Haiforscher Erich Ritter
«Dann sprang ich ins Wasser und schaute, was passiert»
Der Zürcher Erich Ritter ist einer der bekanntesten Haiforscher der Welt. Er zeigt Tauchern, wie sie sich Haien nähern können. Vieles davon hat er selber ausprobiert und dabei nicht nur angenehme Erfahrungen gemacht.
Erich Ritter hat eine Gemeinsamkeit mit Haien: Neugier. Bei den Haien führt diese Eigenschaft dazu, dass sie unbekannte Geräusch- und Geruchsquellen – etwa einen Surfer auf seinem Brett – aufsuchen und vielleicht gar berühren. Und bei Ritter führt die Neugier dazu, dass er seit über 30 Jahren Haie aufsucht, sie beobachtet und zu ihnen ins Wasser steigt, sodass er die Raubtiere inzwischen so gut kennt wie vielleicht weltweit kein anderer Mensch.
«Was wir in den Anfängen gemacht haben, war zum Teil hirnrissig», sagt der Biologe. «Wir haben die Haie nachts mit Futter angelockt und gingen ohne Lampe zu ihnen ins Wasser.» Heute tue er das nicht mehr, erzählt er jeweils in seinen Vorträgen. Heute habe er dazu Freiwillige.
Das ist natürlich ein Scherz. Doch die Freiwilligen gibt es tatsächlich, Studenten und Doktoranden aus der ganzen Welt, die es in Ritters Forschungszentrum auf den Bahamas zieht. Aber erstens weiss er inzwischen ziemlich genau, was im Wasser passieren wird und was nicht – einen Unfall mit Freiwilligen kann er sich auf keinen Fall leisten. Und zweitens lässt er es sich gewiss nicht nehmen, selber zu den Haien ins Wasser zu steigen, sei es zu Forschungszwecken oder einfach zum Vergnügen. «Unter Haien fühle ich mich viel besser als unter Menschen», sagt er.
Auf den Spuren von Doktor Dolittle
Mit seinem Leben unter Haien hat sich Ritter seinen Kindheitstraum erfüllt. Diese Tiere faszinieren ihn, seit er als Siebenjähriger eine Haidoku am Fernseher sah. Schon damals irritierte ihn, dass die Erklärungen des Moderators nicht mit dem übereinstimmten, was er vor Augen hatte. Da schien ihm ein Kinderbuch, das er mit zehn las, glaubwürdiger: die Geschichte von Doktor Dolittle, der mit Tieren sprechen kann. Mit zwölf nannte er den Eltern dann seinen Berufswunsch, Hai-doktor.
Zielstrebig ging er ans Gymnasium, studierte Biologie an der Uni Zürich und schrieb seine Diplomarbeit tatsächlich über Katzenhaie. Die Doktorarbeit handelte dann allerdings vom Verhalten der heimischen Flussbarsche. Das Fachgebiet, das ihn wirklich interessierte – die Verhaltensforschung an Haien – existierte schlicht noch nicht. Kein Wunder also, konnten die damaligen Moderatoren von Tiersendungen nicht mit fundiertem Wissen aufwarten.
Erich Ritter entschied sich, den unrealistischen Schreckensbildern, die seit dem Kinoerfolg des Films «Der Weisse Hai» endgültig in den Köpfen der Bevölkerung verankert waren, keinen Glauben zu schenken und seine eigenen Erfahrungen zu sammeln. «Ich bin nach Südafrika gefahren, habe Weisse Haie angelockt, bin ins Wasser gesprungen und habe geschaut, was passiert», sagt er.
Eines seiner wichtigsten Ziele war – und ist es bis heute – herauszufinden, wann Haie beissen und vor allem, wie sich Bisse vermeiden lassen. Das Wissen kommt nicht nur den Menschen zugute, sondern noch mehr den Haien. Denn je weniger Bisse, desto besser ist der Ruf der Haie – und desto besser lassen sie sich schützen, worum es Ritter letzten Endes geht.
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Haiforscher Erich Ritter im Labor. Bild: zVg |
Plötzlich war die halbe Wade weg
Das macht der 57-Jährige auch an seinen Vorträgen deutlich. So im Januar in Steffisburg bei Thun, wo er die Bühne in einem T-Shirt der Meeresschutzorganisation Sea Shepherd betritt. Es sprudelt nur so aus ihm hinaus, er erzählt von süssen und frustrierten Haien und von dummen Menschen wie demjenigen, der mit Fleisch in der Hand einen Hai für ein Selfie anlockte und prompt im Genitalbereich gebissen wurde. Mitleid zeigt Ritter in diesem Fall keines, doch mit demselben Humor berichtet er von seinem eigenen Unfall: Als er ein paarungswilliges Weibchen filmen wollte, wurde er von hinten am Kopf gepackt und geschüttelt – erst dann bemerkte er, dass die Männchen Schlange standen.
«Wenn du herausfinden willst, wann ein Hai beisst, wirst du gebissen», sagt Erich Ritter. Bei ihm waren nebst dem Kopf auch schon die Waden, die Hände, der Rücken betroffen, aber das waren nicht richtige Bisse – er spricht von Schnappen, wie man es bei Hunden in vergleichbaren Situationen sagen würde. «Hunde beissen meistens härter», erklärt er am Vortrag dem Publikum, er habe da Erfahrungen gesammelt, als er als Jugendlicher jeweils Blumen aus der Gärtnerei der Eltern ausgetragen habe.
Der eine Unfall mit einem Bullenhai im Jahr 2002 aber war mehr als ein Schnappen. Für eine Fernsehreportage stand Ritter im Wasser, als sich von hinten der Hai näherte. «Der Aufpasser, der mich hätte warnen sollen, machte seinen Job nicht», erzählt Ritter. Und plötzlich war die halbe Wade weg. Um ein Haar wäre Erich Ritter verblutet, er vermutet, dass er nur dank seiner guten körperlichen Kondition überlebte – er hatte in dieser Zeit für einen doppelten Ironman-Triathlon trainiert. Drei Monate später stieg er wieder zu Haien ins Wasser, doch ein leichtes Hinken erinnert bis heute an den Unfall.
Während er sich als Forscher immer wieder in heikle Situationen begibt, bringt er interessierten Menschen – grösstenteils Tauchern – in Kursen bei, wie sie Haien begegnen können, ohne gebissen zu werden. SharkSchool heisst die Organisation, unter deren Namen er den Kursteilnehmern in Destinationen wie den Bahamas, Südafrika oder den Malediven beibringt, wie sie sich in der Nähe von Haien verhalten sollen. Er hat ein Set von einfachen Regeln entwickelt, die nach seinen Erfahrungen mit allen Haiarten funktionieren, zum Beispiel vertikal im Wasser zu bleiben und nicht mit den Beinen zu strampeln. Mit der SharkSchool finanziert er zum Teil auch seine Forschung quer.
Vertikal bleiben und nicht strampeln
Seine Aussagen über das Verhalten der Haie, die dem früheren Halbwissen über die Gefährlichkeit dieser Tiere widersprachen, kamen bei anderen Wissenschaftlern anfangs nicht gut an. Inzwischen hat der Widerstand aber nachgelassen. Ritter ist von der Universität West Florida angestellt, über die er auch seine Ergebnisse publiziert, meist gemeinsam mit einem Statistiker. Vorlesungen gibt er aber wenige, überhaupt hält er sich nur etwa drei Monate im Jahr in seinem Wohnort Pensacola in Florida auf.
Den Rest des Jahres ist er irgendwo im Meer am Kursegeben oder auf den Bahamas am Forschen. Dass er für die Feldforschung diesen Standort wählte, hat einen einfachen Grund: die lockeren Vorschriften bezüglich Haftpflicht. In den USA wäre es unmöglich, Studenten zu Haien ins Wasser zu lassen.
Künftig möchte sich Ritter weniger den Kursen und stärker der Forschung widmen. Aktuell betreut er die Doktorarbeit eines seiner engsten Mitarbeiter, der untersucht, wie es sich auf das Verhalten der Haie auswirkt, wenn ein Mensch gestresst ist. Dazu haben die beiden eine Methode ausgearbeitet, um Probanden künstlich zu stressen.
Erich Ritters Spezialität ist aber im Grunde genommen genau das Gegenteil. Wer sich seinen Vortrag anhört und mit ihm spricht, hat am Ende weniger Angst vor einer Begegnung mit Haien. Und beginnt zu spüren, dass sich die Sprache der Haie ebenso lernen lässt wie diejenigen von Hunden und Katzen.
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