Stellen Sie sich vor, Sie betreiben Ahnenforschung, schauen auf Ihrem Stammbaum aber nur auf Mamas Seite. Genau das haben Forscher bei den Rotfüchsen bis vor Kurzem getan. Um ihre Evolution zu verstehen, haben sie tausende von Füchsen genetisch untersucht – aber eben nur die X-Chromosomen, also die weibliche Hälfte der Gene.

Der Schluss, den sie aus ihren Untersuchungen gezogen haben: Die Rotfüchse haben seit hunderttausenden von Jahren auf der ganzen Welt eine einzige, zusammenhängende Population gebildet. Und das bis vor etwa 10'000 Jahren, als sich Asien und Amerika endgültig voneinander trennten, weil die Beringstrasse die Kontinente nicht mehr auf dem Landweg verband.

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 Die Beringstrasse – heute (links) und – mit Landbrücke – während der letzten Eiszeit.
 Bilder: United States Geological Survey

Separate Populationen
Neue Untersuchungen eines Forscherteams um Mark Statham von der University of California haben nun auch die Y-Chromosomen mit einbezogen – die männliche Hälfte. Und ihre Erkenntnisse zeichnen ein anderes Bild von der Fuchs-Evolution. «Wer nur schaut, was die Mutter der Mutter der Mutter getan hat, erhält nur einen kleinen Teil der ganzen Wahrheit», schreibt Statham. Denn unter der Berücksichtigung des männlichen Genoms fanden die Forscher heraus, dass die Rotfuchs-Populationen in Eurasien und Amerika seit 400'000 Jahren fast unabhängig voneinander lebten.

Fast. Denn eine einzelne – notabene weibliche – Linie von Rotfüchsen hat laut den Wissenschaftlern vor etwa 50'000 Jahren die Bering-Landbrücke überwunden und ist von Asien nach Alaska gewandert. Und genau diese kleine Gruppe von Füchsen und ihre Nachkommen waren es, die allen bisherigen Forschungen einen Strich durch die Rechnung gemacht haben.

Mit dem Fokus ausschliesslich auf die weiblichen Gene gerichtet, ergibt sich so das falsche Bild der kompletten Durchmischung zwischen der asiatischen und der europäischen Population. Werden auch die männlichen Gene beachtet, wird klar, dass die Auswanderung vor 50'000 Jahren wohl ein Einzelfall war und die männlichen Rotfüchse seit fast einer halben Jahrmillion auf ihren jeweiligen Kontinenten geblieben sind.

Originalpublikation:
Mark J. Statham et al.: «Range-wide multilocus phylogeography of the red fox reveals ancient continental divergence, minimal genomic exchange and distinct demographic histories», Molecular Ecology (2014).
DOI: 10.1111/mec.12898