Das einsame Aldabra-Atoll im Indischen Ozean ist vor allem als Heimat der Aldabra-Riesenschildkröten bekannt, eine der beiden grössten Landschildkrötenarten der Welt. Doch das als UNESCO-Weltnaturerbe streng geschützte Atoll ist Lebensraum für viele weitere Tiere und Pflanzen, darunter weitere Reptilien und viele Vögel.    

Eine davon ist die Aldabra-Cuvierralle (Dryolimnas cuvieri aldabranus), eine Unterart der Cuvierralle (Dryolimnas cuvieri), die aus dem etwa 700 Kilometer südlich gelegenen Madagaskar stammt. Das Besondere an der Aldabra-Cuvierralle: Sie kann nicht fliegen. Sie hat im Laufe der Evolution ihre Flugfähigkeit verloren, weil es auf dem Aldabra-Atoll niemanden gibt, der sie fressen will. Fliegen ist für Vögel ein sehr energieaufwändiger Vorgang – wenn sie nicht unbedingt müssen, tun sie es nicht.        

Wie englische Forscher nun herausgefunden haben, flog die Cuvierralle von Madagaskar aus los, besiedelte das Aldabra-Atoll und verlor dann die Fähigkeit zu fliegen. Und dies tat sie nicht nur einmal, sondern zweimal. Weil der Meeresspiegel stark anstieg, versanken die Koralleninseln nämlich vor ungefähr 136'000 Jahren komplett im Meer. Sämtliches terrestrisches Leben auf dem Atoll starb. Die Inseln blieben für einige zehntausend Jahre unter Wasser. Dann begann der Meeresspiegel wieder zu sinken und das Atoll kam wieder zum Vorschein. Die Tiere und Pflanzen kehrten zurück oder konnten sich neu ansiedeln.    

Iterative Evolution
Unter den Rückkehrern war auch die Cuvierralle. Erneut flog sie auf die Inseln, erneut wurde sie flugunfähig. Das fanden Julian Hume und David Martill von der Universität Portsmouth anhand fossiler Oberarmknochen von vor und nach der Flut heraus. Wie sie im «Zoological Journal of the Linnean Society» schreiben, seien Rallen dafür bekannt, hartnäckige Kolonisierer isolierter Inseln zu sein und können unter guten Bedinungen die Flugunfähigkeit schnell evolvieren (ein Beispiel dafür ist auch die Atlantisralle, über die wir hier berichtet haben).    

Die wiederholte Evolution von gleichen Merkmalen zu unterschiedlichen Zeiten ausgehend vom gleichen Vorfahren bezeichnet man als Iterative Evolution. «Wir wissen von keinen anderen Rallen oder Vögeln allgemein, die dieses Phänomen so offenkundig zeigen», schreiben die Forscher.    

Die Aldabra-Cuvierralle ist der einzige flugunfähige Vogel, der im Indischen Ozean überlebt hat. Im Laufe der Evolutionsgeschichte haben viele verschiedene Vogelarten auf Inseln ihre Flugfähigkeit verloren. Die Ankunft von Menschen, Katzen oder Ratten bedeutete für sie aber oft das Ende.