In lauen Sommernächten kann es laut werden in Sausalito. So laut, dass die Hausbootbewohner im Küstenstädtchen vor den Toren San Franciscos (USA) kaum noch schlafen können. Jahrelang kursierten Theorien darüber, wer für das Brummen verantwortlich ist, das die Bootswände vibrieren lässt. Verdächtigt wurden russische U-Boote und defekte Stromleitungen – bis Wissenschaftler schliesslich dem wahren Schuldigen auf die Schliche kamen: Es sind die Männchen des Nördlichen Bootsmannfisches, die mit Gedröhn die Weibchen zum Liebesspiel rufen.

Den schlaflosen Hausbootbewohnern bleibt nun in den Liebesnächten der Fische nichts anderes übrig, als sich Watte in die Ohren zu stopfen. Der balzende Bootsmannfisch selber hat eine bessere Lösung, um sein Gehör zu schonen: Ein körpereigener Mechanismus sorgt dafür, dass seine Geräuschempfindlichkeit sinkt, sobald er brummt.

«Vokale Kommunikation ist inzwischen bei mehr als 200 der insgesamt 30 000 bekannten Fischarten belegt. Wir gehen aber davon aus, dass die Mehrheit der Fische unter anderem mit Geräuschen kommuniziert», sagt Boris Chagnaud, der an der Ludwig-Maximilians-Universität in München die «Sprache» der Fische erforscht. «Die meisten Fischlaute liegen in einem Frequenzbereich zwischen 150 und 6000 Hertz, den auch das menschliche Ohr gut wahrnehmen kann – wenn wir nah genug dran sind oder der Fisch laut genug ist.» 

Ein Chor von Grunzbarschen vor Perth, Australien (Audio: Robert McCauley):

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Von der Körpergrösse des Fisches könne man nicht unbedingt auf sein Stimmvolumen schliessen, sagt Chagnaud, das wisse er vom eigenen Aquarium. Dort hält der promovierte Biologe Knurrende Zwergguramis. Die 2,5 bis 3,5 Zentimeter kleinen Fische sind gelegentlich so laut, dass er sie noch fünf bis sechs Meter vom Aquarium entfernt hören kann. 

Das Spektrum der Fischlaute reicht von Brummen und Bellen über Krächzen, Knurren und Knattern bis hin zu Trommeln und Gesängen, die an Nebelhörner erinnern. Fische setzen Töne zum Beispiel ein, wenn sie auf Partnersuche sind, ihr Revier verteidigen oder vor Gefahren warnen. Und das ganz ohne Stimmbänder. Clownfische klappern   mit den Zähnen, um Konkurrenten zu vertreiben und Weibchen zu beeindrucken. Einige Fischarten reiben einen Kamm an ihrer Brustflosse, um ein Geräusch zu erzeugen, andere bringen nach dem Gitarrenprinzip eine Sehne im Kiemendeckel zum Vibrieren. 

So klingt die Art Argyrosomus japonicus, aufgenommen vor Perth, Australien (Audio: Robert McCauley):

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Heringe furzen sich Nachrichten zu
Beteiligt am Orchester ist oft die Schwimmblase, die bei den meisten Knochenfischen dafür sorgt, dass sie auch ohne Schwimmbewegungen im Wasser schweben können. Piranhas und Krötenfische «bellen», indem sie den sogenannten Trommelmuskel – der schnellste Muskel, den man bislang im Tierreich kennt – auf die mit Luft gefüllte Schwimmblase knallen lassen. Heringe drücken die Luft aus der Schwimmblase durch den Anus und können ihrem Darm dadurch Töne von bis zu 7,6 Sekunden mit einem Tonspektrum von über drei Oktaven entlocken. Man vermutet, dass die klangvollen Fürze, die übrigens geruchsfrei sind, der nächtlichen Kommunikation im Schwarm dienen. 

Auch in unseren heimischen Seen und Flüssen wird es regelmäs­sig laut. Kaum einer weiss das so gut wie der Berner Roland Kurt, der gemeinsam mit dem inzwischen verstorbenen Herbert Tiepelt zu den Ersten gehörte, die die Lautsprache der mitteleuropäischen Süsswasserfische erforscht haben. «Mittlerweile haben wir acht lautaktive Fischarten identifiziert: Rotauge, Brachse, Karpfen, Flussbarsch, Sonnenbarsch, Zander, Wels und Hecht», sagt der leidenschaftliche Angler, für den seine intensiven Forschungsarbeiten mit Hydrofon und Kamera vor rund zwölf Jahren zunächst als Hobby begannen.

Ein Fischchor von einer nicht identifizierten Art, ebenfalls von Forscher Robert McCauley vor Perth aufgenommen:

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Kurt arbeitet heute eng mit der Universität Bern zusammen. Sein Lieblings-Fischklang ist das Jagdgeräusch des Zanders. «Der Zander schleicht sich an wie eine Raubkatze, und wenn er direkt vor dem Beutefisch ist, stösst er seinen typischen Peitschenknall aus. Das ist so laut, dass man es sogar mit blossem Ohr hören kann, und mit Abstand das lauteste Geräusch in unserem Süsswasser», sagt Kurt. 

Man vermutet, dass der Zander seine Beutefische mit dem Knall in eine Schockstarre versetzt, um sie dann einfacher fangen zu können. Wie genau der Raubfisch das Geräusch erzeugt, weiss man noch nicht sicher, Kurt arbeitet aber daran. «Das herauszufinden ist sehr schwierig», sagt er. Es sei sehr wahrscheinlich, dass es sich um eine Stridulation handle, also um das Aneinanderreiben zweier beweglicher Körperteile im Kopfbereich des Zanders. «Die Schwimmblase dient vermutlich als akustischer Verstärker.»

Auch die Verursacher dieses Geräusches haben McCauley und sein Team noch nicht identifiziert:

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Laute sind nicht die einzige Möglichkeit, um unter Wasser zu kommunizieren. Einige Fische senden elektrische Impulse aus, andere nutzen die Biofluoreszenz, also Leuchtsignale. Manche teilen sich mithilfe von Duftstoffen mit, viele machen ihren Artgenossen über Farbveränderungen und Flossenstellung klar, was sie wollen. Oftmals werden verschiedene Kommunikationsmittel kombiniert. «Das ist so ähnlich wie bei uns: Wir nutzen ja neben der Sprache auch noch Gestik und Mimik, um uns auszudrücken», sagt Boris Chagnaud. 

Trotzdem mögens Fische ruhig
Ob es artübergreifende Kommunikation bei Fischen gibt, weiss man noch nicht. Fest steht jedenfalls schon, dass Fische andere Wasserbewohner gut hören können – dank sogenannten Gehör­steinchen, die im Körperinneren auf Schallwellen reagieren. Natürlich hören Fische so auch Bootsmotoren, Wasserkraftwerke oder Druckluftkanonen, die zur Ölsuche eingesetzt werden. Von Meeressäugern wie Walen und Delfinen, aber auch von Kopffüsslern wie Tintenfischen ist bekannt, dass die Lärmbelästigung zu extremen Beeinträchtigungen führt. 

Inwieweit das auch Fische betrifft, ist noch nicht näher untersucht worden. «Ich denke, dass die Kommunikation, die bei Fischen ja meist nur über mehrere Meter stattfindet, trotzdem funktioniert», sagt Chagnaud. Aber natürlich bedeute grosser Lärm auch für Fische Stress, der sie langfristig anfälliger für Krankheiten mache. Zumal man auch beobachtet hat, dass Fische sehr laute Orte verlassen, zum Beispiel die Baustellen von Ölplattformen. 

Literaturtipp: Roland Kurt: «Stumm wie ein Fisch? Das akustische Leben im Süsswasser», Mächler Verlag, ISBN 978-3-905678-38-3, ca. Fr. 45.– 

Hörtipp: Fischklängen lauschen auf Boris Chagnauds Internetseite: b-p-chagnaud.net.