«Parahawking»
Flugstunde mit einem Geier
In Nepal lässt sich Greifvogelschutz mit Outdoor-Sport verbinden: Gleitschirmflieger segeln im Himalaja mit Geiern durch die Lüfte.
Auf einer Bergwiese ein paar Schritte rennen und ab in die Lüfte gleiten – Gleitschirmfliegen kommt dem Menschheitstraum vom Fliegen wie ein Vogel ziemlich nahe. Zumindest wenn man beim Vogel an einen Geier oder einen Greifvogel denkt, der sich nicht durch wildes Flügelschlagen, sondern durch elegantes Gleiten in Aufwinden in der Luft hält.
Doch im Gegensatz zu Menschen haben Greifvögel die angeborene Fähigkeit, Aufwinde zu erkennen. Das brachte einen englischen Falkner und Gleitschirmpilot namens Scott Mason auf eine Idee: Die Vögel könnten ihm zeigen, wo er Aufwinde findet. In Pokhara in Nepal, das weltweit zu den besten Orten fürs Gleitschirmfliegen zählt, verwirklichte er seine Idee und entwickelte ein Geschäft daraus. Längst fliegt er nicht nur selber mit den Vögeln, sondern nimmt jeden Tag Touristen und Vogelliebhaber auf Tandemflüge mit.
Dieses Freizeitvergnügen, das nirgends sonst auf der Welt angeboten wird, heisst Parahawking. Das Wort ist eine Kombination aus Paragliding (Gleitschirmfliegen) und Hawking (Falkenjagd), und damit eine Kombination der zwei Leidenschaften Masons. Bereits als Kind hat er sich für Vögel interessiert und als Jugendlicher, noch in England, mit der Falkenjagd begonnen. Nach Nepal ging er, um Sport zu machen, Riverrafting, Bergwandern, und dort lernte er Gleitschirmfliegen. Als er dann zwei verwaiste junge Schwarzmilane fand, begann er mit Parahawking. Zuerst alleine, dann mit Tandempassagieren. Inzwischen segeln er und seine Pilotin Jessica Love jeden Tag zweimal hinunter, sie können also vier Passagiere pro Tag mitnehmen.
Vor dem Flug erklärt Scott Mason den Tandempassagieren nicht nur sorgfältig, was sie beim Start zu tun haben, sondern spricht vor allem über Vögel: «Greifvögel sehen 15 Mal besser als wir. Sie erkennen die Staubteilchen, die mit der warmen Luft nach oben getragen werden.» Er deutet mit dem Arm zum gegenüberliegenden Hang. «Dort drüben, wo wir Bäume sehen, erkennen die Greifvögel die einzelnen Blätter. Wenn diese zu rascheln beginnen, ist das ein erstes Zeichen für einen Aufwind.»
Hilfe für verwaiste Greifvögel
Im Gegensatz zum Gleitschirmflieger kann der Greifvogel natürlich schlicht ein paar Mal mit den Flügeln schlagen, um an Höhe zu gewinnen. Das kostet ihn aber Energie, die er durch Fressen wieder ersetzen muss. Deshalb verzichtet er soweit möglich darauf. «Der einzige Anreiz zu fliegen liegt für den Vogel im Fressen», erklärt Mason. Und so füttert er seine beiden Schmutzgeier Bob und Kevin in der Luft.
Das heisst, in der Regel macht nicht er es, sondern er lässt es die Passagiere tun, die sich mit ihm und Jessica Love in die Luft wagen. Sobald Mason in die Trillerpfeife bläst, weiss der Geier: Es gibt Essen. Der Tandempassagier nimmt ein Stückchen Fleisch in die Hand, an der er einen Falknerhandschuh trägt, streckt seinen Arm aus, und es dauert nicht lange, bis der Vogel von hinten angesegelt kommt, sich auf die Hand setzt, das Futter schnappt und weiterfliegt.
Wer weder Höhenangst hat, noch allzu stark an Reiseübelkeit leidet, kann das richtig geniessen, im Gestältchen des Gleitschirms sitzt es sich bequem wie in einem Liegestuhl. Ein Schmutzgeier auf Armlänge mit dem höchsten Gebirgszug der Welt, dem Himalaja, im Hintergrund, dieser Blick ist einmalig – und er wird gut dokumentiert durch die automatische Kamera, deren Fotos und Video im Anschluss gekauft werden können.
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«Tierwelt»-Autor Niklaus Salzmann beim Parahawking. Bild: zVg
Rund 20 Minuten dauert es, bis der Pilot den Aufwind verlässt, um auf einer Wiese am See von Pokhara aufzusetzen. Dort wohnt Mason mit seiner Familie, beherbergt in Bungalows Touristen und betreut seine Vögel. Die allermeisten der über 70 verletzten oder verwaisten Greifvögel, die er seit 2001 gepflegt hat, konnte er wieder freilassen. Nebst den beiden Schmutzgeiern leben noch drei Schwarzmilane bei ihm, die er bereits als Jungvögel aufgenommen hatte und die deshalb auf Menschen geprägt sind und das Überleben in freier Wildbahn nie erlernt haben. Sie kommen in den Falknerkursen, die ebenfalls in Masons Angebot stehen, zu ihrer täglichen Flugpraxis. Die Parahawker gesellen sich nach ihrer Landung zu den Besuchern des Falknerkurses, um gemeinsam zu erfahren, weshalb Greifvögel in Nepal schutzbedürftig sind.
Ein Medikament namens Diclofenac, mit dem Vieh behandelt wurde, hatte sich für Geier und andere Aasfresser als tödlich erwiesen. Es kam zu einem grossen Geiersterben in Indien und Nepal, bis das Medikament 2006 in der Tiermedizin verboten worden. Doch für Menschen ist Diclofenac weiterhin erlaubt. Und in Nepal, wo es keine Rezeptpflicht gibt, bedeutet dies, dass Viehhalter das Medikament nach wie vor in jeder Apotheke erstehen können.
Kadaver von unbehandelten Kühen
Um Geier vor dem Tod durch Diclofenac zu bewahren, gibt es in Nepal einige «Geierrestaurants». Das sind eine Art Heime für alte Kühe, die garantiert nicht mit dem Medikament behandelt werden und deshalb nach ihrem Tod gefahrlos von Greifvögeln verzehrt werden können. Eines dieser «Restaurants» liegt wenige Kilometer ausserhalb Pokharas, und Mason betont, dass von jedem Parahawking-Flug ein Teil des Gewinns an die Geierstiftung geht, die das Projekt unterstützt.
Alles in allem ist Parahawking keine Aktivität für Adrenalinjunkies, sondern vielmehr für Tierliebhaber. Ihnen hat Nepal überhaupt so einiges zu bieten, von Tigersafaris im Flachland bis zu Expeditionen ins Reich der Schneeleoparden. Der Vorteil der Schmutzgeier ist, dass man sie garantiert zu Gesicht bekommt – und dies in einer Nähe, die beim Tiger nicht mehr angenehm wäre.
Anreise und nützliche Informationen Pokhara kann von der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu per Inlandflug (35 Minuten) oder Bus (6 bis 8 Stunden) erreicht werden. Ein Parahawking-Tandemflug kostet rund 200 Franken. Die Plätze sind oft einige Tage im Voraus ausgebucht, es lohnt sich deshalb zu reservieren. Die Flüge werden das ganze Jahr über angeboten, es empfiehlt sich jedoch, die Monsunzeit (Juni bis September) zu vermeiden. | <drupal-entity data-embed-button="media" data-entity-embed-display="view_mode:media.teaser_big" data-entity-embed-display-settings="[]" data-entity-type="media" data-entity-uuid="84870d66-f6d3-422e-b5cf-a82b2b3e9abd" data-langcode="de"></drupal-entity> |
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