Schon Charles Darwin hat sich vor 150 Jahren mit Kaninchen beschäftigt. Und er war fasziniert davon, wie stark sich junge Wildkaninchen von ihren domestizierten Artgenossen unterscheiden. «Kein Tier ist schwieriger zu zähmen als das Junge eines Wildkaninchens. Und kaum eine Tier ist zahmer als das Junge eines Hauskaninchens», schrieb er in seinem Hauptwerk «Über die Entstehung der Arten». 

Mit seinen Darlegungen hat Darwin damals bewiesen, dass es möglich ist, das Aussehen und Verhalten von Tieren durch Selektion zu verändern. Dabei hat er aber noch nichts von Genetik gewusst. Heute ist die Wissenschaft weiter. So weit, dass ein internationales Forscherteam um Miguel Carneiro von der Universität Porto das Erbgut von gut 20 Kaninchen vollständig entschlüsselt hat. Diese Gensequenzierung sollte den Wissenschaftlern Aufschluss darüber geben, was das Wildkaninchen vom zahmen Hauskaninchen unterscheidet.

Kein grosser Unterschied in den Genen
Herausgefunden haben die Forscher erstaunliches: «Der Unterschied zwischen einem wilden und einem zahmen Kaninchen ist nicht, welche Gene sie in sich tragen, sondern wie ihre Gene reguliert sind», sagt Carneiro. Will heissen: Die domestizierten und die wilden Kaninchen tragen ihm zufolge mehrheitlich die selben Gene in sich. Einzig die Häufigkeit, in der sich die entsprechenden «Wildkaninchen-Gene» in den Zellen der zahmen Tiere durchsetzen, sei geringer.

Die Ergebnisse sind bemerkenswert, haben doch Wildkaninchen eine starke Fluchtreaktion entwickelt, weil sie ständig auf der Hut vor Räubern wie Adler, Füchsen oder Menschen sein müssen. Bei domestizierten Kaninchen fehlt dieser Fluchtreflex fast gänzlich. Die wenigen genetischen Unterschiede, die von den Forschern ausfindig gemacht werden konnten, seien deshalb auch wenig überraschend in den Nerven- und Hirnregion festgestellt worden.

Als Fisch betrachtet
Kaninchen haben sich laut den Wissenschaftlern als ideale Studienobjekte für eine derartige Untersuchung zwischen Wild- und Haustier herausgestellt. Anders als etwa Hunde, Schafe oder Kühe, die schon vor 9000-15'000 Jahren domestiziert wurden, seien Kaninchen erst vor rund 1400 Jahren zu Haus- und Nutztieren gemacht worden. Damals lebten die Tiere vor allem auf der Iberischen Halbinsel und in Südfrankreich. Französische Mönche seien es denn auch gewesen, die erstmals Kaninchen gezähmt hätten. Einigen Quellen zufolge, weil sie die Tiere kurzerhand nicht als «Fleisch», sondern als «Fisch» deklariert hätten, um sie auch während der Fastenzeit essen zu dürfen.

Wie dem auch sei: Die Kaninchen sind erst vor verhältnismässig kurzer Zeit domestiziert worden, man weiss ziemlich genau, wo dies geschehen ist und in ihrer Ursprungsregion leben noch immer viele wilde Tiere. Somit glauben die Forscher, ein gutes Anschauungsbeispiel für den Prozess der Domestizierung gefunden zu haben, das auch auf weitere Tiere zutreffen könnte. 

Rückkehr in die Wildnis möglich
Die Forscher schliessen von ihren Erkenntnissen bei Kaninchen auf andere Haustiere und schreiben, es gebe vermutlich nicht «das Haustier-Gen», das den Schlüssel zur Domestizierung darstelle. Ausserdem halten sie es für durchaus möglich, dass zahme Kaninchen – einmal in der Wildnis ausgesetzt – durch natürliche Auslese wieder zurück zu ihrer wilden Form finden könnten.

Im Widerspruch zur These dieser «sanften Abänderung» steht eine andere, kürzlich erschienene Studie, die besagt, dass ein Gen-Defekt verantwortlich dafür ist, dass Haustiere deutlich zahmer sind als ihre wilden Artgenossen («Tierwelt Online» hat berichtet). Dieser Defekt hätte auch zum typisch «niedlichen» Aussehen von Haustieren – mit rundem Kopf und Schlappohren etwa – geführt.

Originalpublikation:
Carneiro M, Albert FW, Afonso S, Pereira RJ, Burbano H, et al. (2014) The Genomic Architecture of Population Divergence between Subspecies of the European Rabbit. PLoS Genet 10(8): e1003519.
doi:10.1371/journal.pgen.1003519