Leise rieseln Samenhülsen einer Leguminosenart auf den Boden. Weit unten lecken die Wellen des Stillen Ozeans an der Küste und brausen über schwarzen Sand. Am frühen Morgen ist es diesig, noch ist die Sonne versteckt im Osten hinter einer Wolkenschicht. Jetzt wippen Zweige im Baum auf der Anhöhe hoch über der Küste. 

Nun sehe ich tatsächlich eine Weissstirn­amazone, wie sie eine Samenkapsel abknipst, sie behände öffnet und die Samen frisst. Beim genauen Hinschauen entdecke ich noch mehr dieser kleinen Amazonen, die ganz still und heimlich in den frühen Morgenstunden im Ostional in Costa Rica auf der Nicoya-Halbinsel einen Nahrungsbaum gefunden haben. Einige Tage zuvor habe ich im Monteverde-Nebelwald ihre heiseren und gellenden Schreie gehört, doch richtig beobachten konnte ich sie dort nicht. Die kleinen, kompakten, grünen Vögel flitzten schnell in Baumkronen, wo sie nicht mehr auszumachen waren. Besonders am Abend waren einzelne Schreie zu hören, wenn Amazonen flogen.

Zofingen statt Costa Rica
Viel einfacher kann man an der Swiss Bird vom kommenden Wochenende Weissstirn­amazonen beobachten. Dort werden in schön gestalteten Volieren zwölf Amazonenarten zu sehen sein. Darunter auch die Weissstirn­amazone, die in Zentralamerika vorkommt. 

Während bei den meisten Papageienarten die Geschlechter gleich gefärbt sind, zeigen die Weissstirnamazonen einen Geschlechtsdimorphismus: Weibchen sind wie die Männchen gefärbt, haben jedoch nie den Daumenfittich rot. Weissstirnamazonen gehören mit etwa 26 Zentimeter Grösse zu den kleinen Amazonen, ganz im Gegensatz zu der mächtig wirkenden Doppelgelbkopfamazone. Sie kann in Zofingen im direkten Vergleich mit der Weissstirnamazone bewundert werden und ist etwa 38 Zentimter gross. 

Doppelgelbkopfamazonen kommen auf der Pazifikseite Mexikos in laubabwerfenden Wäldern in halb offenen Landschaften vor. Sie werden auch in der Schweiz gehalten und gezüchtet, wovon sich jeder an der Swiss Bird überzeugen kann. 

Bleiben wir noch auf der Westseite von Mexiko, denn dort ist in bewaldeten Gebieten der Tiefländer und Gebirgen bis in eine Höhe von 2200 Metern auch die Blaukappenamazone anzutreffen. Sie lebt in Eichen- und Pinienwäldern. 

Nun reisen wir auf die Ostseite Mexikos bis an die Karibikküste und begegnen dort  vielleicht in bewaldeten Gebieten entlang von Flüssen, an Waldrändern und in offenen Flächen mit vereinzeltem Baumbestand der Grünwangenamazone. Sie ist selten geworden, da ihr Lebensraum stark zerstört wird. Darum ist es fraglich, ob wir sie in Mexiko überhaupt noch sehen. Sicher aber wird sie in Zofingen zu bewundern sein. 

Nun besteigen wir an der Karibikküste ein Schiff, kämpfen uns durch die tosende Brandung und nehmen Kurs auf Kuba. Auch die karibischen Inseln sind von Amazonen besiedelt («Tierwelt» Nr. 33/2014). Auf Kuba kommen die Kuba-Amazonen vor. Sie leben in Wäldern der Tieflandgebiete, manchmal auch in Sümpfen, kommen aber auch im Gebirge und in Nadelwäldern vor. Auch diese kleine Amazonenart ist selten geworden. Kuba-Amazonen sind mit ihrer roten Brustfärbung richtige Schönheiten. Ihre Zucht ist nicht ganz einfach. Das Männchen muss im Auge behalten werden, da es ein grösseres Aggressionspotenzial haben kann, vor allem gegen das Weibchen. Ein gut eingespieltes Zuchtpaar geht aber regelmässig im Frühling dem Brutgeschäft nach. Manchmal hilft es, dem Männchen in der Zuchtzeit einseitig die Schwingen zu beschneiden, sodass es dem Weibchen nicht mehr zu rasch folgen kann. 

Nun aber reisen wir auf den südamerikanischen Kontinent nach Brasilien, ins Land der Papageien. So wurde es in der Vergangenheit bezeichnet. Als der deutsch-englische Asien- und Südamerikaforscher Sir Robert Hermann Schomburgk, der von 1835 bis 1839 mit seinem Bruder Richard eine wissenschaftliche Expedition an den Orinoco und nach Guayana unternahm, an der Mündung des Flusses Wani Amazonenpapageien beobachtete, schrieb er, «dass sie in solcher Menge auf die Uferbäume einfallen, dass die Äste vom Gewicht der Vögel sich niederbiegen». 

Die Charaktertiere Südamerikas
So ist es wenig verwunderlich, dass Papageien einst in Europa als Charaktertiere Südamerikas galten. Schon 1502 tauchte im Schrifttum für Brasilien der Name Papageienland auf. Der Nürnberger Kosmograph und Kartenzeichner Johannes Schöner zeichnete 1520 eine künstliche Erdkugel und gab der Neuen Welt die Bezeichnung «America vel Brasilia sive Papagalli terra». 

Und nach Brasilien reisen wir jetzt. Dort leben im Südosten und im südlichen Teil der Provinz São Paulo bis Rio Grande do Sul Prachtamazonen in Araucaria-angustifolia- und Podocarpus-Waldgebieten entlang von Flüssen. Aufgrund der zunehmenden Ausbreitung der Bevölkerung verschwand ihr natürlicher Lebensraum zusehends. Darum sind es Seltenheiten geworden, die aber von wenigen spezialisierten Züchtern hier vermehrt werden. Wem eine Reise nach Brasilien zu beschwerlich ist, der kann trotzdem eine Begegnung mit dieser Papageienart haben, und zwar an der Swiss Bird. 

Wenn wir jetzt etwas südlicher reisen, so finden wir in Südbrasilien und in Nordargentinien auch die schöne Taubenhalsamazone. Über diese Art und ihr Leben in der argentinischen Provinz Misiones wurde in der «Tierwelt» Nr. 28/2014 berichtet. Sie ist der Themenvogel der diesjährigen Swiss Bird. 

Zuletzt suchen wir in den Sumpfgebieten der atlantischen Küstenwälder die Granada-Amazonen. Oder bleiben wir vielleicht doch lieber mit trockenen Füssen in der geheizten Mehrzweckhalle in Zofingen? Dort treffen wir die Granada-Amazone aus Brasilien mit ihrer zauberhaften Kopffärbung auf jeden Fall an. Tauchen Sie am kommenden Wochenende in die Welt der Amazonen ein und Sie haben zugleich die Möglichkeit, mehrere Tausend anderer Vögel aus aller Welt zu bewundern.

SWISSBird; Mehrzweckhalle Zofingen; 
Strengelbacherstrasse 27 c, Zofingen
13. Dezember 9 bis 22 Uhr 
14. Dezember 9 bis 15 Uhr 
Eintritt frei.