Seeadler
Der König der Lüfte trainiert für seine Rückkehr
Jacques-Olivier Travers hat ein grosses Ziel vor Augen: Mit dem Artenschutzprojekt «Freedom» soll der Seeadler wieder in Mitteleuropa angesiedelt werden. Dafür schlüpft Travers in die Rolle des Adlervaters.
Die Spannung steigt. Auf dem Dach des Zürcher Einkaufszentrums Sihlcity steht der Seeadler Fletcher bereits in den Startlöchern. Unten wartet Jacques-Olivier Travers mit ausgestrecktem Arm samt dickem Lederhandschuh auf seinen Greifvogel. Dann ist es endlich so weit. Im Sturzflug steuert Fletcher auf Travers zu. Passanten blicken gebannt auf das Schauspiel. Doch im letzten Moment entscheidet sich der Adler, nicht auf Travers’ Arm zu landen, sondern abzudrehen und die nahe gelegene Saalsporthalle anzuvisieren. «Kein Problem», beruhigt Travers die Anwesenden und fügt lächelnd hinzu: «Das kann passieren. Fletcher war halt noch nicht in Zürich und möchte die Stadt kennenlernen.» Wenige Minuten später kehrt der 42-jährige Franzose mit dem imposanten Tier auf dem Arm zurück.
Auch wenn einmal etwas nicht nach Plan läuft, lässt sich Jacques-Olivier Travers nicht aus der Ruhe bringen. Er weiss genau, wie er mit Raubvögeln umzugehen hat. Seit seiner Kindheit begeistert er sich für die Könige der Lüfte. «Wenn ich einen Adler fliegen sehe, bin ich glücklich», sagt Travers. Als logische Konsequenz gründete er 1997 den Greifvogelpark «Les Aigles du Léman» am französischen Ufer des Genfersees. Heute ist der Park der grösste seiner Art in Europa. Rund 150 Greifvögel und 60 Arten leben dort.
Es handelt sich aber nicht nur um einen Park für Besucher (etwa 70 Prozent kommen aus der Schweiz), sondern um ein renommiertes Artenschutzzentrum für Seeadler, denen Travers’ grösste Leidenschaft gilt. Die Einrichtung wird von namhaften Wissenschaftlern unterstützt – mit dem grossen Ziel, den Vögeln Auswilderungsmassnahmen zu bieten, die es ihnen ermöglichen, schneller und sicherer in die Freiheit zurückzukehren.
Vertrauen und Kondition sind wichtig
Dafür wurden aussergewöhnliche Einrichtungen konstruiert, wie die mit 5000 Quadratmetern grösste Voliere Europas, in der die Seeadler den Fischfang in einem 200 Quadratmeter grossen Wasserbecken lernen können. Zudem arbeitet die Aufzuchtstation mit den neusten Techniken, zu denen ein kameraüberwachter Nestbau und die künstliche Aufzucht gehören. Das A und O für die erfolgreiche Auswilderung ist aber das Training mit Jacques-Olivier Travers, der für die Tiere ein Elternersatz ist. «Seeadler, die in Gefangenschaft aufgewachsen sind, können weder richtig fliegen, noch Beute fangen», berichtet der ehemalige Journalist. «Am Anfang schleppen sie sich gerade einmal zwei Meter durch die Luft. Daher ist ein sehr behutsamer Trainingsaufbau notwendig.»
Travers lässt die Adler deswegen zunächst nur sehr kurze Strecken fliegen, indem er sie mit Leckerli auf seinen Arm lockt. Wichtig ist dabei, das Vertrauen der Tiere zu gewinnen. Wenn das vorhanden ist und die Kondition stimmt, begleitet der Falkner die Vögel mit seinem Gleitschirm. Mittlerweile hat er zehn Seeadlern, die in Gefangenschaft geboren wurden, das Fliegen beigebracht. Den Anfang machte er mit Sherkan, den er als zwölfjähriges Tier aus einem Gehege in Belgien abholte. Sherkan lernte so schnell und gut, dass er 2008 über den Mont Blanc segelte. Ein Leben in freier Wildbahn kommt für ihn trotzdem nicht infrage. Dafür ist Sherkan zu sehr auf Travers fixiert. «Ich habe es bei ihm versäumt, mehr auf Distanz zu gehen. Nun kann Sherkan keine zehn Minuten mehr ohne mich sein», berichtet der Franzose. Diesen Fehler macht er nun nicht mehr.
Dafür setzt Travers seit ein paar Jahren verstärkt auf medienwirksame Aktionen, um den Menschen zu demonstrieren, dass Seeadler keine Bedrohung, sondern eine Bereicherung für die Natur sind. So lässt er vor jedem Heimspiel des Eishockeyklubs Genf-Servette einen Adler durch die Halle fliegen. Das Maskottchen lässt sich dabei weder durch lautstarke Fans noch durch flackernde Lichter irritieren.
Auch beim Skifahren, Eisschnelllaufen und Reiten waren Travers’ Adler bereits hautnah dabei. Die grösste Aufmerksamkeit erzeugte jedoch ein Weltrekord im März dieses Jahres. Der Kaiseradler Darshan flog in Dubai vom 828 Meter hohen Burj Khalifa, dem höchsten Gebäude der Welt, zielgenau auf den Arm seines unten wartenden Lehrers. Darshan trug dabei eine Mini-Actionkamera auf seinem Rücken, sodass man seinen Flug aus der Adlerperspektive miterleben kann. Das Video wurde im Internet bereits millionenfach angeklickt.
Keine Auswilderung in der Schweiz
Mit dieser spektakulären Aufnahme möchte Travers auf den Dokumentarfilm «Freedom» aufmerksam machen. Dieser handelt von der Wiederansiedlung von Seeadlern in den französischen Alpen. Der letzte in Freiheit lebende Seeadler Frankreichs trifft auf eine Artgenossin, die in Gefangenschaft aufgewachsen ist und nach etlichen Trainingseinheiten mit Travers ausgewildert wird. «Freedom» soll im Herbst in den Schweizer Kinos anlaufen und ist Teil des gleichnamigen Artenschutzprojektes für die bedrohten Seeadler. In drei Jahren möchte Travers das erste bruterfahrene Pärchen in die Freiheit entlassen. Es soll sich im Optimalfall gleich im ersten Jahr fortpflanzen, damit der 1959 vom französischen Himmel verschwundene Seeadler dauerhaft nach Mitteleuropa zurückkehrt.
Unabhängig von Travers’ Erfolg wird es in der Schweiz keine Wiederansiedlungsversuche geben. «Der Seeadler ist hierzulande kein Brutvogel», sagt Michael Schaad von der Vogelwarte Sempach. Auch historisch gibt es keinen Brutnachweis. Demzufolge ist die Vogelart nicht in der Roten Liste der Brutvögel des Bundesamts für Umwelt zu finden, was die Grundvoraussetzung für eine Wiederansiedlung wäre. «Es ist davon auszugehen, dass in der Schweiz niemals Seeadler ausgewildert werden», sagt Schaad
Das ist aber kein Grund, Trübsal zu blasen. Sollten die imposanten Vögel im benachbarten Frankreich wieder Fuss fassen, stünden die Chancen gut, auch in der Schweiz den König der Lüfte in freier Natur erleben zu dürfen.
Neue Gefahren lauern auf die grössten Adler Europas TNeue Gefahren lauern auf die grössten Adler Europas Der Seeadler (Haliaeetus albicilla) ist der grösste und kräftigste Adler Europas und beeindruckt mit seinen brettartigen, fast rechteckigen Schwingen und einer Flügelspannweite von bis zu 2,40 Metern. Die Vögel brüten an der Küste sowie an grossen, bewaldeten Binnenseen und Flüssen – vorwiegend im nördlichen und östlichen Europa, wo rund 2500 Seeadler-Paare leben. Früher wurden die Raubvögel gejagt und teilweise ausgerottet, weil sie als Aasfresser und Bedrohung angesehen wurden. Mittlerweile lauern andere Gefahren auf die Könige der Lüfte. «Umweltgifte und ein mangelndes Angebot an Feucht- und Wassergebieten sind ein Problem», sagt Jacques-Olivier Travers. Weitere Probleme für die Könige der Lüfte seien Hochspannungsleitungen und die Rotoren von Windkraftanlagen. |
Sehen Sie sich hier an, wie Travers' Kaiseradler Darshan vom höchsten Gebäude der Welt herunterfliegt, dem Burj Khalifa in Dubai:
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