Vier Wochen Australien. Manch einer träumt davon. Doch die mittlerweile siebte Reise von Esther und Gerald Stampfli nach Down Under in diesem Januar verlief nicht so gut. Mitten in den Ferien erreichte sie die traurige Nachricht vom Tod ihres Wallabyweibchens Barossa. Es sei dem 18-jährigen Tier plötzlich so schlecht gegangen, erzählen sie, dass es der Tierarzt habe erlösen müssen. Für Wallabys, die in Gefangenschaft sonst nur zwölf Jahre alt werden, in der freien Wildbahn etwa acht, ist das ein Methusalem-Alter. Trotzdem.

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Im Wallabygehege, das im solothurnischen Etziken steht, erinnert derweil nichts mehr an das Drama. Mit einem Fressnapf voller Baumnüsse, Erdnüsse und Sonnenblumenkerne nähert sich Esther Stampfli dem Stall und legt etwas davon auf die Rampe. Zwei Minuten später riskiert der einjährige Dundee als Erster einen Blick. «Die Tiere sind feinfühlig. Sie merken sofort, wenn etwas anders ist», sagt Stampfli. Fremden Menschen gegenüber seien sie besonders misstrauisch. Dann getraut sich der Jungspund doch noch. Er kann den Leckerlis nicht widerstehen.

Seine Eltern, der dreijährige Billabong und die zweijährige Wilpena, lassen dagegen auf sich warten. Vielleicht liegt es auch am Wetter. Es hat null Grad an diesem Nachmittag im Februar und auf dem Rasen liegen Schneefelder. Wobei: «Das macht ihnen nicht viel aus. Das Klima ihrer ursprünglichen Heimat ist unserem recht ähnlich», sagt Gerald Stampfli. Das Bennettwallaby, wie es eigentlich heisst, stammt von der Insel Tasmanien, 240 Kilometer südöstlich der australischen Hauptlandmasse. Das Eiland ist geprägt von bis zu 1600 Meter hohem Gebirge, wo die Temperaturen im Winter auch mal unter den Gefrierpunkt fallen können und sogar im Sommer Schnee auf den Bergspitzen liegt.

Aus taxonomischer Sicht ist das Bennettwallaby eine Unterart des Rotnackenwallabys (Macropus rufogriseus). Eine zweite Unterart lebt auf dem Festland. Die dämmerungsaktiven Beuteltiere gehören zur Familie der Kängurus. Sie werden etwa einen Meter gross. Der muskulöse Schwanz misst bis zu 75 Zentimeter. Derzeit sind acht Wallaby­arten bekannt. Jedoch wird die Bezeichnung «Wallaby» im Englischen umgangssprachlich für praktisch alle kleinen bis mittelgrossen Kängurus benutzt.

Robuste Pflanzenfresser, aber ...
Mittlerweile hüpfen alle drei Tiere auf der Anlage herum. Doch nur kurz. Billabong sucht Schutz unter einer Rottanne. Dundee und Wilpena verstecken sich hinter dem Stall. «Wallabys sind Wildtiere, die auf Distanz bleiben. Und so halten wir sie auch», sagt Esther Stampfli. Direktkontakt gebe es praktisch keinen. Es werde höchstens mal ein Leckerli mit der Hand gereicht. «Sie suchen die

Berührung nicht und lassen sich auch nicht gerne anfassen», sagt sie. Die Praxis mancher australischer Zoos, Jungtiere bereits früh an Menschenkontakt zu gewöhnen und sie dafür regelmässig aus dem Beutel der Mutter zu holen, findet sie unsäglich.

Das Gehege, in dem sich Stampflis Schützlinge bewegen können, umfasst eine Fläche von 500 Quadratmeter. Doppelt so viel wie gesetzlich verlangt. Nebst Schatten spendenden Bäumen und Sträuchern ist es mit einem Totholzhaufen, einem Erdhügel und einem künstlich angelegten Bächlein ausgestattet. «Dank dem Bächlein haben unsere Tiere stets Zugang zu frischem Wasser. Im Winter friert die Trinkstelle nicht zu und im Sommer trocknet sie nicht aus», sagt Esther Stampfli. 

Es gibt Rossfutter
Als Futter bekommen die Pflanzenfresser zusammen einmal pro Tag ein Kilogramm Getreidewürfel: handelsübliches Rossfutter. Daneben gibt es Heu, ab und zu Rüebli, hartes Brot sowie Nüsse und Kerne. «Schneiden wir unsere Apfelbäume, geben wir ihnen die Äste. Sie lieben es, die Rinde abzunagen», sagt Stampfli. Ansonsten ernähren sich die Wallabys besonders im warmen Halbjahr vor allem von den Kräutern, Gräsern und Schösslingen, die in der Anlage spriessen.

Wallabys sind grundsätzlich robuste, anpassungsfähige Tiere. Den Tierarzt sehen sie deshalb nur selten. Regelmässige Impfungen, wie man sie bei Hunden und Katzen macht, benötigen sie nicht. «Dafür werden sie einmal im Jahr entwurmt», sagt Gerald Stampfli. Zwei Schwachstellen haben die Wallabys dann doch. Zum einen sind sie anfällig auf Kieferabszesse. Warum, wissen die Stampflis nicht. Und zum Zweiten reagieren sie sehr schlecht auf Stress. So schlecht, dass er in manchen Fällen zu Herz-Kreislauf-Versagen und damit zum Tod führen kann.

Wichtigster Stressfaktor ist der Lärm. «Wallabys sehen nicht so gut. Sie orientieren sich über das Gehör», sagt Stampfli. Darum bereite ihnen schon starker Wind Mühe. Besonders schlimm sei aber das Feuerwerk am 1. August und an Silvester. Kaum hat er den Satz beendet, fangen zwei Hunde in der Nachbarschaft an zu bellen. Gleichzeitig kreischt auf der Baustelle nebenan die Winde des Krans. «Ja, die Baustelle, die ist nicht gerade ideal», kommentiert Stampfli die unangenehme Geräuschkulisse. Ebenfalls nicht gerne sieht das Ehepaar, wenn sich ihre beiden Katzen ins Gehege schleichen. «Jagen sie dann einem Vogel hinterher, erschreckt das die Wallabys und sie hüpfen davon.» Auf die Katzen würden sie aber nie losgehen.

Bewilligung gilt jeweils für zwei Jahre
Überhaupt seien die Tiere sehr liebenswürdig, wie Esther Stampfli zu verstehen gibt. «Unsere Wallabys sind ruhig, friedlich und gesellig. Regnet es, dann schlecken und putzen sie sich gegenseitig», sagt sie. Und zickten sich zwei Weibchen, wie sie es auch schon erlebt habe, gehe nicht selten der Bock dazwischen. Es sind diese Charaktereigenschaften, die die Stampflis 1998 dazu bewogen haben, sich Wallabys anzuschaffen – nebst ihrer Liebe zu Australien. «Als wir dieses Haus mit dem gros­sen Garten kauften, wussten wir bald, dass wir hier Tiere halten wollen», sagt sie. Kurz darauf fuhren die beiden 54-Jährigen im Bernbiet zufällig an einer Wallabyhaltung vorbei und es war um sie geschehen.

In der Folge nahmen Stampflis Kontakt mit den Haltern auf, informierten sich, tätigten Behördengänge und bauten schliesslich das Gehege. Dann stellten sie beim kantonalen Veterinäramt das Gesuch. «Sind alle Anforderungen erfüllt, erhält man die Bewilligung für zwei Jahre. Danach gibt es eine Kontrolle. Ist alles in Ordnung, wird erneut um zwei Jahre verlängert», sagt Gerald Stampfli. Mittlerweile benötigen Halter zudem einen Sachkundenachweis. Dafür sind die Tiere deutlich günstiger zu erwerben als früher. Für ihr erstes Wallaby­pärchen – die Einzelhaltung ist verboten – hatten Stampflis 2000 Franken bezahlt. Weil es aber immer mehr Tiere gibt, vor allem Männchen, sind die Preise ein­gebrochen.

Weibchen begehrter als Männchen
«Zwar steigt auch die Anzahl Halter, aber die wollen halt alle mindestens ein Weibchen, damit es Nachwuchs gibt», erklärt Stampfli die Entwicklung. Sobald man jedoch ein Weibchen habe, vertrage es nicht mehr als ein einziges Männchen, weil es sonst zu erbitterten Konkurrenzkämpfen käme. Die überzähligen Männchen müssen also irgendwo hin. Nur wo? 

Die Stampflis kennen das Problem: Aktuell suchen sie für ihren einjährigen Dundee ein neues Plätzchen. «Wer weiss, vielleicht liest ja jemand diesen Artikel und meldet sich.»

Wer Dundee ein neues Zuhause geben
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