Wildpferde
Die Dülmener leben den Traum jedes Pferdes
Zu den gefährdeten Tierrassen gehören die Wildpferde, die in Europa nahezu ausgestorben sind. Doch in Westfalen im Nordwesten Deutschlands leben noch einige Hundert Tiere in freier Natur.
Der Merfelder Bruch besteht aus einem Mosaik aus Mooren, Heiden, Wiesen, Birkenhainen, Nadelbäumen und Laubwäldern. Das Naturschutzgebiet, etwa zwölf Kilometer von der deutschen Stadt Dülmen entfernt, beherbergt rund 350 bis 400 Pferde auf einem etwa 350 Hektar grossen Gelände. Über Jahrhunderte hinweg konnten die Tiere hier überleben und sich vermehren. Die abwechslungsreiche Landschaft, in der sie von einer Weide zur nächsten wandern, bietet ihnen einen optimalen Lebensraum.
«Bei Sturm und Regen finden sie Schutz unter den Bäumen, oder sie stehen draussen mit dem Rücken zum Wind», berichtet Rudolph Herzog von Croy, der das Erbe der Dülmener angetreten hat. Das Fell bietet den wichtigsten Schutz gegen Nässe und Kälte: An den oberen Granhaaren perlt das Wasser ab, während die unteren Wollhaare wärmen. Zwecks Fellpflege scheuern sich die Tiere gelegentlich an den Bäumen.
Im Winter gibt es an 120 Tagen kein frisches Gras. Doch die Dülmener sind gute Futterverwerter und verhungern nicht so schnell. «Im Wald scharren sie das Gras unter dem Schnee frei», sagt der Pferdekenner. Einige Weiden werden erst relativ spät im Jahr geöffnet, sodass die Tiere dort «das Heu auf dem Stängel» vorfinden. Etwas Heu und Stroh werde auch von aussen zugefüttert.
Fremde Hengste sollen Inzucht vermeiden
Alle Tiere der Dülmener Herde gehen auf eine einzige Stammstute zurück. Sie leben in Familienverbänden. Jede Familie wird von einer Stute angeführt und bleibt ein Leben lang zusammen. Die ganze Herde folgt wiederum einer Leitstute. Um Inzucht zu vermeiden, werden im Sommerhalbjahr ausgesuchte Deckhengste in die Herde gelassen. Auf diese Weise wird frisches Blut hineingebracht und die Anzahl der Tiere konstant gehalten. Zwischen dem Hengst und den Leitstuten kommt es dabei zu unvermeidlichen Rangkämpfen. Meist gelingt es dem Hengst nicht, sich die ganze Herde zu unterwerfen, denn die sehr fruchtbaren Stuten sind ihm nur während der Deckzeit unterwürfig.
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Dülmener Wildpferde am Wildpferdefang 2014 Bild: © Dietmar Rabich, rabich.de, CC BY-SA 4.0 |
Die klimatisch raue Gegend lässt nur robuste und gesunde Tiere heranwachsen. Die Fohlen kommen im Frühjahr und zu Beginn des Sommers zur Welt. Die Geburten sind unproblematisch: «Kurz vorher sondert sich die Stute von der Herde ab und legt sich hin, bis das Fohlen geboren ist», erzählt von Croy. «Kurz darauf erhebt sich die Mutter und geht grasen. Nur wenige Minuten später folgt ihr das Fohlen.»
Ausser den Pferden in freier Wildbahn sind etwa 125 Dülmener in privatem Besitz, darunter 90 Zuchtstuten sowie rund 20 Hengste. Die Tiere gelten als ausgeglichen, intelligent und lernfreudig. Doch lässt sich ein Wildpferd einfach so ausbilden? Das sei nicht so schwierig, sagt von Croy. «Man muss sich einfach in den Stall setzen und es auf sich zukommen lassen.» Die Tiere seien bereits an Menschen gewöhnt, da im Sommer viele Führungen im Gelände stattfänden. Ausserdem würden sie von der Herde mit ihren ausgeprägten Sozialregeln wesentlich besser erzogen. Die sozialen Bindungen werden durch gegenseitiges Beknabbern aufrechterhalten. Während von Croy erzählt, tätschelt er einem Pferd den Kopf, das sich neugierig genähert hat.
Frische Luft statt enge Ställe
Einmal im Jahr im Mai werden die einjährigen Hengste eingefangen und versteigert – ein Ereignis, an dem Tausende Besucher teilnehmen. Die eingefangenen Tiere werden in der Regel zu Reit- oder zu Kutschpferden ausgebildet. Sie werden zum Voltigieren, therapeutischen Reiten und beim Fahrsport eingesetzt. Vor die Kutsche sollte das spätreife Pferd allerdings mit frühestens drei Jahren eingespannt und erst mit vier Jahren eingeritten werden, da Knochen und Gelenke sonst Schaden nehmen können.
Öfter schon waren die Dülmener Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, deren Ergebnisse als Anleitung für moderne Haltungsformen für Pferde vom Landwirtschaftsministerium veröffentlicht wurden. «Das ist die artgerechte Haltung», sagt von Croy. «Je mehr wir uns diesem Ideal annähern, desto mehr profitieren unsere Pferde.» Natürlich bedeute Robusthaltung nicht, sich nicht zu kümmern. Doch ein Pferd dauerhaft auf drei mal drei Meter einzusperren, sei das Dümmste was man tun könne, betont er. «Das Pferd braucht keine warmen Decken, denn es kann thermoregulieren. Als Bewegungstier benötigt es frische Luft. Und es muss Artgenossen um sich haben.»
Mehr Informationen:www.wildpferde.de und www.g-e-h.de
Geschichte der Dülmener Erwähnt wurden die Dülmener erstmals 1316. Sie kreuzten sich mit Kriegs- und Bauernpferden oder verwilderten Hauspferden. Bei den Nachkommen handelt es sich daher um halb wilde Tiere. Im 18. Jahrhundert lebten die Pferde auf fünf Wildbahnen im Nordwesten Deutschlands. Im Zuge der Markenteilung von 1830 bis 1850 bekamen die Bauern neues Land zugewiesen, was für die Pferde das Ende ihres Lebens in freier Wildbahn bedeutete. Die Herzöge von Croy liessen jedoch rund 20 Pferde einfangen und in einem grossen Gehege unterbringen. Über die Jahre bildeten sich zwei Farbtypen heraus: mausgraue und gelbbraune Falben. Daneben gibt es dunkel- und schwarzbraune Tiere mit Aalstrich auf Schulterkreuz und Wildzeichnung an den Beinen. Seit Mitte der 1950er-Jahre kreuzte man Koniks aus polnischen Tarpan-Rückzüchtungen ein. Weltweit gibt es rund 480 Dülmener. Die Rasse gilt als extrem gefährdet. |
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