Geier fressen verwesendes, stinkendes Fleisch, das für die meisten anderen Tiere tödlich wäre. Dänische Forscher haben nun aufgedeckt, wie ihnen der Trick gelingt: Mit einem extrem säurehaltigen Magen und der Kooperation mit ansonsten höchst gefährlichen Keimen.

Für ihre Studie hat das Team um Lars Hestbjerg Hansen von der Aarhus Universität in Dänemark die Mikrobenflora am Kopf und im Darm bei 50 nordamerikanischen Geiern zweier Arten untersucht. Sie stellten mit DNA-Analysen fest, dass auf der Kopfhaut der Aasfresser – die ihre Köpfe in alle möglichen Körperöffnungen der Kadaver stecken – über 500 Bakterien vorkommen.

Im Darm der Geier fanden die Forscher jedoch nur noch DNA von 76 Bakterienspezies, wie sie nun im Fachjournal «Nature Communications» berichten. Dafür sei der extrem säurehaltige Magen-Darm-Trakt der Geier verantwortlich. «Die meisten der gefressenen Mikroben überleben diese unwirtlichen Bedingungen nicht», sagte der Mitautor und Mikrobiologe Michael Roggenbuck von der Universität Kopenhagen laut einer Mitteilung.

Kooperation mit Giftschleudern
Ausgerechnet zwei Bakterienarten, die für die meisten anderen Tiere höchst toxisch sind, überdauern jedoch im Geierdarm in grosser Zahl: Clostridien und Fusobakterien. Clostridien produzieren das Nervengift Botulinumtoxin, besser bekannt als Botox, und können beim Menschen Leiden wie Fleischvergiftung oder Wundstarrkrampf (Tetanus) verursachen.

Fusobakterien sind fleischzersetzende Bakterien, die auch in der Mund- und Darmflora des Menschen vorkommen. Die Forscher vermuten, dass sich der Darm der Geier im Laufe der Evolution an die Nahrung aus verwesendem Fleisch angepasst hat, indem er eine grosse Toleranz gegen Toxine erworben hat. So sind die Geier offenbar immun gegen das Clostridien-Gift.

Die Forscher vermuten sogar, dass Geier und Bakterien eine beiderseits nützliche Kooperation eingegangen sind: Die Enzyme der Mikroben, die Fleisch zersetzen, könnten den Vögeln dabei helfen, das Aas leichter zu verdauen. Die Bakterien bekommen dafür einen geschützten, sauerstofffreien Lebensraum – und regelmässigen Fleischnachschub.

Die Forscher haben in ihrer Studie Raben- und Truthahngeier untersucht, die beiden häufigsten Neuwelt-Geierarten, zu denen auch die riesigen Kalifornischen und Anden-Kondore gehören.

Originalpublikation:
Michael Roggenbuck, et al.: «The microbiome of New World vultures», «Nature Communications» Article number: 5498 (2014) 
doi:10.1038/ncomms6498