Stellen Sie sich vor, drei Viertel der Frauen hätten Bärte. Zwar keinen ganz so buschigen Bartwuchs wie die Herren der Schöpfung, aber doch ganz anständige Stoppeln, die da aus dem Damengesicht spriessen. Genau so verhält es sich nämlich bei den Stachelleguanen. Genauer: Bei der Art Sceloporus undulatus, die im Süden der Vereinigten Staaten lebt.

Was bei den Menschen nur einen kleinen Teil der weiblichen Population betrifft, ist bei den Stachelleguanen die Regel: männliche Körpermerkmale. Typisch männlich ist bei den zwischen 10 und 20 Zentimeter langen Echsen die blaue Färbung von Kinn und Bauch. Das Blaue Kinn wird dementsprechend als «Bart» bezeichnet. Neben den Männchen haben aber auch etwa 75 Prozent der Weibchen solche Bärte.

Und trotzdem, haben Forscher von der Penn State University nun herausgefunden: Die Leguanmännchen bevorzugen ihre Weibchen bartlos. Geht es um die Paarung, werden die bärtigen Mannsweiber in der Regel links liegen gelassen, wenn sich in der Nähe eine reine, bartlose Schönheit aufhält. 

Bärtige Weibchen legen ihre Eier später
In einer Publikation im Fachjournal «Biology Letters» vom Dienstag berichten Biologin Tracy Langkilde und Biologiestudentin Lindsey Swierk über die Gründe für die Abneigung gegen die «bärtigen Damen». Herausgefunden haben sie Unterschiede in der Eiablage der Weibchen. Die bärtigen Weibchen legen nämlich nicht nur leichtere Eipakete, sie legten diese im Durchschnitt auch 13 Tage später als ihre bartlosen Artgenossinnen. Ein grosser Nachteil im Überlebenskampf, denn die Jungtiere, die später schlüpfen, haben im Anschluss deutlich weniger Zeit, sich genügend Nahrung anzufressen, um den harten Winter zu überstehen.

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  Eine «Bärtige Dame» mit zwar schwächerer, aber doch sichtbarer Blaufärbung.
  Bild: Langkilde lab, Penn State University
 

Ein einleuchtender Grund für die Männchen also, sich Weibchen ohne Blaufärbung zur Paarung auszusuchen, doch mit dieser Erkenntnis stellt sich den Forscherinnen eine neue Frage: Wenn doch die bartlosen Stachelleguan-Weibchen deutliche Vorteile bei der Fortpflanzung haben und auch von den Männchen favorisiert werden, wieso sind sie denn so stark in der Minderheit?

Langkilde und Swierk vermuten, hier sei «Evolution live» zu erleben: «Was wir hier vermutlich gerade beobachten, ist der Trend zum Sexualdimorphismus», erklärt Swierk. Das heisst, die Weibchen könnten in der Vergangenheit nicht nur zu drei Vierteln, sondern allesamt bärtig gewesen sein und sich nun mehr und mehr von den Männchen unterscheiden. In einigen Generationen würde das Verhältnis dann auf die Seite der bartlosen Damen kippen.

Agressive Liebhaberinnen und sexy Söhne
«Es kann aber auch sein, dass bärtige Weibchen andere evolutionäre Vorteile haben», ergänzt Langkilde. Die blaugefärbten Weibchen hätten vermutlich mehr Testosteron im Körper könnten daher in Liebesdingen aggressiver und forscher zu Werk gehen als ihre Artgenossinnen ohne Färbung. Sie könnten also die Paarung eher erzwingen. Ausserdem sei es möglich, dass sie ihre Nachkommen besser gegen mögliche Feinde verteidigen können.

Und dann wäre da noch der «sexy Sohn»: Männliche Nachkommen von zwei so testosterongeladenen Stachelleguanen würden – wenn sie denn durch den Winter kommen – vor männlichen Hormonen nur so sprühen und ihrerseits jedes Leguanweibchen zum Schmelzen bringen. Viele Enkelkinder wären also vorprogrammiert.