Der Siebte Sinn
Tierische Vorahnungen retten Menschen das Leben
Ziegen und Kröten spüren lange vor dem Menschen, wenn Naturkatastrophen drohen. Manche Forscher glauben, dass Tiere als Frühwarnsysteme für Erdbeben oder Vulkanausbrüche dienen können.
Es ist fast auf den Tag genau zehn Jahre her, dass ein verheerender Tsunami rund um den Indischen Ozean eine Tragödie auslöste. Rund 230 000 Menschen verloren am Stephanstag 2004 ihr Leben. Es war eine der grössten Naturkatastrophen, die es je gab. Auch der Yala-Nationalpark Sri Lankas blieb nicht von den Monsterwellen verschont. Tote Tiere wurden dort trotzdem nicht gefunden. So flohen beispielsweise Elefanten ins Landesinnere – lange bevor der Tsunami auf die Küste traf. In anderen überfluteten Gebieten fand man ebenfalls fast keine Tierkadaver.
Dass Tiere Naturkatastrophen im Voraus spüren können, zeigt auch eine interessante Beobachtung der Zoologin Rachel Grant. Sie zählte 2009 in Italien für ihre Doktorarbeit paarungswillige Erdkröten. An den Laichplätzen hüpften Ende März rund 80 Männchen, um nach dem anderen Geschlecht zu spähen. Doch ein paar Tage später war es plötzlich vorbei mit der Brautschau. Rachel Grant traute ihren Augen nicht und war völlig ratlos. Am 6. April wusste sie, warum die Kröten verschwunden waren: Ein Erdbeben der Stärke 6,3 zerstörte die nahe gelegene Stadt L’Aquila. Erst nach dem letzten, starken Beben am 16. April kehrten die Tiere zurück. Grant schliesst dabei einen Zufall aus.
Verlässlicher als moderne Technik
Der Verhaltensforscher Martin Wikelski vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell am Bodensee glaubt ebenfalls an das besondere Gespür von Tieren. Aus diesem Grund startete er 2011 einen Feldversuch mit Ziegen an den Hängen des Vulkans Ätna. Statt Glöckchen bekamen sie Halsbandsender. Dadurch liess sich der Weg und das Verhaltensmuster jedes einzelnen Tieres zurückverfolgen. Um die Ergebnisse statistisch abzusichern, führten Wikelski und sein Team die Studie zwei Jahre fort. In dieser Zeit kam es zu sieben grösseren Vulkanausbrüchen. Und jedes Mal waren die Ziegen bereits Stunden vorher unruhig und flüchteten unter Büsche oder Bäume.
Dank dieses Verhaltens hätten die Wissenschaftler die Vulkanausbrüche besser vorhersagen können als mit den modernsten technischen Geräten. «Wie die Ziegen das schaffen, wissen wir noch nicht», sagt Wikelski. Er vermutet, dass die Wiederkäuer den Geruch der aufsteigenden Magma frühzeitig wahrnehmen. Nun möchte der Forscher, dass im Rahmen des Projekts ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) eine Antenne an der Raumstation ISS installiert wird, um Tierbewegungen aus dem All aufzuzeichnen. Damit lassen sich möglicherweise eines Tages weltweite Vorhersagen von Naturkatastrophen ableiten.
Hunde können mental beeinflusst werden
Mit dem Phänomen der übersinnlichen Kräfte bei Tieren beschäftigt sich auch der britische Biologe Rupert Sheldrake. Er hat fünf Jahre lang mithilfe von über 2000 Tierhaltern und -trainern das Wahrnehmungsvermögen von Haustieren erforscht. Dabei ging es ihm vor allem um Telepathie und andere unerklärliche Fähigkeiten, die für die Schulwissenschaft ein Tabu darstellen. In seinem Buch «Der siebte Sinn der Tiere» präsentiert er eine Sammlung von verblüffenden Erfahrungsberichten.
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Rupert Sheldrake: «Der siebte Sinn der Tiere», gebunden, 443 Seiten, Verlag: Fischer Scherz, ISBN: 978-3-502-15190-6, ca. Fr. 30.– |
Eine Umfrage unter 1200 Katzenhaltern ergab, dass knapp zehn Prozent der Stubentiger zu wissen scheinen, wann ihre Besitzer jeweils heimkommen. «Mein Freund hat mir zu Weihnachten ein Kätzchen namens Sami geschenkt. Fast jeden Abend schaute er nach der Arbeit bei mir vorbei. Ich wusste immer schon vorher, wenn er kam, weil Sami sich etwa zehn Minuten vor seiner Ankunft an die Tür setzte – dabei kam er zu unterschiedlichen Zeiten», berichtet etwa eine Katzenhalterin. Laut Sheldrake handelt es sich in praktisch allen Geschichten um ein Verhalten, das sich nicht mit Routine, vertrauten Geräuschen oder anderen einfachen Ursachen erklären lässt.
Der halbwüchsige Sohn von Carlos Sarasola aus Buenos Aires kam beispielsweise oft spät heim. Sein Vater war dann jeweils, wie auch Kater Lennon, bereits schlafen gegangen. Sarasola bemerkte, dass Lennon plötzlich vom Bett sprang, zur Wohnungstür lief und dort ungefähr 10 bis 15 Minuten wartete, bis sein Sohn mit dem Taxi kam. Er beobachtete dieses Verhalten und stellte fest, dass der Kater lange vor der Ankunft des Autos reagierte. «Eines Nachts hörte ich, wie mehrere Taxis vor unserem Gebäude anhielten. Lennon blieb aber ruhig liegen», berichtet Sarasola. «Erst einige Zeit später ging er wieder zur Tür. Kurz danach kam das Taxi mit meinem Sohn.»
Ein weiteres verblüffendes Beispiel sind die Experimente des russischen Neurophysiologen Wladimir Bechterew (1857– 1927). Er war von einer Hundenummer fasziniert, die er in einem Zirkus in St. Petersburg gesehen hatte. Ein Foxterrier schien auf die mentalen Befehle seines Trainers zu reagieren. Dieser erkärte Bechterew, seine Methode bestehe darin, die Aufgabe, die der Hund ausführen sollte, zu visualisieren – etwa ein Buch von einem Tisch zu holen – und dann den Kopf des Hundes zwischen seinen Händen zu halten und ihm in die Augen zu sehen. «Ich präge in sein Gehirn ein, was ich mir zuvor in mein eigenes eingeprägt habe. Ich stelle ihm mental den Teil des Fussbodens vor, der zum Tisch führt, dann die Beine des Tisches, dann das Tischtuch und schliesslich das Buch. Dann gebe ich ihm den Befehl. Er nähert sich dem Tisch und packt das Buch mit den Zähnen.»
Magnetfelder als Erklärungsansatz
Was nach Hokuspokus klingt, untersuchte Bechterew, indem er eine Reihe von Versuchen durchführte. Daraus schloss er, dass Hunde direkt beeinflusst werden können, ohne dass sie durch irgendwelche sichtbaren Zeichen geleitet werden. «Es wäre wichtig, nicht nur die Bedingungen zu untersuchen, die die Übertragung des mentalen Einflusses vom Übermittler zum Empfänger regeln, sondern auch die Umstände, die bei der Hemmung wie der Ausführung derartiger Suggestionen von Belang sind», schrieb Bechterew. Doch dazu ist es laut Sheldrake bis heute nicht gekommen.
Die Liste von Fällen tierischen Verhaltens, die über das wissenschaftliche Verständnis hinausgehen, liesse sich noch beliebig verlängern: Pferde, die über unvertrautes Terrain nach Hause finden. Katzen, die ihren Haltern nicht von der Seite wichen, als sie den Beschluss fassten, sich umzubringen. Und Kaninchen, die ihre Besitzer jeweils einige Minuten vor epileptischen Anfällen warnten, indem sie wie verrückt um ihre Beine flitzten.
Rupert Sheldrake erklärt diese spezielle Verbindung mit sogenannten morphogenetischen Feldern. Dabei handelt es sich um Felder, die mit einem Magnetfeld vergleichbar sind und soziale Muster und Aktivitäten bilden. Der Brite ist sich aber bewusst, dass dies nicht als umfassender Lösungsansatz ausreicht. «Nachdem ich die unerklärlichen Kräfte von Tieren 15 Jahre lang ausgiebig erforscht habe, bin ich zu der Schlussfolgerung gelangt, dass viele Geschichten, die von Haustierhaltern erzählt werden, wohlbegründet sind», sagt Sheldrake. «Manche Tiere verfügen anscheinend wirklich über Kräfte der Wahrnehmung, die die uns bekannten Sinne übertreffen.»
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