Tierwelt 35/2013
Walblut färbt die Fjorde rot
Fast 1100 Grindwale und Delfine sind zwischen Ende Juli und Mitte August auf den nordischen Färöer-Inseln abgeschlachtet worden. Ein bitterer Rückschlag für die Wal- und Delfinschützer. Trotzdem gibt es Anlass zur Hoffnung.
Der 13. August 2013 sollte zum Unglückstag für die Grindwale und Delfine um die Färöer-Inseln werden. An jenem Tag mussten auf dem abgelegenen Archipel zwischen Schottland und Island so viele Meeressäuger sterben wie seit 19 Jahren nicht mehr. Zuerst entdeckte ein Fischer nahe der Insel Sandoy eine stattliche Schule Grindwale. Die Inselbewohner riefen eine Treibjagd aus. 135 der bis zu sechs Meter langen Zahnwale, die zur Familie der Delfine gehören, lagen schliesslich erlegt in einer kleinen Bucht beim Fischerdorf Húsavik.
Am selben Vormittag entdeckten Fischer ausserhalb der südlichsten Insel Suðuroy eine sehr grosse Schule von Meeressäugern, die sie zunächst nicht identifizieren konnten. War es eine gemischte Gruppe von Delfinen und Grindwalen? Würde man die Grindwale von den Delfinen trennen können? Auch hier wurde ein «Grindadráp», wie die Färöer diese Treibjagd nennen, ausgelöst. Bis zum Abend töteten Bewohner des Bezirks Hvalba und benachbarter Gemeinden 430 atlantische Weissseitendelfine – darunter kein einziger Grindwal. So hatten an jenem Tag 565 Kleinwale und Delfine ihr Leben gelassen.
Das Fleisch der Grindwale ist stark belastet und sollte nicht verzehrt werden
Sigrid Lüber von OceanCare, zeigt sich bestürzt. «Es ist zwar nach färöischem Gesetz nicht illegal, Weissseitendelfine zu töten. Aber das Tierleid ist unvorstellbar gross», sagt die Präsidentin der Schweizer Organisation zum Schutz der Meeressäuger. 430 Tiere seien eine enorme Zahl – auch weil die Belastung durch das von Schadstoffen wie Quecksilber und PCB verseuchte Delfin- und Grindwalfleisch für Konsumenten gross sei. «Seit 20 Jahren forscht und klärt OceanCare in diesem Bereich auf, in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und auch mit färöischen Wissenschaftlern.»
Pál Weihe, Leiter der Abteilung für öffentliche Gesundheit auf den Färöern, warnt seit den 1980er-Jahren vor dem Verzehr von Grindwal- und Delfinfleisch: zum Beispiel wegen stark erhöhter Quecksilberwerte, die verschiedenste gesundheitliche Konsequenzen bedeuten. Weihes Warnungen werden auf den Färöern gehört – zumindest teilweise. So verzichten heute junge färöische Frauen und schwangere Mütter weitgehend auf solches Fleisch. «Trotzdem töten die Färinger auch heutzutage noch so viele Grindwale und Delfine», wundert sich Lüber: «Man muss sich schon fragen, was denn mit den gewaltigen Mengen an Wal- und Delfinfleisch geschieht, das ausschliesslich zum Eigenverzehr gedacht ist.»
Krasser Gegensatz zur Schönheit der Inseln
Innerhalb von nur 24 Tagen, zwischen dem 21. Juli und dem 13. August, fielen den Delfinjägern 1085 Delfine und Grindwale zum Opfer. Dabei hatte das Jahr so hoffnungsvoll begonnen für Walschützer, ohne eine einzige Grindwaljagd bis Mitte Juli. Umso verstörender wirken nun all die Bilder, die in sozialen Medien wie Facebook und diversen Portalen online gestellt sind. «Für viele Menschen ausserhalb der Färöer müssen diese Bilder in völligem Gegensatz stehen zum Ruf der Inseln für ihre Naturschönheit und Reinheit», vermutet Lüber: «Zweifellos überschatten die Wal- und Delfintötungen das Image, das die Inseln gerne präsentieren.»
Tatsächlich sind die Färöer-Inseln ein Reich der Kontraste. Zu den Naturschönheiten kommen äusserst gastfreundliche, offene, gesellige und liebenswürdige Menschen, die man ins Herz schliesst. Es ist schwierig, die Färöer und ihre Bewohner nicht zu mögen. Und genau hierin liegt die Chance und Hoffnung für die Zukunft: im Dialog.
Über Jahrhunderte waren die Färöer ein isoliertes Inselreich mit einem zusammengeschweissten kleinen Wikingervolk, das unter harten klimatischen Bedingungen mit Zähigkeit und Beständigkeit die Unterdrückung durch verschiedene Grossmächte erduldete, Hungersnöte und viele andere Entbehrungen überstand. So gesehen ist es beeindruckend, dass die färöische Kultur bis zum heutigen Tag überdauert hat. Dazu gehört auch die Grindwaljagd. Bis ins 19. Jahrhundert konnte die Sichtung von Grindwalen darüber entscheiden, ob eine Gemeinde satt oder hungrig durch den Winter kam.
Jagdbeginn in Japan Jedes Jahr am 1. September eröffnet Taiji, ein Fischerdorf an der Südspitze der japanischen Hauptinsel, die Saison zur Delfinjagd. Sie dauert jeweils bis im März. Die diesjährige Fangquote dürfte ungefähr 2100 Tiere betragen, aufgeteilt auf verschiedene Delfinarten, darunter auch Grindwale. Ähnlich wie auf den Färöer-Inseln werden die Meeressäuger mit Booten in eine Bucht getrieben und getötet. Lukrativ ist der Fang nur, weil die Jäger gemeinsam mit Delfintrainern die schönsten Tiere bestimmter Arten aussortieren für den Verkauf an Delfinarien in aller Welt. Der Film «Die Bucht» («The Cove»), der 2010 den Oscar als bester Dokumentarfilm gewann, hat das Treiben der Delfinjäger an die Öffentlichkeit gebracht. Seither ist die Zahl getöteter Delfine in Taiji gesunken, auf weniger als 1000 Tiere pro Jahr – die Fangquote wird längst nicht mehr ausgeschöpft. Die japanischen Delfinjäger behaupten, seit einigen Jahren eine von den Färingern übernommene Tötungsmethode zu verwenden. Durch den Genickschnitt mit einem scharfen Metallstab seien die Delfine sofort tot. Aufnahmen versteckter Kameras entlarven diese Behauptungen aber als Lügen: Die Delfine sterben weiterhin qualvoll und langsam. Den Trailer zum Film finden Sie ganz unten. |
In kleinen hölzernen Ruderbooten stellten die Männer den Walen nach und versuchten, sie in eine Bucht zu treiben. Schafften sie es, einzelne Tiere töten, bestand die Chance, dass sie die gesamte Walschule erlegen konnten; denn Grindwale haben einen extremen Zusammenhalt und versuchen sich gegenseitig zu Hilfe zu eilen.
Dieses soziale Verhalten wird den Meeressäugern auch heute zum Verhängnis. Allerdings ist der Kampf im Gegensatz zu früher völlig ungleich. Es hat mit der alten Tradition nicht mehr viel gemein, wenn Einheimische heutzutage mit hochmodernen, PS-starken Yachten, Schnellbooten und Jetskis den Grindwalen nachstellen. Zwar haben die Walfänger Methoden entwickelt, wie sie ihre Beute mittels einer Art Lanze rasch töten können, indem sie ihnen gleichzeitig das Genick und die Hauptschlagader durchtrennen – wenn sie denn richtig treffen (siehe auch Kasten). So oder so ist die erschöpfende Hetze über bis zu zehn Seemeilen und die anschliessende systematische Tötung im blutigen Wasser für diese intelligenten, hochsensiblen und sozialen Tiere eine Tortur.
Auch eingefleischten Jägern ist klar, dass die Waljagd keine Zukunft hat
Die Färöer, ein weitgehend autonomer Kleinstaat unter dänischer Hoheit, haben einen mit der Schweiz vergleichbaren Lebensstandard. Kein Inselbewohner ist auf den Fang von Grindwalen angewiesen. Selbst eingefleischte Befürworter der Grindwaljagd, die keine Gelegenheit auslassen, um an einem «Grindadráp» teilzunehmen, räumen ein, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis der Grindwalfang bloss noch ein Kapitel der Geschichtsschreibung ist.
Der Autor ist Geograf, Journalist und Buchautor. Er engagiert sich für den Wal- und Delfinschutz. Gemeinsam mit Delfinschützer Richard O’Barry hat er «Die Bucht» geschrieben, das Buch zum gleichnamigen, oscarprämierten Film.
Links:
www.oceancare.org
www.diebucht.ch
[EXT 1]
Trailer zu «Die Bucht». Quelle: YouTube/diebucht
Dieser Artikel wurde automatisch auf unsere neue Website übertragen. Es kann daher sein, dass Darstellungsfehler auftreten. Diese können Sie uns mit folgendem Formular melden. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Bitte loggen Sie sich ein, um die Kommentarfunktion zu nutzen.
Falls Sie noch kein Agrarmedien-Login besitzen:
Jetzt registrieren