Staatsrat Jacques Melly ordnete am Dienstag den Abschuss des Wolfes an, der zwischen dem 25. Juni und dem 25. August im Turtmanntal und der Augstbord-Region 44 Schafe gerissen hat, wie die Walliser Staatskanzlei mitteilte. Der Entscheid stütze sich auf das Jagdgesetz und die Jagdverordnung des Bundes. Die Abschussbewilligung gilt für 60 Tage und solange es auf den betroffenen Alpen noch Schafe hat, wie die Staatskanzlei schreibt.

Gemäss den Bestimmungen der eidgenössischen Jagdgesetzgebung darf ein Wolf laut dem Kanton Wallis abgeschossen werden, wenn dieser in seinem Streifgebiet mindestens 15 Schafe getötet hat, nachdem im Vorjahr bereits Schäden zu verzeichnen waren. Die Schäden dürften allerdings nur berücksichtigt werden, wenn zumutbare Schutzmassnahmen ergriffen worden seien.

Staatsrat: Bedingungen erfüllt
Staatsrat Melly kam zum Schluss, dass die Alpbetreiber von Törbel-Bürchen und Oberems-Turtmanntal die betrieblich zumutbaren Massnahmen umgesetzt haben, so zum Beispiel das Zusammenlegen der Alpen, die ständige Behirtung, Umzäunungen und Nachtpferchen. Im Oberems-Turtmanntal wurden zudem auch Schutzhunde eingesetzt. Der Staatsrat erachtete die gesetzlichen Bestimmungen für die Abschussbewilligung deshalb als erfüllt. Trotz der Herdenschutzmassnahmen griff der Wolf in der Augstbord-Region zuletzt auch eine geschützte Koppel an und tötete eines der Schafe. Resultate von DNA-Analysen bestätigen die Präsenz von insgesamt drei verschiedenen Wölfen im betreffenden Gebiet, wie die Walliser Staatskanzlei am Dienstagabend ergänzend mitteilte.

Es ist nicht der erste Wolf, der sein Leben auf behördliche Anordnung lassen muss. Bereits Anfang August bewilligte der Kanton Wallis den Abschuss eines Wolfes, der im Vallon de Rechy und im Val d'Anniviers innerhalb von knapp zwei Monaten 38 Schafe gerissen hatte. Im Juni bewilligten die Urner Behörden den Abschuss eines Wolfes. Beide Tiere konnten allerdings bis jetzt nicht gefunden werden, in Uri wurde die Abschussbewilligung nicht verlängert («Tierwelt Online» berichtete).

Abschussbewilligung nicht gegen bestimmtes Tier
Die Analysen aus dem Wallis wiesen die aus dem Vorjahr bekannte Wölfin F14, den ebenfalls bekannten Wolf M46 sowie ein neues Tier als Urheber der Schafsrisse nach. Dem neuen Wolf wurde die Bezeichnung M59 zugeteilt.

Die Abschussbewilligung gelte nicht für einen bestimmten Wolf, sondern für ein bestimmtes Schadensgebiet, sagte Peter Scheibler, Chef der Walliser Dienststelle für Jagd, Fischerei und Wildtiere, am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. Es könne damit einen der nachgewiesenen Wölfe oder aber auch ein anderes Tier treffen.

Rechtmässigkeit hinterfragt
Die Umweltorganisationen WWF und Pro Natura zweifeln indes an der Rechtmässigkeit des Entscheids. Im Gegensatz zum Vallon de Rechy und zum Val d'Annivers habe es im Turtmanntal schon seit Jahren immer wieder Wolfsrisse gegeben, lässt der WWF in einer Mitteilung verlauten. Dennoch sien in diesem Jahr erst nach Auftreten der ersten Risse Sofortmassnahmen umgesetzt worden, die aber in den meisten Fällen keinen funktionierenden Herdenschutz darstellten. Damit widersprechen die Umweltschützer dem Walliser Staatsrat.

Es seien in der Gegend ausserdem zwei Wölfe, ein Männchen und ein Weibchen, präsent und es bestehe die Möglichkeit, dass sich das zweite Wolfsrudel der Schweiz gebildet habe, heisst es beim WWF weiter. Somit sei nicht der Kanton Wallis, sondern das Bundesamt für Umwelt (BAFU) für das erteilen einer Abschussbewilligung zuständig. Der WWF und Pro Natura prüfen eine Beschwerde.