Die Geschichte fängt Ende Februar an. Vor den Büros des Desert Research Instituts in Reno, im US-Bundesstaat Nevada tobt ein Kampf. Zwei Virginia-Uhus – ein Männchen und ein Weibchen – streiten sich mit zwei Raben um den Brutplatz auf dem Fenstersims des Gebäudes. Die Uhus gewinnen das Gerangel, die Raben suchen das Weite. Die Mitarbeiter des Instituts sind erstaunt und freuen sich, diese grossen Eulen in solch unmittelbarer Nähe zu haben. Dies berichtet der «National Geographic».

Dann aber passiert etwas völlig Unerwartetes. Ein zweites Weibchen taucht auf. Beide Weibchen legen Eier, insgesamt fünf, nur etwa 30 Zentimeter von einander entfernt. Das Männchen bringt derweil fleissig Mäuse nach Hause – für beide seiner Partnerinnen.

Wie Experten im «National Geographic» erzählen, sei bei Virginia-Uhus Polygamie noch nie beobachtet worden. Bei Europäischen Uhus komme das Verhalten vor, wenn auch selten. Aber Virginia-Uhus gelten als Monogam, ist doch Polygamie mit einem ziemlichen Mehraufwand im Heranschaffen von Beute verbunden. Ausserdem gelten diese Vögel als territorial. Sie dulden normalerweise keine Eindringlinge an ihren Brutplätzen. So fasst denn auch David Catalano, Ornithologe der Wildtierbehörde von Nevada zusammen: «Das Ganze ist sehr, sehr seltsam.»

«Fehlgeleitete Fürsorge»
Noch ein bisschen seltsamer ist wohl, was als Nächstes geschieht. Das zweite Weibchen sei zwar das Grössere, sagt Catalano, doch habe es schlecht zu seinen Eiern geschaut. Die Küken seien nicht geschlüpft. Als aber zwei kleine Uhus aus den Eiern des ersten Weibchen schlüpfen, beginnt das zweite Weibchen für sie zu sorgen, als wären es seine eigenen Kinder. Catalano vermutet, dass das zweite Weibchen das wohl auch tatsächlich glaubt. Er spricht von «fehlgeleiteter elterlicher Fürsorge». Es könne aber auch sein, dass die beiden Weibchen verwandt seien, was erklären würde, warum sie – bis auf ein paar gelegentliche Zankereien – so gut mit einander auskommen.

Die wohlbehüteten kleinen Uhus indes haben mittlerweile das Nest verlassen, wie die Wildtierbehörde mitteilt. In der Umgebung des Nests werden sie noch von ihren drei Eltern betreut, wagen sich dabei aber immer weiter weg. Bis im Herbst werden sie sich noch hier aufhalten, bevor sie dann losfliegen, um sich ein eigenes Revier zu suchen.

Einer der beiden Junguhus nach dem Verlassen des Nests (Video: NV Dept of Wildlife):

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