Mit Hauen und Stechen
Die Balz der Kampfläufer
Der Kampfläufer hat seinen Namen nicht gestohlen. Während des komplizierten Balzverhaltens dieses arktischen Schnepfenvogels geben sich die Männchen ganz schön aufs Dach.
Es ist Anfang Juni in der feuchten Tundra im äussersten Norden Norwegens. Es schneit und regnet abwechselnd. Ein steifer Nordwind geht. Doch wieder sind alle gekommen: Pater Braun, Earl Grey, Dark Earl Grey, der Schwarze Ritter, der Weisse Ritter, Fuchsohr, der Falbe, der Fahle, Micky Maus und Le Grand Chef. Nur der Boss vom letzten Jahr ist nicht da. Vielleicht ist er einem Gerfalken zum Opfer gefallen. Auch der Fuchs fehlt. Mit dem alten Trick der Verhaltensforscher, Tieren einen Namen zu geben, können Besucher die Vögel schnell identifizieren und kennen nach ein paar Tagen fast alle Kampfläufer, die den Balzplatz besuchen. Denn kein Kampfläufer sieht aus wie der andere.
In einem Kampfläuferbalzplatz stellen die Vögel unverdrossen im schlechtesten Wetter ihre Federpracht zur Schau. Die Federn des Rückengefieders wehen im Wind. Sie spreizen die Halskrause und die Kopfmaske, recken die Flügel und springen vor Erregung in die Luft. Kommt ein Rivale ihnen zu nahe, rennen sie auf ihn zu und stossen drohend mit dem Schnabel in seine Richtung wie ein Fechter mit dem Florett. Manchmal kommt es sogar zum Kampf. Diese Kämpfe können zu Beginn der Balzperiode sehr heftig und ausdauernd sein, jetzt, zum Höhepunkt der Balz, dauern sie nur noch sekundenlang, sind aber nicht weniger rabiat.
Kampfläufer in Aktion (Video: Wildlife World):
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Balzplätze mit Dutzenden Hähnen
Das Verhalten der Kampfläufer bei der Balz ist ziemlich kompliziert. Es ähnelt der Arenabalz der Birkhähne, ist aber ungleich komplexer. In diesen Balzarenen stellen sich die Männchen den Weibchen zur Schau. Die Weibchen suchen sich eines der Männchen zur Paarung aus. Hier sind es bis zu 16 Hähne, die sich jedes Jahr einfinden, in Sibirien gibt es Balzplätze mit über 60 Hähnen.
Sie besetzen auf dem Balzplatz kleine, ungefähr einen Quadratmeter grosse Territorien, die sie gegen ihre Rivalen verteidigen. Allerdings nur die dunkel gefärbten Männchen. Die hellen, weisslich gefärbten werden Satellitenmännchen genannt. Sie verteidigen kein Revier, sondern halten sich in der Nähe der Revierinhaber auf und versuchen, ab und zu mit einer Paarung zum Zuge zu kommen. Während die dunkel gefärbten Hähne untereinander sehr aggressiv sind, werden die hellen Satellitenmännchen von den dominanten Hähnen geduldet. Erst kürzlich hat man herausgefunden, dass es sogar eine dritte Art von Männchen gibt, die Faeder. Sie stellen weniger als ein Prozent der Männchenpopulation. Sie wechseln nicht ins Brutkleid und sehen aus wie Weibchen. Auf welchem Wege sie zum Erfolg kommen, ist noch nicht klar.
Kämpfende Kampfläufer (Video: TJaneM):
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Der Chef bekommt die Weibchen
Es erscheint ein Weibchen auf dem Balzplatz, es wird hektisch. Die Hähne drehen voll auf. Sie kauern sich mit gespreizten Flügeln auf die Erde. Dann drehen sie sich um die eigene Achse, treten mit gesenktem Kopf auf der Stelle und springen flatternd in die Luft. Das Alpha-Männchen prügelt dabei in letzter Sekunde andere Männchen aus der Nähe des Weibchens fort. Doch allein das Weibchen nimmt die Wahl des Geschlechtspartners vor. Fast immer paart es sich mit dem aggressiven Platzhahn. Ausbrüten der Eier und Aufzucht der Jungen ist ausschliesslich Sache des Weibchens. Sind die Weibchen weg, kehrt vorübergehend Ruhe in der Arena ein. Die Männchen drehen den Kopf auf den Rücken und verstecken den Schnabel im Gefieder. Einige von ihnen schlafen auf einem Bein stehend ein. Bis erneut ein Weibchen erscheint. Dann geht das Hauen und Stechen sofort wieder los.
Kampfläufer sind eigentlich häufige Vögel. Sie brüten vom nordwestlichen Europa bis zur Taiga und Tundra des östlichsten Sibiriens in feuchten Wiesen, Mooren, Seggenwiesen. Sie legen weite Strecken ins Winterquartier zurück, das in Afrika südlich der Sahara und in Südasien liegt. An manchen Stellen ihres Winterareals wurden bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts beträchtliche Zahlen von ihnen festgestellt – allein im Senegal 1972 eine Million Tiere. Allerdings nimmt ihre Zahl selbst in den unberührten Weiten Sibiriens ab. Bei der Bestandsentwicklung spielt vermutlich die Klimaerwärmung eine Rolle. Sie wird dafür sorgen, dass ein grosser Teil des bisherigen Verbreitungsgebietes dieser Vogelart keinen Lebensraum mehr bieten wird.
Ein Opfer der Trockenlegungen
In Mitteleuropa war der Kampfläufer noch bis ins 19. Jahrhundert weit verbreitet. Vor allem in küstennahen Regionen bewohnte er hier mit Tümpeln und Gräben durchsetzte, extensiv genutzte Wiesen. Die Nahrungsplätze befanden sich entweder am Wasser oder auf feuchtem Untergrund.
Entwässerungsmassnahmen und eine veränderte Landwirtschaft führten zu einer ständigen Abnahme des Bestandes, auch an der Nordseeküste. So gab es zu Beginn des 20. Jahrhunderts in den Niederlanden noch etwa 10 000 Kampfläuferweibchen, in den 1950er-Jahren noch 6000 und gegen Ende des 20. Jahrhunderts nur noch 100 bis 140. Heute kommen in Deutschland und den Niederlanden nur noch Einzelbruten vor.
Es geht auf Mittag zu. Nach und nach verlassen die Kampfläufer den Balzplatz. Am Ende sind es immer dieselben drei, vier Vögel, die die Stellung halten: Pater Braun, Earl Grey und natürlich Le Grand Chef. Er ist der Letzte, der die Arena verlässt. Und er wird morgen früh der Erste sein, der wieder erscheint. Eben ein richtiger Chef.
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