Mit Besuchern ist es so eine Sache: Manche erwartet man sehnsüchtig, bei anderen hofft man, dass sie den Weg nicht finden. Manche stehen pünktlich wie ein Schweizer Uhrwerk an der Tür, andere lassen auf sich warten. Manche haben kaum Zeit für einen Schwatz, andere bringt man kaum mehr aus dem Haus.
Die Asiatische Hornisse verspricht ein Besucher der unangenehmen Sorte zu werden. Einer, den niemand will und der sich kaum je wieder vertreiben lässt. Ihre Ankunft in der Schweiz überrascht aber Fachleute nicht. «Wir sind fast etwas erstaunt, dass sie nicht schon früher aufgetaucht ist», sagt Lukas Seehausen, der am internationalen Forschungsinstitut Cabi in Delsberg JU ein Projekt zur Bekämpfung der Asiatischen Hornisse leitet.

Wie viele andere Arten wurde auch dieses Insekt durch den internationalen Handel von Asien nach Europa verschleppt. Erstmals auf unserem Kontinent gesichtet hat man Vespa velutina, wie die Asiatische Hornisse mit wissenschaftlichem Namen heisst, 2004 im Südwesten Frankreichs. Von da breitete sie sich über ganz Frankreich aus – schon 2014 gab es erste Funde in Deutschland und auch in Norditalien macht sich der Fremdling breit.

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Hornissen unterscheidenDie Asiatische Hornisse (Bild links) von der Europäischen Hornisse (rechts) zu unterscheiden, ist nicht ganz einfach. Die eingeschleppte Art ist jedoch etwas kleiner und hat eine schwarze Brust und einen schwarzen Hinterleib mit gelben Streifen. Die Europäische Hornisse hingegen hat eine rotbraune Brust und einen gelben Hinterleib mit schwarzen Punkten und Streifen. Die Kopf­vorderseite ist bei der Asiatischen Hornisse schwarz und orange gefärbt, bei der Europäischen Hornisse rotbraun und gelb. Beiden gemein ist, dass sie sich gegenüber Menschen grundsätzlich nicht aggressiv verhalten und nur im Notfall stechen. Der Stich beider Arten ist nicht giftiger als ein Bienenstich, aber wie dieser für Allergiker gefährlich.

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Die Schweiz hingegen blieb lange verschont: Im April 2017 wurde in Fregiécourt im Kanton Jura eine einzelne Königin gefangen. Danach blieb es über zwei Jahre ruhig. Doch nun scheint der Eindringling ernst zu machen: Im Dezember letzten Jahres wurde in Mont-sur-Rolle im Kanton Waadt ein kleines Nest entdeckt – und diesen Sommer und Herbst schreckten gleich mehrere Funde die Behörden auf. Und die Imker.

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Honigbienen als Larvenfutter
Gefürchtet ist die Asiatische Hornisse nämlich vor allem ihrer Futtervorlieben wegen. Wie unsere einheimische Hornisse, und wie die meisten Faltenwespenarten, ernährt sie ihre Larven mit tierischer Kost. Sie erbeutet diverse Insektenarten, und könnte deshalb die Biodiversität gefährden. Ganz besonders hat sie es aber auf Honigbienen abgesehen. «Die Asiatische Hornisse ist ein hervorragender Flieger», sagt Lukas Seehausen. «Sie kann in der Luft vor einem Bienenstock stehen bleiben, darauf warten, dass Bienen ausfliegen, und sie dann packen.» In Frankreich habe man schon beobachtet, wie 30 Hornissen so vor einem Bienenstock lauerten. Zwar glaube er nicht, dass die Asiatische Hornisse alleine die Honigbiene vernichten könne, sagt Seehausen. «Aber durch die Varroa-Milbe und Insektizide sind Bienenvölker vielerorts bereits gestresst. Da kann ein neuer Feind verheerende Folgen haben.»

Als diesen Herbst im Eaux-Vives-Quartier in der Stadt Genf mehrere Angriffe von Asiatischen Hornissen auf Bienenstöcke beobachtet wurden, handelten die Behörden deshalb rasch. Weil die Asiatische Hornisse oft hoch oben in Bäumen nistet, war es allerdings schwierig das Nest zu finden. In Genf probierte ein Team von Experten, dem auch Lukas Seehausen angehörte, deshalb zum ersten Mal überhaupt in der Schweiz winzige Telemetrie-Sender bei Hornissen aus: Man fing einige Arbeiterinnen und befestigte ihnen einen winzigen, lediglich 0,3 Gramm schweren Sender an der Taille. Durch Nachverfolgung dieser Sender gelang es, zwei Nester ausfindig zu machen und zu zerstören: eines in einer Linde in Eaux-Vives in 23 Metern Höhe, und eines in einem Ahorn in Chambésy in ungefähr zehn Metern Höhe.

Zum Schutz ein Gitter vors Flugloch
Fast zur gleichen Zeit entdeckte ein Imker in der Gemeinde Le Noirmont in den jurassischen Freibergen Hornissen, die seine Bienen angriffen. Auch hier setzte Seehausen auf die Mikrosender-Methode. «Wir konnten zwei Hornissen fangen und besendern», erzählt er. Die anschliessende Ortung führte in einen Wald an der Grenze zu Frankreich. Unter einer Esche fand der Forscher schliesslich einen der Sender, dessen sich die Hornisse entledigt hatte. In diesem Baum hatte das Hornissenvolk sein Nest errichtet. «Allerdings befand es sich in ungefähr 35 Metern Höhe und wir konnten es nur eindeutig identifizieren, weil jemand zufälligerweise eine Fotokamera mit Teleobjektiv dabei hatte», erzählt Seehausen.

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Für die Zerstörung des Nests mussten die Forscher einen Kletterspezialisten aufbieten. Dieser ging an einem frühen Morgen zu Werke. «Das Wetter kam uns entgegen», sagt Seehausen. «Es war kaum mehr als null Grad warm, bei solchen Temperaturen bleiben die Hornissen im Nest.» Bewaffnet mit einem Insektengift stieg der Kletterer auf den Baum, tötete die Hornissen und holte das leere Nest herunter.

Solch aufwendige Aktionen könnten den Vormarsch der Asiatischen Hornisse zwar verlangsamen, sagt Seehausen. Dass der Eindringling auf die Dauer von der Schweiz ferngehalten werden kann, glaube er aber nicht. «Was wir dieses Jahr sehen, ist erst der Anfang.» Dafür sprechen auch weitere Funde: In Genf gibt es laut dem Forscher Hinweise auf ein drittes Nest – und in der Zwischenzeit wurden auch im Bleniotal im Tessin und in Coeuve im Kanton Jura je eine einzelne Hornisse gefunden.

Was also tun? Der Bienengesundheitsdienst rät Imkern, die Fluglöcher von Bienenstöcken mit einem Gitter zu schützen, durch das Bienen hindurchschlüpfen können, die Asiatische Hornisse aber nicht. Zudem gebe es in Frankreich Forschungsgruppen, die untersuchten, ob sich die Hornisse mit Pilzen oder mittels Pheromonfallen bekämpfen lässt, sagt Seehausen. Marktreif ist aber keine solche Methode. In der Zwischenzeit bleibt das Vernichten von Nestern die wichtigste Bekämpfungsmethode – auch wenn man dafür zuweilen in die höchsten Baumwipfel klettern muss.