Die ersten Luftbildaufnahmen machte im Jahr 1858 der französische Luftschiffer Nadar, die älteste erhaltene Aufnahme stammt aus dem Jahr 1860, ebenfalls vom Ballon aus. Experimente mit Aufnahmen von Drachen wurden gemacht, und Alfred Nobel betrieb im 1897 die Raketenfotografie. Die ersten Brieftaubenfotografien wurden von Julius Neubronner, Hofapotheker in Kronberg in der Nähe von Frankfurt am Main, gemacht. Wie schon sein Vater setzte er Brieftauben ein, um Rezepte und dringende Medikamente zu erhalten. Er stellte einem Frankfurter Grossisten jeweils einige Tauben zu Verfügung, um damit schneller beliefert zu werden. 

Um zu erfahren, wo verspätete Tauben herumgeflogen waren, kam Neubronner auf die Idee, diese mit Kameras zu versehen. Er war Amateurfotograf mit Leidenschaft und begann, eine leichte Miniaturkamera zu entwickeln. Ein Bild davon stammt aus dem Buch «The Pigeon Photographer». Mit dieser Kamera konnte aber nur ein einziges Foto gemacht werden (im Jahr 1903), später dann bis zu vier Bilder. 

Erste Versuche in der Schweiz
Die deutsche und die französische Armee interessierten sich für diese Technik der Brieftaubenfotografie im Zweiten Weltkrieg, aber ob die Tauben tatsächlich zur Luftaufklärung eingesetzt wurden, ist nicht bewiesen. Brieftauben wurden jedoch ausgiebig benutzt für die Nachrichtenübermittlung. 

Der Uhrmacher Christian Adrian Michel aus dem aargauischen Walde kam 1931 zum Brieftaubenhilfsdienst. Ab 1933 verbesserte er die Kamera von Neubronner und liess diese 1937 patentieren. Die Armee zeigte aber anscheinend kein Interesse daran. Febo de Vries-Baumann und Theodor Strübin experimentierten weiter mit der Taubenkamera, bekannt wurde von Strübin «Maxli, die Fototaube». Max Rasser war damals Zentralpräsident vom Schweizerischen Brieftaubenverband. Bei diesen Experimenten war der Hauptgrund, herauszufinden, wo die Brieftauben bei Trainings- und Wettflügen durchfliegen. Das wäre auch heute noch von Interesse, und es werden Versuche gemacht mit speziellen Fussringen, die den Flugweg aufzeichnen.

Cornelius Grämiger, aktiver Hobbyfotograf mit eigenem Labor und Brieftaubenzüchter, stellte sich in den 1980er-Jahren einer besonderen Aufgabe. Als Gymnastik- und Judolehrer interessierte er sich für alles, was mit Bewegung zusammenhängt. Er wollte nun endlich die technischen Probleme lösen, die eine Fotografie mit einer Brieftaube im Flug stellt. 

Wie die Acmel-Kamera fliegen lernte
Sein Vorgehen von damals beschreibt Grämger wie folgt: «Bei der gewählten Kamera handelt es sich um eine umgebaute Acmel-Kamera der Firma Weinberger AG, mit dreilinsigem Objektiv, 8-Millimeter-Film, Format 8 x 11 (Minox). Die Verschlusszeit beträgt einen 250tel, der Auslöser wird elektromotorisch betrieben, mit einem Untersetzungsgetriebe 1:1000, das heisst, circa alle ein bis drei Sekunden ein Bild. Das Besondere an dieser Kamera ist, dass bis 36 Luftaufnahmen pro Taubenflug gemacht werden können. Der Winkel der Kamera zum Boden ist verstellbar, die Aufnahmen können in Flugrichtung, Seitenrichtung oder rückwärts gemacht werden. Um technisch gute Bilder erhalten zu können, spielen neben der Kameratechnik und dem Film viele weitere Faktoren eine Rolle. So müssen zum Beispiel die Fluggeschwindigkeit und die Eigenbewegung der Taube, die Distanz zum Boden sowie der wahllose Bildausschnitt beachtet werden. Das Gewicht der Kamera konnte auf circa 30 Gramm reduziert werden, hinzu kommt der Mini-Motor mit Getriebe 30 Gramm, die Batterie und der Film – voll ausgerüstet über 30 Gramm.» 

Beim Trainieren der Tauben mit Gewicht stellte sich bald heraus, welche Tauben für den «Fotoflug» geeignet waren und welche nicht. So hatten einige Tauben bereits bei 30 Gramm Schwierigkeiten, während andere mit 80 Gramm mühelos im Schwarm mitfliegen konnten, als würden sie nichts tragen. Tendenziell zeigte sich, dass nicht etwa die Männchen, sondern eher die leichten Täubinnen mit grossen Flügeln geeignet sind. Die Taube mit Kamera wurde in der Regel auf drei bis sechs Kilometer eingesetzt. Die Fotos stammen deshalb aus dem Quartier des Zürichbergs und Umgebung.

Cornelius Grämiger lebt auch heute noch in Zürich. Brieftauben hält er aber keine mehr, der Platz des Brieftaubenschlages ist jedoch noch immer vorhanden. Heute leben dort allerdings nur drei Hühner. Das gelungene Experiment, Fotos mit Brieftauben zu machen, verschaffte Grämiger 1987 einen Auftritt in der Knoff-Hoff-Show im Fernsehen. Die Knoff-Hoff-Show war zwischen 1986 und 2004 eine beliebte Unterhaltungssendung des ZDF mit populärwissenschaftlichen Themen.

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