Vor gut einem Jahr sorgte Alba in den Medien für Furore. Die Stiftung Borneo Orangutan Survival, die auch in der Schweiz tätig ist, hatte den Albino-Orang-Utan abgemagert und geschwächt in einem Dorf in Borneo gefunden, ihn aufgepäppelt und schliesslich wieder ausgewildert («Tierwelt Online» berichtete). Zwar gilt Alba als einziger bekannter Albino-Orang-Utan, aber über das ganze Tierreich betrachtet ist das Affenweibchen keineswegs alleine: Wie bei uns Menschen tritt Albinismus bei zahlreichen Tierarten auf. 

Albinismus ist eigentlich eine Bezeichnung für eine Gruppe von angeborenen Stoffwechselerkrankungen, die zu einer Störung der Herstellung des dunklen Pigments Melanin im Körper führen. Ohne diesen Farbstoff bleiben Haut, Fell oder Gefieder weiss. Allerdings sind nicht alle weissen Tiere Albinos. Die weisse Pelzfarbe des Eisbären etwa beruht nicht auf dem Gendefekt, sondern ist eine Anpassung an seinen Lebensraum.

Immer wieder heisst es, die Augen von Albinos seien rot. Das stimmt genau genommen nicht: Die Iris im Auge von Albinos ist, wie bei nicht Betroffenen, blau, blau-grau oder grün-braun gefärbt. Allerdings ist die Färbung so blass, dass die Iris fast durchsichtig ist. Durch sie schimmert Blut hindurch, welches in kleinen Äderchen im Augenhintergrund verläuft. Das erzeugt einen roten Augen-Eindruck. Ein ähnlicher Effekt tritt bei normal pigmentierten Menschen oder Tieren durch das Blitzlicht einer Kamera auf.

Man kennt das Phänomen Albinismus bei Tigern, Walen, Eichhörnchen, Fischen und Vögeln. Es gibt sogar Albino-Eisbären. Allerdings tritt Albinismus relativ selten auf. Albino-Nachwuchs entsteht nämlich nur dann, wenn beiden Elternteilen das verantwortliche Gen fehlt. Die Häufigkeit dieser Gendefekte ist allerdings nicht bei allen Arten gleich gross. Bei Pinguinen liegt die Wahrscheinlichkeit, mit Albinismus geboren zu werden, bei eins zu einer Million. Bei Wildschweinen und Ratten ist die Chance deutlich höher und liegt etwa bei 1:500. Bei Menschen kommt Albinismus im Verhältnis 1:20 000 vor.

Weisse Elefanten gehören dem König
Generell haben es die Albinotiere in freier Wildbahn nicht leicht. Gerade bei Arten, die normalerweise durch eine dunkle Haut- oder Fellfarbe gut getarnt sind, fallen die Albinoversionen natürlich viel stärker auf und werden leichter von Raubtieren erbeutet. Albinos sind auch besonders anfällig für Hautschäden durch die UV-Strahlung der Sonne. Sie erkranken deshalb häufiger an Hautkrebs. Das ist auch der Grund, weshalb weisse Kängurus in einem Zoo in Australien regelmässig mit Sonnencreme eingerieben werden.

Zudem geht Albinismus mit einer höheren Lichtempfindlichkeit der Augen, einer geringeren Sehschärfe und mit Problemen beim räumlichen Sehen einher. Dazu kommen soziale Probleme. «Normale» Artgenossen schliessen Albinos oft aus oder mobben sie. Und bei der Partnersuche sind Albinos – weil sie nicht der tierischen Norm entsprechen – oft nur zweite Wahl. Solche Ausgrenzungen kommen auch bei uns Menschen vor.

Manchmal bringt einem Tier sein Albinismus allerdings auch gewisse Vorteile. Das gilt vor allem für Albino-Tiere, die in menschlicher Obhut leben. In Zoos sind sie oft die Publikumslieblinge. In Thailand gelten Albino-Elefanten als heilig und sind ein Symbol für königliche Macht. Noch heute gilt: Je mehr weisse Elefanten ein thailändischer König besitzt, desto grösser ist sein Ansehen. Nach dem «Elephant Maintenance Act» aus dem Jahr 1921 müssen alle neu entdeckten weissen Elefanten dem König präsentiert werden. Der vor wenigen Jahren verstorbene Herrscher Bhumibol Adulyadej besass gleich zehn der seltenen hellen Dickhäuter. 

Wird zu Beginn der Regentschaft eines neuen Königs irgendwo in Thailand ein neuer Albino-Elefant entdeckt, gilt das als Hinweis, dass die Herrschaft des jungen Königs unter einem guten Stern stehen wird. Bis ins Jahr 1917 schmückte gar ein weisser Elefant auf rotem Grund die Staatsflagge Siams, wie Thailand damals hiess. 

Die Stadt der Albinohörnchen
Aber auch wild lebende Albinos haben – neben all den Nachteilen – durch ihre Fellfarbe einen kleinen Vorteil: Ein dunkles Fell strahlt nämlich mehr polarisiertes Licht aus als ein helles. Und da polarisiertes Licht zum Beispiel Bremsen geradezu magisch anzieht, werden Albinos deutlich seltener von Bremsen gestochen als Tiere mit einem dunklen Fell. Das bedeutet weniger schmerzhafte Stiche und ein deutlich niedrigeres Risiko, von krankheitserregenden Viren oder Bakterien befallen zu werden, welche Bremsen übertragen können. 

Zuweilen schaffen es wild lebende Albinotiere sogar, zum Markenzeichen eines Orts zu werden. Zum Beispiel leben im Städtchen Olney im US-Bundesstaat Illinois Dutzende Albino-Grauhörnchen. Sie sind bei den Bewohnern so beliebt, dass sie im Strassenverkehr per Gesetz Vorrang haben. Wer ein Albino-Grauhörnchen in Olney überfährt, bekommt deshalb eine Busse von 750 Dollar aufgebrummt – von der örtlichen Polizei, auf deren Streifenwagen als Logo ein Albino-Hörnchen prangt.