Weil Gott nicht überall sein kann, schuf er die Mutter», sagt ein arabisches Sprichwort. Tatsächlich leisten Mütter für ihren Nachwuchs manchmal geradezu Übernatürliches. Ein Paradebeispiel ist die Eisbärin: Das trächtige Weibchen zieht sich zu Beginn des Winters in eine Schneehöhle zurück. Nach drei Monaten bringt es durchschnittlich zwei nur etwa 600 Gramm schwere Junge zur Welt, die es die nächsten vier Monate in der Höhle säugt, bis sie 11 bis 15 Kilogramm wiegen. Wenn sich die Eisbärin im Frühling mit den Kleinen ins Freie wagt und wieder Robben jagt, liegt eine Fastenzeit von bis zu acht Monaten hinter ihr.  

Grauwalmamas nehmen neben einer strengen Diät den für Säugetiere längsten Weg zum Kreisssaal auf sich. Jedes Jahr im Herbst schwimmen die rund 40 Tonnen schweren Giganten zur Paarung von den Nordpolarmeeren 10 000 Kilometer bis zur mexikanischen Küste – dort gibt es zwar kaum etwas zu fressen, dafür sind die warmen Lagunen, in denen es keine gefährlichen Orcas gibt, die ideale Kinderstube. Dank Mamas fettreicher Milch nimmt ein kleiner Grauwal jeden Tag etwa 30 Kilo zu. Im Frühling kehren die Familien in kühlere Gewässer zurück, wo sich die Walkühe, die unterwegs bis zu einem Drittel ihres Körpergewichtes verloren haben, endlich wieder die Bäuche mit Plankton, Würmern und Krebstierchen vollschlagen können.

Seelaus-Kinder fressen sich bei der Geburt durch den Körper ihrer Mutter
Die Opferbereitschaft auf die Spitze treibt die Australische Krabbenspinne, die sich von ihrem Nachwuchs aussaugen lässt – durch ihren eigenen Tod steigert sie die Überlebenschancen der nächsten Generation. Auch andere Arten werden nur einmal im Leben Mutter: Octopus-Damen bewachen und säubern ihre 50 000 bis 100 000 Eier bis zu drei Monate, ohne dem Gelege von der Seite zu weichen. Wenn die Kleinen schlüpfen, stirbt die Mutter meist an Entkräftung. Schon bei der Geburt wird die Seelaus zur Babynahrung – die Jungen fressen sich nämlich durch den Körper der Mutter auf die Welt.  

Weniger schmerzhaft, aber auch nicht unbedingt komfortabel ist die Elternzeit des südostasiatischen Doppelhornvogels. Um die Jungen vor Buntmardern und anderen Räubern zu schützen, mauert das Weibchen seine Nisthöhle bis auf einen kleinen Spalt mit Schlamm und eigenem Kot zu. Es bleibt monatelang in der engen Behausung, verliert dabei Schwung- und Schwanzfedern und damit vorübergehend seine Flugfähigkeit und ist vollkommen abhängig von der Nahrung, die das Männchen heranschafft.  Doch auch unser Haushuhn sollte zum Muttertag gewürdigt werden. Es umsorgt seine Küken mit dem sprichwörtlichen «Gluckenverhalten», lässt sie kaum aus den Augen und attackiert manchmal sogar Katzen oder Menschen, die den Kleinen zu nahe kommen. Britische Forscher wiesen 2011 nach, dass Hennen sogar körperlich mit ihren Küken mitleiden. Im Experiment wurden die Mutter und eines ihrer Küken in benachbarte, durch eine Plexiglas-Scheibe voneinander getrennte Käfige gesetzt. Wurde das Küken mit einem Luftstrom geplagt, zeigte das Muttertier eindeutige Stressreaktionen wie einen erhöhten Herzschlag. 

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Bild: © Heidi van Elderen

Mutterliebe schützt nicht nur vor Fressfeinden, sondern auch vor Stress
Besonders intensiv und lange um ihren Nachwuchs kümmern sich vor allem Säugetiere. Aus Sicht der Evolution lohnt sich der Aufwand: Da Säugetiere vergleichsweise wenig Junge zur Welt bringen, ist der Fortbestand der einzelnen Art fast völlig vom Einsatz der meist alleinerziehenden Mütter abhängig.

Als die engste Mutter-Kind-Bindung im Tierreich gilt die der Orang-Utans. Zwei Jahre lang tragen die Menschenaffenmütter ihren Nachwuchs auf dem Bauch, danach auf dem Rücken. Mit drei bis vier Jahren machen die Heranwachsenden auch schon mal Kletterausflüge auf eigene Faust und suchen selber Früchte – gelegentlich nuckeln sie aber immer noch an Mamas Brust und werden weite Strecken getragen. Erst mit sieben bis neun Jahren sind die Urwaldbewohner so selbstständig, dass sie endgültig Abschied von ihren Müttern nehmen.

Wie wichtig Mutterliebe nicht nur für das Überleben, sondern auch für die psychische Entwicklung eines Jungtieres ist, haben diverse Studien bewiesen. Der kanadische Forscher Michael Meaney konnte 2004 sogar nachweisen, dass Ratten, die in den ersten Lebenswochen nur selten geleckt und umsorgt werden, weniger Stresshormon-Andockstellen in einem bestimmten Hirnareal haben. Als Folge sendet die Hirnanhangdrüse schon bei geringen Belastungen viele Signale zur Erhöhung des Stresshormonspiegels aus, die Tiere werden ängstlich, aggressiv und weniger lernfähig. 

Zu den schwierigsten Aufgaben vieler Tiermütter gehört es, den Nachwuchs vor hungrigen Räubern zu schützen. So riskieren zum Beispiel Elchkühe manches Mal ihr eigenes Leben, um die tapsigen Kälber gegen Bären und Wölfe zu verteidigen. Trotz ihrer 800 Kilogramm und der scharfkantigen Hufe haben Elche gegen einen ausgewachsenen Bären im Zweifel kaum eine Chance, manchmal zahlt sich ihr Mut aber trotzdem aus: Im Denali-Nationalpark in Alaska konnten Tierfilmer beobachten, wie eine Elchmutter einen Grizzlybären in die Flucht schlug. 

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Bild: © Heidi van Elderen

Die Macht der Hormone und Liebe über die Grenzen der eigenen Art hinaus
Aus wissenschaftlicher Sicht gibt es für solch selbstloses Verhalten eine einfache Erklärung: Oxytocin. Das «Liebeshormon», das zusammen mit einigen anderen Botenstoffen die mütterliche Fürsorge aktiviert, überflutet den Körper der Mutter bereits während der Geburt, eine zweite Dosis wird beim ersten Säugen ausgeschüttet. In einem amerikanischen Experiment injizierte man jungen, kinderlosen Rattenweibchen das Blut von Artgenossinnen, die gerade Junge bekommen hatten. Sofort begannen die Versuchstiere mit dem Nestbau und kümmerten sich mit Hingabe um fremde Rattenbabys. Neben Hormonen ist oftmals Körperkontakt in der sensiblen Phase nach der Entbindung entscheidend. So fand Eric Barry Keverne von der Universität in Cambridge heraus, dass Schafe, denen man nach der Geburt den Kontakt zu ihrem Lamm verwehrt, den Nachwuchs auch später nicht versorgen. 

Dass Mutterliebe auch im Tierreich nicht allein durch chemische Vorgänge zu erklären ist, beweisen Adoptivmütter. In seltenen Fällen können Raubtierweibchen sogar ihren Jagdinstinkt vergessen. So sorgte 2002 der Fall einer Löwin für Aufsehen, die bei der Jagd auf Oryxantilopen im kenianischen Samburu-Wildpark eine junge Oryxantilope von ihrer Mutter getrennt hatte. Statt die hilflose Beute zu reissen, adoptierte die Löwin den Spiessbock (Video oben). Nur zum Säugen kehrte er zu seiner leiblichen Mutter zurück, die ständig in der Nähe geblieben war, spazierte anschliessend aber wieder an der Seite der Raubkatze oder kuschelte sich zum Schlafen an sie. Nach zwei Wochen hatte das ungewöhnliche Familienglück allerdings ein tragisches Ende: Ein hungriges Löwenmännchen frass das Adoptivkind einfach auf. 

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