Im sechsten Jahrhundert soll es gewesen sein, als Papst Gregor I Kaninchen zu Fischen erklärte. Dies tat er, damit man sie auch während der Fastenzeit verspeisen durfte, oder wenigsten ihre Föten. Von da an sollen Mönche erst in Frankreich und dann in ganz Europa fleissig Wildkaninchen eingesammelt und sie in ihren Klostergärten vermehrt haben, bis aus ihnen schliesslich das domestizierte Kaninchen wurde, das wir heute kennen.      

Diese Geschichte kursiert seit 2011. Damals erschien sie in einer wissenschaftlichen Studie und wird seither viel und gerne zitiert von Medien, Wissenschaftlern, Wikipedia und dem Internet generell. Es gibt nur ein Problem: Sie ist falsch, wie Archäologen der englischen Universität Oxford jetzt herausgefunden haben wollen. Mittels molekularen Analysen verglichen Evan Irving-Pease und Greger Larson die Genome von Wild- und Hauskaninchen und erwarteten, dass die Trennung vor ungefähr 1400 Jahren stattgefunden haben müsse. Darauf habe es aber keinen Hinweis gegeben: Wild- und Hauskaninchen teilten sich in jüngerer Zeit keinen gemeinsamen Vorfahren, heisst es in einer Medienmitteilung.    

Denn die Resultate der Forscher deuten darauf hin, dass der Prozess der Domestizierung des Wildkaninchens schon viel früher in Gang gesetzt worden war, nämlich in der Altsteinzeit, vor ungefähr 17700 bis 12200 Jahren. Diese Angaben seien jedoch mit Vorsicht zu geniessen, da sie sich mit dem letzten Maximum der letzten Eiszeit decken und es damals diverse Untergruppen in den Populationen der Wildkaninchen gegeben habe. Dennoch, so halten die Forscher fest, habe man schon damals Wildkaninchen gejagt. Später hätten die Römer und auch die Menschen im Mittelalter sie in Gehegen gehalten und gezüchtet, um sie zu essen und später als Haustiere. Morphologische Unterschiede zwischen Haus- und Wildkaninchen, wie beispielsweise Veränderungen des Skelettes, seien aber erst im 18. Jahrhundert aufgetreten, als die moderne Haustierhaltung begann und -zucht auf bestimmte Merkmale begann. 

Gradueller Prozess  
Deshalb, so glauben die Autoren der Studie, die diese Woche im Fachmagazin «Trends in Ecology and Evolution» erschienen ist, sei die Domestikation ein andauernder Prozess, eine Kulmination all dieser Faktoren, von denen ein einzelner nicht als «Auslöser» der Domestizierung der Domestizierung in Frage komme, alle zusammen jedoch zu selbiger geführt hätten.      

«Wir haben Mühe, uns langsame, kontinuierliche Veränderungen richtig vorzustellen», sagt Greger Larson gemäss der Medienmitteilung. Deshalb habe die Geschichte mit den hoppelnden Fischen in französischen Klöstern so lange niemand kritisch hinterfragt. «Domestizierung, die zu einer bestimmten Zeit geschieht, als Folge einer Kette von Ereignissen, ergebe für uns intuitiv Sinn.» Statt zu fragen, wann die Domestizierung eines Tieres genau passierte, müsse man sich fragen, was Domestizierung überhaupt sei und ob die Menschen sie wirklich bewusst herbeigeführt haben, meint Larson.