Wildruhezonen
Damit beim Ski Heil auch das Wild heil bleibt
Piste betreiben, ohne den Wildtieren allzu viel Schaden zuzufügen – wenn die Sportler deren Bedürfnisse kennen und respektieren. Besonders wertvoll sind Wildruhezonen.
Kein Alpenland ist so gut erschlossen wie das unsere. In jedes noch so abgelegene Bergdorf führt eine Strasse, und das Netz an Berghütten des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) ist so dicht, dass jeder Berg innert eines Tages erreichbar ist. Das ist für uns Menschen bequem. Für Wildtiere aber bedeutet es, dass sie auch im Winter damit rechnen müssen, aufgescheucht zu werden.
Damit den Tieren zumindest einige Rückzugsgebiete bleiben, haben die Schweizer Behörden vor einiger Zeit damit begonnen, sogenannte Wildruhezonen und Wildschutzgebiete zu errichten. Hier sind Wildtiere vor Störungen sicher. «Die verbindlichen Ruhezonen machen heute rund vier Prozent des Schweizer Alpenraums aus», sagt Thomas Gerner, der beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) für die Wildruhezonen zuständig ist. In diesen Zonen ist Wintersport grundsätzlich verboten, bewegen dürfen sich Touristen einzig auf Strassen und Wegen, die durch das Gebiet führen.
Neben den rechtsverbindlichen Wildruhezonen gibt es eidgenössische Jagdbanngebiete und weitere Wildschutzgebiete, in denen sich Wintersportler ebenfalls nur auf markierten Routen bewegen dürfen. Dazu kommen empfohlene Wildruhezonen, wo keine Bussen und Anzeigen drohen, die Wintersportler aber um Rücksicht gebeten werden, sowie private Naturschutzgebiete, etwa von Pro Natura.
Die Ruhe, die sie in solchen Gebieten finden, kann für Wildtiere überlebenswichtig sein. Das Nahrungsangebot im Winter ist verschwindend klein, viele Futterquellen sind unzugänglich, da von tiefem Schnee bedeckt. So bleiben den Tieren gerade in den Bergen nur die Fettreserven, die sie sich angefressen haben. Damit diese reichen bis im Frühjahr, suchen sie sich geschützte Plätzchen und bewegen sich so wenig wie möglich.
Störung im Winter kann tödlich enden
So gräbt sich das Alpenschneehuhn eine Höhle im Schnee, in der es vor Wind geschützt ist und die Temperatur ungefähr bei null Grad bleibt, auch wenn das Thermometer ausserhalb weiter fällt. Auch Huftiere wie Rehe und Gämsen legen sich gerne in windgeschützte Mulden. Diese Plätzchen verlassen sie nur, wenn äusserste Gefahr droht, also wenn ein Feind naht – oder ein vermeintlicher Feind in Form eines Wintersportlers. Der Puls des Tieres schnellt in die Höhe, der ganze Stoffwechsel wird hochgefahren, um die beschwerliche Flucht durch den Tiefschnee zu ermöglichen. Eine solche Anstrengung kostet Energie, gibt Hunger, und wenn keine Nahrung zu finden ist, kann sie schon mal zum Tod des Tieres durch Erschöpfung führen.
Verantwortlich für die Wildruhezonen sind die Kantone. Entsprechend gross sind die Unterschiede: Während es in Graubünden 244 rechtsverbindliche Ruhezonen gibt, hat der Kanton Freiburg gerade mal eine und die Waadt noch keine. «In Kantonen wie Graubünden, wo die Planung weit fortgeschritten ist, bleibt die Anzahl Wildruhezonen ungefähr konstant», sagt Gerner, der den Kantonen beratend zur Seite steht. «In der Romandie werden aber neue Zonen dazukommen.»
Die Initiative dazu gehe meist von lokalen Jägern, Wildhütern oder auch Naturschützern aus, die etwa beobachten, dass Freizeitaktivitäten ein Ausmass annehmen, das für Wildtiere problematisch wird. Anschliessend wird die Situation in der Regel von Wildtierbiologen begutachtet, bevor entschieden wird, ob tatsächlich eine Wildruhezone festgelegt und signalisiert wird.
Wildtiere sind auf Rücksicht angewiesen
Dabei treffen unter Umständen verschiedene Interessen aufeinander. Als der Kanton Wallis 2014 zwei bei Freeridern beliebte Gebiete sperrte, ohne zuvor mit den Bergführern und der lokalen Sektion des SAC Rücksprache zu halten, zogen diese mit einer Beschwerde bis vor Bundesgericht – und wurden abgeschmettert. Trotzdem will der Kanton Wallis künftig die Bergsportverbände in die Planung der Wildruhezonen einbeziehen, wie die Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere im vergangenen Dezember bekannt gab.
Laut Thomas Gerner kann das Einrichten von Wildruhezonen gut klappen, wenn der Tourismus frühzeitig einbezogen wird, wie dies in Graubünden der Fall war. Das bestätigt auch Francestg Cajacob, Gemeindepräsident von Disentis, wo es im Sommer wiederholt Ärger zwischen Gleitschirmfliegern und der Wildhut gab: «Im Winter gibt es kaum Konflikte. Die meisten Wildruhezonen liegen nicht direkt neben Skigebieten, sodass die Wintersportler noch immer genügend Platz finden für ihre Aktivitäten.»
Das BAFU und der SAC haben 2010 gemeinsam eine Kampagne namens «Respektiere deine Grenzen» gestartet, in welcher sie Wintersportler für die Bedürfnisse der Tiere sensibilisieren. «Wildruhezonen und Wildschutzgebiete beachten», fordert die erste Regel der Kampagne. Doch auch ausserhalb dieser Zonen sind Wildtiere wie Gämsen, Rehe und die in der Schweiz stark gefährdeten Auerhühner auf Rücksicht angewiesen, um einen harten Winter zu überleben. Denn winterliche Freizeitaktivitäten abseits der Piste sind beliebter denn je. Reto Solèr, Leiter der Kampagne: «Früher hatten es die Wildtiere mit vergleichsweise wenig Skitourengängern zu tun. Doch Skitouren haben einen Boom erlebt, Freeriden hat stark zugenommen und auch Schneeschuhlaufen liegt seit über zehn Jahren ungebrochen im Trend.»
Hunde gehören an die Leine
Ziel der Kampagne ist es, den Wintersportlern ein Verhalten nahezulegen, das mit den Bedürfnissen der Wildtiere verträglich ist. Das ist durchaus möglich, denn Menschen haben nicht unbedingt die gleichen Vorlieben wie Wildtiere. Eine grosse, weisse, unberührte Fläche, der Traum jedes Freeriders, ist für die Tiere wenig attraktiv. Sie verstecken sich lieber im Wald, am Waldrand oder wo es felsig und schneefrei ist. «Im Wald auf Wegen und bezeichneten Routen bleiben» und «Waldränder und schneefreie Flächen meiden» lauten deshalb die Regeln Nummer zwei und drei aus der Kampagne. Denn wenn die Menschen immer dieselben Wege benutzen, können sich die Tiere daran gewöhnen. Hunde hingegen bleiben unberechenbar, deshalb die vierte Regel: «Hunde an der Leine führen – insbesondere im Wald».
Bleibt die Frage, ob es denn für die Natur vielleicht besser wäre, wenn alle Wintersportler konsequent auf den Pisten blieben. Doch das will Thomas Gerner vom BAFU nicht so generalisieren: «Wintersportler sollen auch abseits der Pisten ihren Platz haben. Wichtig ist aber, dass sie sich dort an die Regeln zugunsten der Wildtiere halten.» Meist klappt dies auch ganz gut – denn oft bewegen sich ja genau jene Menschen in den Lebensräumen der Tiere, welche die Natur lieben.
Weitere Informationen gibt es bei www.respektiere-deine-grenzen.ch und www.wildruhezonen.ch.
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