«Bitte lassen Sie keine Zuchttauben mehr aufsteigen», schreibt die italienische Tierschutzorganisation ENPA in einem offenen Brief an Papst Franziskus. «Die Tiere werden dadurch zum Tode verurteilt.» Die Tierschützer fordern das Oberhaupt der Katholischen Kirche dadurch auf, künftig auf «Friedenstauben» an religiösen Zeremonien zu verzichten. Anlass für den Brief war offensichtlich ein Zwischenfall vom vergangenen Sonntag, als der Papst mit zwei Kindern weisse Tauben steigen liess, die vor den Augen tausender Gläubiger von einer Möwe und einer Krähe attackiert wurden («Tierwelt Online» hat berichtet).

«Weisse Tauben existieren in der Natur nicht. Es ist das Resultat einer Zucht von Menschenhand», schreibt die ENPA weiter. «Diese Vögel kennen die Umgebung nicht, sind nicht in der Lage, Feinde zu erkennen und können sich aufgrund ihrer weissen Farbe nicht tarnen. Deshalb sind sie leichte Beute für Raubtiere.» 

Nicht die Farbe macht den Unterschied, sondern die Rasse
Unverständnis gegenüber dem Papst zeigt auch Rita Schmidlin, Brieftaubenexpertin und Fachredaktorin für die «Tierwelt». Sie widerspricht aber gleichzeitig den Tierschützern. «Es gibt durchaus weisse Tauben in der Natur», sagt Schmidlin. Auf Lanzarote etwa habe sie jede Menge davon gesehen. «Und die haben kein Problem, zu überleben.»

Vielmehr sei es so, dass bei einem Angriff die auffälligste Taube im Schwarm die kleinste Chance habe. «Bei einem Schwarm weisser Tauben mit einer dunklen Taube wird sich der Falke wahrscheinlich die dunkle aussuchen», so die Brieftaubenexpertin. Weil dieses Tier einen Kontrast zu den anderen darstellt und dadurch einfacher zu verfolgen ist. 

Trotz der Kritik unterstützt Schmidlin das Anliegen der italienischen Tierschützer. «Wenn schon Tauben steigen lassen, dann Brieftauben!», fordert sie und unterstellt dem Papst, keine Ahnung von Tauben zu haben. Denn was er da am Sonntag in den Himmel steigen liess (oder zumindest steigen lassen wollte), waren keine Brieftauben, sondern Pfautauben. 

Pfautauben werden für Ausstellungen gezüchtet, nicht für Flüge
«Das sind Zirkustauben. Die machen schöne Kunststückchen, aber fliegen können die nicht!» Pfautauben, gut erkennbar an ihren pfauenradähnlichen Schwanzfedern, sind an Taubenausstellungen jeweils ein besonderer Hingucker. Für Ausstellungen werden sie denn auch gezüchtet, nicht für Flüge als Friedens- oder Hochzeitstauben, wie Rita Schmidlin betont. 

«Man müsste dem Papst also empfehlen, solche Auflässe nur mit Brieftauben zu machen», rät die Expertin. Gegen diese hätten Krähen oder Möwen nämlich keine Chance. Ihre einzigen Feinde seien grössere Greifvögel wie Habichte, Wanderfalken oder Sperber. Für andere Vögel seien Brieftauben schlicht zu schnell und wendig. «Es gibt genügend Taubenzüchter in Italien», sagt Schmidlin zum Schluss, «Die haben bestimmt auch gut trainierte weisse Brieftauben.»