In Europa wird die Infektiöse Laryngotracheitis (ILT) nicht an der Wurzel bekämpft,  sondern die Tiere werden dagegen geimpft. In der Schweiz hingegen ist das Impfen verboten, betroffene Bestände müssen vernichtet werden. Ist der Schweizer Alleingang noch der richtige Weg? An der jährlichen Weiterbildung von Rassegeflügel Schweiz Anfang Mai in Zollikofen BE räumte der Neuenburger Kantonstierarzt Pierre-François Gobat in einem Referat ein: «Jedes Mal, wenn es einen ILT-Fall gibt, fragen wir uns, ob das Bekämpfen der ILT in der Schweiz noch zeitgemäss ist.»

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Pierre-François Gobat,
Kantonstierarzt von Neuenburg.

Bild: Fabian Schenkel

Den Zuhörern erläuterte der Tierarzt weiter, von staatlicher Seite bestehe nicht das Ziel, die ILT in der Schweiz auszurotten. Eine vorbeugende Impfung bleibt in der Schweiz verboten, während in Europa die meisten Hühner gegen ILT geimpft werden. Allerdings kann die ILT durch das Impfverbot ebenso wenig ausgerottet werden wie durch einen Impfzwang. Dies unterscheidet ILT von gewissen Krankheiten bei Rindern oder auch bei menschlichen Krankheiten wie der Kinderlähmung.

ILT verbreitet sich rasend schnell
«Die Krankheit ILT gibt es in der Schweiz, sie war immer da und sie wird auch immer da bleiben», führte Gobat weiter aus. Gemäss der heutigen Gesetzesgrundlage handelt es sich bei ILT um eine zu bekämpfende, und nicht um eine auszurottende Krankheit, obwohl sie für die betroffenen Tiere tödlich ist und nur mit schnellen Massnahmen unter Kontrolle gebracht werden kann. Die Impfung ist in der Schweiz deshalb verboten, weil sie nur die Symptome dämpft, den Erreger aber nicht vernichtet. Damit verhindert die Impfung, dass erkennbar wird, wo die Krankheit wütet; mit dem Impfverbot hingegen ist immer klar sichtbar, welchen Weg sie nimmt. So ­können auch Gegenmassnahmen ergriffen werden.

Am Beispiel einer Geflügelausstellung illustrierte Gobat, wie schnell sich die Krankheit ausbreiten kann. Dort wurde innerhalb von drei Tagen mehr als die Hälfte der anwesenden Tiere mit ILT infiziert. Die Krankheit ist mit einer Grippe vergleichbar, die besonders durch kaltes und feuchtes Klima begünstigt wird. Zudem ist an Ausstellungen die Ansteckung von Tier zu Tier einfach möglich. Das Virus wurde nicht an der Ausstellung selbst, sondern erst später mittels einer Blutprobe festgestellt. Von den 52,7 Prozent der Tiere, die angesteckt waren, zeigte die Hälfte klinische Symptome, bei den anderen war die Krankheit äusserlich nicht sichtbar. Dies zeigt, dass der ILT-Virus nicht einfach zu entdecken und nur durch einen Bluttest mit Sicherheit festzustellen ist. Die Verbreitung erfolgt sehr schnell; innerhalb dreier Tage nach der Ausstellung hatte sich die Krankheit von Sion über Genf bis nach Delsberg verbreitet. Wird ILT durch einen Tierarzt festgestellt, so muss dieser dem jeweiligen Kantonstierarzt den Befund melden. Auf eine Frage aus dem Publikum sagte Gobat: «Nicht alle Tierärzte sind detailliert über die Krankheit informiert. Doch sie wissen um die Brisanz des Themas.» Die ILT hat eine Verwandtschaft mit der Vogelgrippe oder Newcastle Disease.

Amtliche Massnahmen sind hart
Wird ein ILT-Fall in einem Kanton gemeldet, werden die betroffenen Betriebe gesperrt. Der Tieraustausch ist während der Sperre untersagt. Es können auch Ausstellungsverbote für Hühner erlassen werden. Der Tierarzt ordnet eine serologische Untersuchung der Stallungen an, die mit dem Ausbruchsbetrieb in Kontakt standen. In Beständen mit erkrankten Tieren werden alle Hühner getötet, Ausnahmen gibt es in der Praxis keine, obwohl das Gesetz die Möglichkeit vorsieht. Bei einem kleineren Bestand von weniger als 100 Tieren werden die Hühner vom Tierarzt eingeschläfert, bei einer grossen Anzahl von Tieren werden sie mit CO2 vergast. Dabei werden sie sofort betäubt und sind innerhalb von einer Sekunde tot.

Nach der Tötung müssen die Ställe desinfiziert werden. Frühestens 30 Tage nach dem letzten Seuchenfall wird die Sperre aufgehoben. In einem ILT-Fall sieht die Tierseuchenverordnung keine Entschädigung des Halters vor. Er muss den Schaden selbst tragen oder sich privat versichern. Wertvolles Erbgut kann mit einer Ausnahmenbewilligung theoretisch über die Bruteier gesichert werden, doch meist legen die erkrankten Tiere nur noch wenige oder gar keine Eier mehr.

ILT-Fälle kommen im ganzen Land vor, es gibt keine regionalen Häufungen. Unbekannt ist, wie viele Fälle nicht gemeldet werden. Die Infektiöse Laryngotracheitis ist verwandt mit der Vogelgrippe oder der New­castle Disease. Sie wird durch ein Herpesvirus ausgelöst, das oft bei Stress ausbricht. In der Umwelt kann es überleben, stirbt jedoch bei Sonneneinstrahlung oder Temperaturen von über 37 Grad Celsius. Ist es allerdings einmal in den Körper eingedrungen, kann es auch dort bei Körpertemperatur überleben.

Die ILT tritt vor allem bei Puten, Pfauen und Fasanen auf. Es gibt verschiedene Formen des Virus. Die Krankheit zeigt sich durch Keuchen oder Schnupfen mit Nasenausfluss. Eine starke Reduktion der Eierproduktion, die Schwellung des Kopfs oder Ersticken sind weitere Formen. Einige Symptome sind ähnlich der Newcastle Disease, der Mykoplasmose oder der infektiösen Bronchitis. Sind die Tiere infiziert, sterben sie nach zwei bis drei Tagen. Bei Verdacht ist der Tierarzt aufzusuchen, der die notwendigen Schritte einleitet.

Welche Prävention wirkt?
In der Schweiz kommt die Krankheit häufiger bei Hobbyzüchtern als  bei Wirtschaftsgeflügelzüchtern vor, da Letztere die Tiere meist in einem geschlossenen Kreis austauschen, in dem höchste hygienische Standards herrschen und keine Fremdpersonen und Tiere den Stall betreten können.

Ein Geflügelzüchter kann alles richtig machen und trotzdem die Krankheit einschleppen. Es gibt Tiere, die ILT über Monate in sich tragen und dennoch symptomfrei sind. Doch an einer Ausstellung, beim Stallwechsel oder bei Beginn der Eiablage bricht die Krankheit plötzlich aus. Deshalb ist beim Zukauf und Tausch von Tieren Vorsicht geboten. Illegaler Geflügelimport ist nicht nur verboten, sondern auch höchst riskant. Kranke Tiere dürfen auf keinen Fall ausgestellt werden. An Ausstellungen muss eine Eintrittskontrolle vorgenommen und im Verdachtsfall müssen Tiere abgesondert und desinfiziert werden. Ein krankes Tier kann schon innerhalb eines oder zweier Tage weitere Artgenossen anstecken.

Für die Erhaltung ursprünglicher Rassen ist zu hoffen, dass die Impfung in Zukunft zugelassen wird. In diesem Sinne jedenfalls votierten die Teilnehmer der Weiterbildung von Rassegeflügel Schweiz.