Endlich Nachwuchs
Wilde Schweizer Schildkrötchen
Seit sieben Jahren wildern Reptilienschützer Europäische Sumpfschildkröten in der Schweiz aus. Nun haben sie erstmals Jungtiere im Freiland gefunden.
Noch vor wenigen Jahren galt die Europäische Sumpfschildkröte als praktisch ausgerottet in der Schweiz. Zwar existierte im Naturschutzgebiet Moulin-de-Vert im Kanton Genf eine Population von rund 200 ausgewachsenen Tieren. Doch die Europäische Sumpfschildkröte kommt in ihrem grossen Verbreitungsgebiet (siehe Kasten) in nicht weniger als elf Unterarten vor. Und Gentests zeigten, dass es sich bei den Genfer Tieren nicht um die in der Schweiz heimische Unterart handelte, dass sie also ausgesetzt worden waren.
Unterstützt von der Koordinationsstelle für Amphibien- und Reptilienschutz in der Schweiz (karch) lancierten drei Kantone deshalb ein Wiederansiedelungsprojekt. Im Genfer Schutzgebiet Bois de Jussy wilderten Reptilienspezialisten ab dem Jahr 2010 mehrmals Schildkröten derjenigen Unterart aus, die einst nördlich der Alpen heimisch war. 2013 und 2015 wurden zudem im Neuenburger Reservat La Vielle-Thielle Europäische Sumpfschildkröten ausgewildert. Weitere Auswilderungen sind im Tessin geplant.
Erfolg noch nicht garantiert
Nun zeigen sich die ersten Erfolge des Projekts: Bei einer Fangaktion im Juli dieses Jahres entdeckten die Forscher im Bois de Jussy drei Jungtiere, die letztes Jahr geschlüpft sind, wie Reptilienspezialist Sylvain Ursenbacher von der karch auf Anfrage bestätigt. Es handelt sich um die ersten in freier Natur geborenen Nachkommen der in Genf ausgewilderten Sumpfschildkröten. Dass es bis zu den ersten Geburten sechs Jahre gedauert hat, erstaunt Ursenbacher nicht. Denn Schildkröten wachsen nur langsam. «Die ausgesetzten Tiere waren nur etwa 200 Gramm schwer, es war uns klar, dass wir fünf bis sechs Jahre auf Nachkommen warten müssten», sagt er.
Für ihn ist die Beobachtung ein gutes Zeichen. Die Wiederansiedelung als Erfolg bezeichnen möchte er aber noch nicht. «Dafür ist es zu früh, ein erstes Fazit ist in zwei bis drei Jahren geplant.» Und erst wenn klar sei, ob und wie die Projekte in Genf, Neuenburg und im Tessin funktionieren, könne man darüber nachdenken, ob auch in anderen Kantonen Europäische Sumpfschildkröten ausgewildert werden sollten.
Gierige Fleischfresser Die Verbreitung der Europäischen Sumpfschildkröte reicht von Nord-afrika über Süd- und Mitteleuropa bis in den Iran. Die nördlichsten Vorkommen gibt es in Litauen. Ausgewachsene Tiere sind gierige Fleischfresser. Sie ernähren sich von Insektenlarven, Schnecken, Krebstieren und Kaulquappen, aber auch von toten Fischen und Wasserpflanzen wie Seerosen oder Laichkräutern. Als wechselwarme Tiere sind sie nur vom Frühjahr bis zum Herbst aktiv. Den Winter verbringen sie in einer Art Kältestarre im Wasser, am liebsten am Grund eines Gewässers im Schlamm. Sauerstoff nehmen sie dann nur über die Haut und über ihren After auf. |
Die Europäische Sumpfschildkröte ist die einzige Schildkröte, die in der Schweiz natürlicherweise vorkommt. Ausgrabungen im Wallis und am Bodensee zeigten, dass die Art schon in der Steinzeit in unserem Land lebte. Der Aargauer Naturforscher H. Fischer-Siegwart erwähnt in einer Abhandlung aus dem Jahr 1893 diverse Fundorte in der Schweiz. Allein in der Nähe von Zofingen AG fand er 25 Exemplare. Im Inkwilersee bei Solothurn waren die Sumpfschildkröten laut ihm derart häufig, dass ein Fischen mit Beeren und einer Reuse nicht mehr möglich war.
Allerdings wurde mit Schildkröten schon im Altertum Handel betrieben, zumal sie als Fastenspeise galten. Es ist deshalb heute nicht mehr festzustellen, bei welchen früheren Vorkommen es sich um echt einheimische Tiere handelte und bei welchen um entwichene oder ausgesetzte. Klar ist, dass die Lebensräume für die Sumpfschildkröte sich im 20. Jahrhundert deutlich verschlechterten. Denn die Art ist anspruchsvoll, braucht sie doch nicht nur Wasser-, sondern auch Landhabitate. «Sie benötigt Teiche mit klarem Wasser und vielen Pflanzen, aber auch Magerwiesen, warme Haine oder sandige Hügel in der Nähe, um ihre Eier ablegen zu können», sagt Sylvain Ursenbacher.
Gentypen besser nicht vermischen
Die Tiere für die Wiederansiedelungsversuche stammen aus verschiedenen Zuchtstationen, die sich im Projekt SwissEmys zusammengeschlossen haben. Erfahrene Züchter bauten die Stationen mit in freier Natur gefundenen Schildkröten auf, die vor Jahren in Auffangstationen abgegeben worden waren. Weil die Europäische Sumpfschildkröte damals in der Schweiz als ausgestorben galt, waren die Finder davon ausgegangen, dass es sich um entwichene Tiere handelte. Genetische Untersuchungen zeigten jedoch später, dass einige wenige dieser Findeltiere jener Unterart angehören, die in der Schweiz heimisch ist.
Noch heute ist es laut Ursenbacher nicht einfach, genügend Tiere dieser Unterart für die Auswilderungen zu erhalten. «Letztlich stammen alle diese Schildkröten von ein paar wenigen Züchtern», sagt er. Und doch sei es enorm wichtig, die verschiedenen Gentypen nicht zu vermischen. «Denn», sagt der Experte, «neue Analysen zeigen, dass die ‹einheimischen› Tiere in unseren Gefilden die besseren Überlebenschancen haben, als ‹fremde› Unterarten.»
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