpackt, verschafft dem Listspinnenmännchen zusätzlich Zeit. «Ausserdem kann es auch mal statt eines Insekts bloss Pflanzenmaterial einweben und das Weibchen so täuschen», erzählt Schmidt. «Und es gibt Beobachtungen, dass die Männchen probieren, das Geschenk nach der Paarung wieder mitzunehmen, um es bei der nächsten Braut wieder zu verwenden.» 

Auch Tanzfliegen schenken ihren Bräuten einen Imbiss aus einem eingewickelten Beutetier. Bei einigen Arten aber begnügen sich die Männchen mit Zweigstücken oder anderen ungeniessbaren Pflanzenteilen als Geschenkattrappe. Trotzdem kommen die Männchen mit den wertlosen Geschenken zum Zuge. Offenbar sind Tanzfliegenweibchen besonders anspruchslos – oder das Geschenk ist zum leeren Ritual gekommen.

Da geht es bei den Rollwespen durchaus romantischer zu und her. Um die flügellosen und daher flugunfähigen Weibchen von sich zu überzeugen, tragen die Männchen ihre Angebetete von Blüte zu Blüte, um sie vom Nektar naschen zu lassen. 

Statt mit Gegenständen zu gefallen, lassen sich andere Tiere teilweise ganz schön was einfallen. Biologe Schmidt nennt hier etwa den Dreistacheligen Stichling, eine Fischart, die ebenfalls im Vivarium zu sehen ist. Um Weibchen für sich zu gewinnen, bauen Stichlingsmännchen ihnen ein ganzes Haus: eine röhrenartige Nistlaube aus Wasserpflanzenteilen, kunstvoll mit einem Nierensekret zusammenklebt. «Das Weibchen kriegt das Haus jedoch nur auf Zeit», fügt Schmidt an. «Sobald sie das Nest betreten und ihren Teil der Eier abgelegt hat, muss sie Platz machen für das nächste Weibchen.» Das Männchen will seine Brut alleine aufziehen. Die aufwendig gebauten Nistlauben des Dreistachligen Stichlings sind übrigens von Ende Februar bis Ende April im Vivarium zu bestaunen. 

[IMG 3]

... oder gleich ein ganzer Liebespavillon
Wahre Baukünstler sind auch Laubenvogelmännchen. Sie bauen ihrer Liebsten nicht nur einen regelrechten Liebespavillon aus Zweigen, sondern schmücken diesen ausserdem mit allerlei Gegenständen. Dabei achten die Vögel auf eine einheitliche Farbe ihrer Laubendekoration. «Besonders dankbar ist Weiss, weil es da mit Knochen, Steinen und Schneckenschalen viele passende Dekoelemente gibt», sagt Schmidt. Auch Früchte werden gerne verwendet, da es die auch in verschiedenen Farben gibt. Neben natürlichen Gegenständen bauen sie durch die zunehmende Vermüllung der Umwelt auch Abfallprodukte wie Flaschendeckel oder Bonbonpapier in ihre Liebesbauten ein. Immer in der Hoffnung, ein Weibchen damit zu beeindrucken.

Etwas einfacher macht es sich der Bitterling, eine einheimische Fischart, die auch im Vivarium des Zoo Basel zu sehen ist. Das Männchen sucht sich eine möglichst grosse Teichmuschel und bietet diese dem Weibchen als Brutplatz an. «Die Muschel dient quasi als lebender Brutapparat, den das Bitterlingsmännchen versklavt hat und verschenkt», bringt es Schmidt auf den Punkt. Auch hier ist das Weibchen nach getanem Legen der Eier unerwünscht und das Geschenk daher nur geliehen. 

Diese und weitere Beispiele zeigen, dass «Geschenke» im Tierreich immer einen praktischen Nutzen haben. Im Vergleich dazu, was wir Menschen unter Geschenken verstehen, fehlt ausserdem das Element der Überraschung. «Das Weibchen weiss genau, was es kriegt und erwartet das auch», sagt Schmidt. Dadurch haben die Männer im Tierreich den Menschen etwas voraus: Sie sind vor Fehlgeschenken gefeit.