«Räge, Rägetröpfli, es rägnet uf mis Chöpfli», singen Kindergärtner hierzulande sehr richtig in einem Lied. So ein Regentröpfli kann ihnen nicht viel anhaben. Ist man aber ein kleines Tier, zum Beispiel ein Schmetterling, sieht das ganz anders aus.

«Von einem Regentropfen getroffen zu werden, gehört zu den gefährlichsten Ereignissen für diese kleinen Tiere», sagt Sunghwan «Sunny» Jung, Assistenzprofessor an der Cornell-Universität in Ithaca im US-Bundesstaat New York in einem Video. Für einen Menschen wäre es, als würde eine Bowling-Kugel vom Himmel fallen.

Jung und sein Team wollten deshalb herausfinden, was passiert, wenn Schmetterlingsflügel, Vogelfedern und Pflanzenblätter von Regen in hoher Geschwindigkeit getroffen werden. Bisherige Laborstudien hätten die wasserabweisende Funktion solcher Oberflächen immer nur bei langsam fallendem Regen untersucht, sagt Jung. Hohe Geschwindigkeiten kommen den natürlichen Gegebenheiten aber sehr viel näher. Regen könne Geschwindigkeiten von bis zu zehn Metern pro Sekunde erreichen. Nach Angaben des Forscherteam ist ihre im Fachmagazin «PNAS» veröffentlichte Studie die erste ihrer Art.

Highspeed-Kameras lüften das Geheimnis
Mit Highspeed-Kameras machten die Forscher die Vorgänge sichtbar. Eindrücklich ist auf den Aufnahmen zu sehen, wie ein Regentropfen beim Aufprall auf einem Falterflügel in viele kleine Stücke zerspringt (siehe Video unten). Damit wird die Kontaktzeit, die Zeit, in der das Wasser in Berührung mit dem Flügel in Berührung kommt, reduziert. Das wiederum bedeutet gemäss Jung, dass auch die Einschlagszeit des Tropfens verringert wird. Gleichzeitig wird über den verkürzten Kontakt mit dem kalten Wasser weniger Wärme abgegeben. Das hilft dem Insekt, besser fliegen und Schutz suchen zu können, denn dazu brauchen seine Muskeln Wärme.

[EXT 1]

Bei der Analyse der Videos stellte sich heraus, dass die Oberfläche der Flügel beim Aufprall hunderte von schockartigen Wellen durch den Regentropfen senden, so dass dieser eine gerippte Oberfläche erhält. Die Struktur aus mikroskopisch kleinen Erhebungen auf den Flügeln tut dann ihr Übriges, damit der Tropfen zerspringt. Der Fund der Schockwellen kam für die Forscher unerwartet, wie sie in ihrem Bericht schreiben.

Mikroskopische Oberflächenstruktur
Bekannt dagegen war die Oberflächenstruktur der Flügel mit ihren winzigen Höckern und Noppen. Zusätzlich dazu sind Schmetterlingsflügel mit einer Wachsschicht im Nanobereich überzogen. Die beiden Komponenten zusammen bilden eine sogenannte superhydrophibische oder super-wasserabweisende Oberfläche, die einer Rüstung ähnlich das Wasser von den Flügeln fernhält. Auch Vogelfedern und Blätter weisen solche Oberflächen auf. Bekannt ist in diesem Zusammenhang der Lotuseffekt bei Pflanzen, bei dem Wassertropfen auf den Blättern abperlen. Bei seiner Entdeckung geholfen haben – man ahnt es – Blätter von Lotuspflanzen.
 

[IMG 2]

An superhydrophobischen Oberflächen tüfteln Materialforscher schon lange, denn sie sind in der Textilindustrie, aber auch in anderen Wirtschaftszweigen sehr gefragt. So will man sich die Tricks der Natur zu Nutze machen, um auch Menschen besser vor Regen zu schützen.  

Sunny Jung glaubt, dass die neuen Erkenntnisse seines Teams auch in diese Forschung einfliessen werden. Das grösste Problem sei aber nach wie vor die Haltbarkeit solcher Materialien. «Schmetterlinge sind lebende Organismen, sie können immer wieder Wachs nachbilden, so wie unsere Haut Talg bildet», sagt Jung. «Haltbarkeit interessiert sie nicht.»

Anders ist das bei einer Regenjacke. Diese muss meist nach ein paar Jahren ersetzt werden – eine perfkete Nachbildung der Natur ist noch nicht gelungen. Und so regnets den Kindern vorerst weiterhin aufs Köpfli.