D er Stiftungsrat der Schwanenkolonie kündigte die Schliessung an, da die Stadt Biel ihre Beiträge nicht mehr bezahlen wollte. «Ohne Zuschüsse der Stadt wird es schwierig, die Schwanenkolonie zu betreiben», sagt Daniel Andres. Als der Bieler Organist, Buchautor und Musikkritiker von der Schliessung las, war für ihn klar, dass er sich für die Schwanenkolonie einsetzen wird. 

Mit voller Kraft verhandeln Andres und die sehr initiative Anke Jung nun mit Politikern. Er sagt: «Ich will sie von der Schwanenkolonie überzeugen. So haben wir gute Chancen, dass bei der Budgetabstimmung im Oktober plötzlich doch noch eine Mehrheit dafür stimmt.» Obwohl der Betrieb einer öffentlichen Voliere und Auffangstation eigentlich nicht von politischen Gesinnungen abhängig sein sollte, ist es derzeit doch so, dass linke Politiker für den Fortbestand sind und bürgerliche eher dagegen. Doch es gibt Ausnahmen. Wenn es gelingt, eine Anzahl bürgerliche Politiker von der Wichtigkeit der Schwanenkolonie zu überzeugen, dann kann sie gerettet werden. «Die Stadt wird uns aber sicher nicht mehr mit 120 000 Franken jährlich unterstützen», sagt Daniel Andres und hat darum für die nächsten sieben Jahre einen Businessplan ausgearbeitet. «Stiftungen und Privatpersonen verpflichten sich, jährlich einen Betrag zu spenden. Gerade heute wieder sind solche Briefe eingetroffen.» 

Solidarität der Bevölkerung
Zusammen mit etlichen Mitstreiterinnen und Mitstreitern hat er Anfang Juli den Verein «Pro Schwanenkolonie Biel» gegründet, der sich für die Mittelbeschaffung einsetzt. Bielerinnen und Bieler unterstützen die Schwanenkolonie mehrheitlich mit 100 bis 200 Franken jährlich. Die Solidarität und damit auch die Empörung über den Sparentscheid der Stadtpolitiker sind bei der Bevölkerung gross. Es sieht nun ganz so aus, dass der Betrieb bis Ende Jahr sichergestellt ist. Dass ein Betrieb auch für die kommenden Jahre möglich ist, dafür sind nun die Stadt und private Spender zuständig. «Wenn uns die Stadt weiterhin mit 40 000 Franken unterstützt, dann schaffen wir es», meint Andres. 

Ein grosser, schlanker Mann schliesst die Türe zu einem angrenzenden Gebäude auf. Dort piepsen viele Jungvögel, hungrige Schnäbel sperren sich auf und betteln um Futter. René Kramer betreut seit acht Jahren die Vögel der Schwanenkolonie und sagt: «Jetzt bei dieser Hitze fallen zahlreiche Mauersegler aus ihren Nestern. Sie haben zu heiss. Etliche werden von besorgten Passanten gebracht.» 

Der Idealist Kramer füttert die Jungen mit Heimchen. Damit sie Flüssigkeit aufnehmen, reicht er ihnen in Wasser eingeweichte Beo­perlen als Ergänzung. Unter den Jungvögeln befindet sich auch ein junger Alpensegler. Diese Segler verbringen ihr ganzes Leben in der Luft. Sie sitzen nie auf Bäumen und landen nicht am Boden. Wie wildert er diese delikaten Vögel, die mit ihren Rufen in Häuserschluchten von Städten typische Boten des Sommers sind, wieder aus? Der Experte sagt: «Wenn Mauersegler um die 28 Gramm wiegen, sind sie selbst­ständig. Am Abend oder Morgen, wenn die Altvögel um die Stadtkirche fliegen, begebe ich mich mit ihnen hangaufwärts. Ich setze sie auf die flache Hand, sie krabbeln nach vorne und schwingen sich dann in die Luft. Nie darf man einen Mauersegler in die Luft werfen. Er muss selbstständig abfliegen.» Kramer zieht auch junge Meisen und Goldhähnchen auf. «Alles, was die Leute bringen», sagt er. Als Futter verwendet er für sie auch Getreideschimmelkäfer. 

Eine Babyklappe für Vögel
Die Schwanenkolonie erfüllt gerade auch als Anlaufstelle für die Bevölkerung und als Aufzuchtstätte für junge oder verletzte Wildvögel eine wichtige Funktion. Darüber ist auch Daniel Trachsel, Wildhüter, froh. Das Gebiet, das er betreut, reicht vom Berner Jura bis zum Wohlensee. Er sagt: «Die Schwanenkolonie ist ein wichtiges Zwischendepot. Junge Entchen, deren Mutter gestorben ist, werden hier von der Bevölkerung abgegeben. Ich transportiere sie dann in die Stiftung Wildstation im Schloss Landshut, wo sie aufgezogen werden. Später wildere ich sie an geeigneten Stellen aus.» Der Wildhüter richtete mit dem vormaligen Betreuer der Schwanenkolonie, John Bauder, auch eine Vogelklappe ein. «Was für Babys funktioniert, soll auch für Vögel klappen», meint er. 

Da weder ein Tierarzt noch die Polizei rund um die Uhr offen haben, können besorgte Passanten Wildvögel in diese Klappe legen. René Kramer kontrolliert sie am Morgen zuerst und nimmt sich der Patienten an. Der Wildhüter Trachsel sagt: «Viele Städte haben für verletzte und verwaiste Wildvögel eine Anlaufstelle. Eigentlich gehört dies in die Verantwortung einer Stadt. So wäre es wichtig, dass auch Biel diesem Auftrag weiterhin nachkommen würde. In meinem grossen Gebiet kann ich nicht überall gleichzeitig sein. Die Schwanenkolonie ist darum für mich eine wichtige Entlastung.» 

Wellensittiche plaudern, Nymphensittiche rufen und zwei Grosse Alexandersittiche ruhen sich auf einem Ast in der Höhe aus. Passanten, die dem Flüsschen Schüss entlang­spazieren, erfreuen sich seit 120 Jahren an verschiedenen exotischen Vögeln in den fünf sehr vorbildlich eingerichteten, sauber gehaltenen und grossen Volieren der Schwanenkolonie. Kramer, der oft auch noch spät am Abend nochmals bei seinen Vögeln vorbeikommt, sagt: «Wir züchten nicht, sondern wir wollen den Vögeln, die nicht mehr gehalten werden können, gute Lebensbedingungen ermöglichen.» 

Viele Exoten und Schwarze Schwäne
Immer wieder platzieren auch die Behörden beschlagnahmte Vögel, wie etwa drei Augenringsperlingspapageien. Antonio Polimeno, bekannter Papageienzüchter aus der Region, sagt: «Ich bin hier in der Nähe der Schwanenkolonie aufgewachsen. Die bunten Vögel in den Volieren haben mich als Kind fasziniert und geprägt. Hier kam ich einst zu meinen ersten Wellensittichen. Die Schwanenkolonie gehört zu Biel wie der Bärengraben zu Bern. Sie darf nicht verschwinden!» 

Pro Schwanenkolonie
Um die Schwanenkolonie doch noch zu retten, hat der am 7. Juli gegründete Verein «Pro Schwanenkolonie / Colonie des Cygnes Biel/Bienne» mit dem Stiftungsrat Folgendes vereinbart:

- Er stellt per Januar 2016 drei Kandidaten für neue Stiftungsratsmitglieder.

- Er organisiert 10'000 Franken, um den Fehlbetrag für 2015 zu decken.

- Er bemüht sich um Gönnerzusagen und Sponsoringbeiträge in der Höhe von 120 000 Franken für 2016.

- Er formuliert einen Finanzierungsplan, der eine Deckung der Betriebskosten für die nächsten Jahre garantieren kann.

Spendenkonto: Stiftung Schwanenkolonie; PF 1208; 2502 Biel; Postkonto 25-30-9, IBAN CH74 0900 0000 2500 0030 9

www.schwanenkolonie-biel.ch

Biel ist eine grosse Stadt. Es ist erwiesen, dass Tierhaltungen zu geringerem kriminellem Aufkommen beitragen. Das hat schon Zoologe und Zoodirektor Heini Hediger (1908–1992) festgestellt. Er war Berater beim Bau des Zoos von São Paulo in Brasilien, denn als diese Stadt immer mehr wuchs, merkten die Behörden, dass die Bevölkerung eines Notausgangs zur Natur bedarf. 

Die Schwanenkolonie in Biel ist gleich in mehrfacher Hinsicht unverzichtbar: Sie dient als Anlauf- und Informationsstelle für die Bevölkerung, sie pflegt und zieht Wildvögel auf, sie nimmt unerwünschte exotische Vögel auf und sie schafft Kontaktmöglichkeiten zwischen Stadtbewohnern und Tieren. Wie wenn er sich ob der desolaten Situation in Trauerkleidung geworfen hätte,  schwimmt ein Schwarzer Schwan vor der alteingesessenen Institution durch. Wenn es diesem Australier nicht gelingt, auch noch die letzten Zweifler und Sparer der Stadtpolitiker umzustimmen! Die Bevölkerung ist schon längst auf seiner Seite.